Schöffen gesucht: Erfahrungen fürs Leben machen

28.2.2018, 06:00 Uhr
„Man sieht Schicksale, denen man sonst nie begegnen würde.“ Klaus Krauß und Gabriele Katz haben es nicht bereut, als ehrenamtliche Schöffen zu arbeiten. Jetzt werden neue Bewerber gesucht.

© Foto: Thomas Correll „Man sieht Schicksale, denen man sonst nie begegnen würde.“ Klaus Krauß und Gabriele Katz haben es nicht bereut, als ehrenamtliche Schöffen zu arbeiten. Jetzt werden neue Bewerber gesucht.

Gleich vorneweg, es geht hier nicht um Mord und Totschlag, zumindest nicht um vorsätzlichen Totschlag. Als Schöffe erlebt man die kleinen Krimis vor Gericht, die Betrüger, die Diebe, die Drogenabhängigen, die Gewalttätigen und vor dem Jugendgericht die schwer Erziehbaren oder schlecht Erzogenen. Und man richtet. Gleichberechtigt mit der Berufsrichterin oder dem Berufsrichter, also jemandem, der die Freuden und Qualen eines Jura-Studiums auf sich genommen hat und jetzt täglich über zukünftige Lebenswege von Menschen entscheidet.

"Nicht jeder mit schlechter Kindheit wird zum Straftäter, aber bei vielen ist schon in Kindheit und Jugend etwas schief gelaufen", fasst Gabriele Katz eine Lehre zusammen, die sie aus ihrer jahrelangen Tätigkeit als ehrenamtliche Richterin gezogen hat. Die 59-jährige Schwabacherin ist seit kurzem im Ruhestand, arbeitete zuvor als Wirtschaftsprüferin im Nürnberger Finanzamt und ist seit zehn Jahren Schöffin. Fünf Jahre war sie am Landgericht Nürnberg/Fürth, zuletzt bekleidete sie ihr Amt fünf Jahre am Schwabacher Amtsgericht.

"Man wird demütiger"

Wie ist das so als Schöffin? "Es ist berührend. Man sieht Schicksale, denen man sonst nie begegnen würde", erzählt Katz. "Und man wird vielleicht ein bisschen demütiger. Man erkennt, welches Glück man im Leben hat." Auch Klaus Krauß hat diese Erfahrung gemacht: "Man wundert sich, was alles möglich ist." Der 60-jährige Krauß ist Jugendschöffe, arbeitet bei den Schwabacher Stadtwerken und hat selbst zwei Töchter. Seine Tätigkeit helfe ihm dabei, die Dinge in den richtigen Maßstab zu rücken. Wenn seine Töchter zuhause ihr Zimmer nicht aufräumen wollen, dann ist das vielleicht ärgerlich. Aber vor dem Jugendgericht erlebt er ganz andere Geschichten.

"Oft fällt mir auf, mit welcher Gleichgültigkeit Jugendliche auftreten, ohne Respekt vor dem Richter oder dem Gericht. Nach dem Motto: Mir kann eh’ nichts passieren." Ein Trugschluss – die jungen Delinquenten seien sich der Folgen ihres Tuns einfach nicht bewusst. Außerdem: "Es ist fast immer Alkohol im Spiel, das geht schon bei den 14-Jährigen los." Krauß beobachtet eine zunehmende Respektlosigkeit auch auf dem Fußballplatz. Er arbeitet bereits seit 1977 beim TV 48 Schwabach im Jugendbereich.

Leute mit Erfahrung

Das deutet auf einen Unterschied in den Voraussetzungen für das Schöffenamt hin. Während Erwachsenenschöffen vor allem mit beiden Beinen im Leben stehen sollen, ist es bei Jugendschöffen wichtig, dass sie Erfahrungen in der Jugendarbeit oder Erziehung haben. Reinhard Hader, Richter am Amtsgericht und zuständig für die Jugendschöffen, betont aber, dass man "nicht unbedingt juristisch oder pädagogisch vorgebildete" Personen suche, sondern vielmehr "gestandene, lebenserfahrene Menschen". Der Aufruf richte sich im Besonderen auch an jüngere Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund, ergänzt Haders Kollegin Dr. Andrea Martin. Diese seien bislang eher unterrepräsentiert im Schöffenamt, das soll sich ändern.

Es gibt außerdem einige Bedingungen, die auf www.justiz.bayern.de/service/schoeffen nachzulesen sind. So gibt es etwa Altersgrenzen (25 bis 70 Jahre), auch die deutsche Staatsbürgerschaft ist notwendig.

"Es lohnt sich"

"Es lohnt sich auf jeden Fall, Schöffe zu werden", sagt Klaus Krauß und betont auch die gute Zusammenarbeit mit den Richtern. Er sei noch nie aus dem Gerichtssaal gegangen mit dem Gefühl: Das war ein falsches Urteil. Trotzdem sei er sich nicht immer ganz einig gewesen mit dem Richter. Gabriele Katz ergänzt noch eine andere Sache, mit der man klarkommen muss als Schöffin: "Man hat schonmal das Gefühl: der war’s! Aber wenn man es nicht nachweisen kann, dann kann man ihn auch nicht verurteilen." Im Zweifel für den Angeklagten.

Als eine besondere Erfahrung beschreiben sowohl Katz als auch Krauß die Hauptverhandlung. Man erhalte vorher nur wenig Informationen, bilde sich anfangs aber natürlich eine Meinung. Die drehe sich während der Verhandlung manchmal um 180 Grad. Es gebe nichts Wichtigeres als den persönlichen Eindruck sowohl von Angeklagten als auch Zeugen, um einen Sachverhalt – idealerweise – ganz aufzuklären. Das helfe auch zu verstehen, warum manchmal in den Augen lasch geurteilt werde.

Entscheidung nie bereut

Gabriele Katz hat ihre Entscheidung, Schöffin zu werden, nie bereut. Schließlich hätte "man solche Einsichten nicht, wenn man ein ganz normales, bürgerliches Leben führt". "Es heißt bei Urteilen ja immer: im Namen des Volkes", sagt sie: "Das sind wir, die Schöffen. Wir sind das Volk."

ZWer Schöffe oder Jugendschöffe werden möchte, kann sich – je nach Wohnort – an folgende Ansprechpartner wenden: Für Jugendschöffen das Schwabacher Jugendamt (E-Mail: jugend-amt@schwabach.de) oder das Jugendamt des Landkreises Roth (monika.obermeyer@landratsamt-roth.de); für Erwachsenenschöffen entweder das Schwabacher Ordnungsamt (wahlamt@schwabach.de) oder die jeweilige Gemeinde. Weitere Infos sind auf www.justiz.bayern.de/service/schoeffen zu finden.

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