Bundestags-Wahlarena

Rot, gelb und rechtsradikal: "Triellchen" mit Linken, FDP und AfD in Schwabach

17.9.2021, 15:05 Uhr
Die Spitzenkandidaten von FDP, der Linken und der AfD trafen in der Wahlarena in Schwabach aufeinander.

© Robert Gerner, NN Die Spitzenkandidaten von FDP, der Linken und der AfD trafen in der Wahlarena in Schwabach aufeinander.

"Schwabach ist einfach ideal für uns", sagt Redakteur Philip Nasshau. Ja, räumt er ein, schön sei der Markgrafenssaal nicht gerade. "Aber das sieht man ja im Fernsehen nicht. Er sei zentral gelegen, die Trucks mit der ganzen Technik könnten direkt vor der Tür parken. "Eineinhalb Tage Aufbau, knapp zwei Stunden Sendung (inklusive Livestream, Anm. d. Red.), ein halber Tag Abbau. Und schon sind wir wieder weg."

Nächste Woche wird das gleiche Equipment, das außerhalb von Wahlkämpfen übrigens bei Jetzt-red-i-Sendungen Verwendung findet, in der Nähe von Landshut wieder aufgebaut. Dann, wenn die Top-Leute von CSU, SPD und Grünen die letzten Unentschlossenen von sich und ihrer Partei überzeugen wollen.

Freie Wähler nur Zaungast

Nur Zuschauer bei diesem zweimaligen Dreikampf sind die Freien Wähler. In der Kommunalpolitik mögen sie die Nummer zwei in Bayern sein. Auf Landesebene sitzen sitzen sie mit der CSU in der Regierung. Aber im Bundestag sind sie bisher halt nicht vertreten. Und nur die im Bundestag sitzenden Parteien dürfen mitreden. Wenn die Umfragen nicht täuschen, müssen sich Aiwanger & Co vermutlich noch länger hinten anstellen. Derzeit stehen sie bei allenfalls drei Prozent. Einzug ins Parlament unwahrscheinlich.

Aber: Es ist ja auch ohne Vizeministerpräsident Hubert Aiwanger eine bunte Truppe, die sich da im Markgrafensaal vor 30 ausgewählten Zuschauern, vor BR-Chefredakteur Christian Nitsche, vor seiner Co-Moderatorin Franziska Eder, vor einem 20-köpfigen Stab des Bayerischen Fernsehens, vor noch einmal so vielen Technikern und vor einigen hunderttausend Wählerinnen und Wählern vor den Fernsehschirmen oder den heimischen Rechnern präsentiert.

Links, Liberal, Rechtsaußen

Da ist Klaus Ernst von den Linken, das einzige bekannte Gesicht seiner Partei in Bayern, altes Gewerkschafter-Schlachtross, einer, dem die SPD unter Schröder zu rechts geworden ist, der seine Botschaften immer mit großen Gesten unters Volk zu bringen versucht. Launig, leidenschaftlich, pointiert, aber nie verletzend.

Da ist Daniel Föst von der FDP, Landesvorsitzender seiner Partei, ein Mann, dem man noch ansieht, dass er mal als Möbelpacker gearbeitet hat. Einer, der nichts dagegen hätte, wenn er in der neuen Regierung Bauminister werden könnte.

Und da ist Peter Boehringer von der AfD, Vorsitzender des mächtigen Haushaltsausschusses im Bundestag. Einer, der als Polarisierer bekannt ist. Und der diese Rolle auch in Schwabach zum Besten gibt.

Raunen im Publikum

Beispiele gefällig? Als er von Franziska Eder zu Beginn der Sendung vorgestellt wird, gibt es noch sparsamen Applaus für den 52-jährigen Amberger. Aber dann: Klimawandel? Boehringer sieht keinen Handlungsbedarf. "Wir können noch nicht einmal eine Woche lang die Hochwasserkatastrophe im Ahrntal vorhersagen, wie wollen wir dann das Klima in 80 Jahren beeinflussen?"

Oder: Wohnungsnot? "Hätten wir ohne drei Millionen illegal Zugewanderte nicht", lässt er unter dem Geraune des Zuhörer wissen. Die Zahl hält keiner objektiven Überprüfung Stand. Aber dank Boehringer ist sie jetzt halt mal in der Welt.

Oder die Rolle der Frauen in fünf Jahren? "Müssen wir nicht mehr drüber reden, wenn die Islamisierung in Deutschland weiter voranschreitet."

Oder: Mehr Geld für die Pflege? Klar, verspricht der AfD-ler. Drei Milliarden könne er sofort loseisen. Die Milliarde, die Außenminister Maas den Taliban versprochen hat. "Und die zwei Milliarden, die jetzt für die unsägliche Impfkampagne von Kindern zur Verfügung gestellt werden."

Corona? Für Boehringer mindestens seit Frühjahr 2020 mehr oder weniger Fake. Oder wie er es sagt: "Alle Maßnahmen sind auf der Basis von Lügen aufgebaut."

"Völlig Verirrter"

Der Linke Klaus Ernst und Daniel Föst von der FDP wehren sich nach Kräften. Als "völlig Verirrten" bezeichnet Föst seinen Kollegen in der Klimadiskussion. Als "Schwachsinn" jenseits aller wissenschaftlichen Erkenntnisse geißelt er Böhringers Thesen in der Coronakrise. "Trivial dumm" sei das, was Boehringer zur Zuwanderung vom Stapel lasse.

Ohne Menschen aus anderen Nationen, pflichtet ihm eine Zuschauerin zu, wäre das gesamte Pflegesystem schon zusammengebrochen. Weil Böhringer mit zum Teil wirklich sprachlos machenden Parolen den Abend prägt, haben es andere Themen schwer, durchzudringen.

Heimspiel für den Moderator

Christian Nitsche, dem am Montag gemeinsam mit seiner Kollegin Ellen Ehni in der ARD der Vierkampf zwischen Linken, FDP, CSU und AfD zwischenzeitlich ein wenig entglitten ist, hat es zwei Tage später im BR trotzdem ein bisschen einfacher. Nur drei statt vier Diskutanten, und sie reden auch nur ganz selten gleichzeitig, was immer dazu führt, dass der geneigte Zuschauer vorm Fernseher von keinem etwas versteht - und sich mit Grausen abwendet.

Das Format ist ja auch etwas anders, erklärt Nitsche, der in Wendelstein groß gewordene BR-Chefredakteur, bei seinem Heimspiel. "Heute sind wir Anwalt der Bürger", lässt er zu Beginn der Sendung wissen. Anwalt der 30 ausgesuchten Bürger live im Saal, aber auch derjenigen, die von zu Hause aus ihre Fragen loswerden.

Aber: Alles, was dann vorgetragen wird, ist einigermaßen erwartbar. Zu Wort kommen: eine Aktivistin der Fridays-for-Future-Bewegung, ein lokaler Kämpfer für die Energiewende, ein Unternehmer, eine Altenpflegerin, ein Afghanistan-Veteran, eine Mitarbeiterin des Schwabacher Asylcafes und eine Mutter, die die einseitigen Corona-Maßnahmen zulasten der Kinder und Familien beklagt.

Zwei Stunden im Feuer

Die Hauptakteure stehen knapp zwei Stunden lang im Feuer. Daniel Föst und dem trotz seiner Rechtsaußen-Parolen oft ein wenig linkisch wirkenden Peter Boehringer sieht man das auch an. Beide geraten ordentlich ins Schwitzen, was bei Live-Sendungen ohne jeden Einspieler nicht überpinselt werden kann: keine Zeit, um ein bisschen nachzupudern.

Was am Ende vom "Triellchen" bleibt? Der Erkenntnisgewinn für unentschlossene Wählerinnen und Wähler ist überschaubar. Jeder liefert das, was die jeweilige Wählerschaft von ihm erwartet. Am ehesten bleibt für all jene, die mögliche Koalitionsmodelle durchspielen, ein Satz von Klaus Ernst von den Linken in Erinnerung. Rot-Rot-Grün? "An der Nato-Frage würde es nicht scheitern."

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