Schüler und Corona

Schülerleid im Lockdown: "Die harten Fälle müssen wir Ansbach überlassen"

22.7.2021, 06:04 Uhr
Wenn Corona alles kaputt macht. Mindestens jeder zehnte Schüler bräuchte professionelle Hilfe, auch im Landkreis Roth.

© imago images/CHROMORANGE Wenn Corona alles kaputt macht. Mindestens jeder zehnte Schüler bräuchte professionelle Hilfe, auch im Landkreis Roth.

Manchmal treten die Unterausschüsse des Rother Kreistages gar nicht zusammen, um wichtige Dinge zu beschließen. Manchmal treffen sich die Kommunalpolitiker auch, um einfach zuzuhören. So wie am Dienstag in der Hilpoltsteiner Realschule, wo die Leiterinnen und Leiter von Gymnasien und Realschulen, von Förderzentrum, Berufsschule, Wirtschaftsschule und Landwirtschaftsschule erzählten, wie sie die Coronakrise gemeistert haben. Nicht ganz überraschend: Am meisten Sorgen muss man sich um die Schülerinnen und Schüler machen.

Studien sagen, dass zwischen 10 und 15 Prozent eigentlich professionelle Hilfe bräuchten, weil sie das Erlebte nicht verarbeitet haben, weil sie soziale Kompetenzen verlernt und weil sie von Angststörungen und Depressionen gepeinigt werden. Stefan Bindner, Direktor an der Realschule Hilpoltstein, hält diese Zahlen "eher noch für untertrieben". Die Schulsozialarbeiterin sei derzeit von früh bis spät unterwegs, um zu helfen, wo immer es möglich ist. "Die ganz harten Fälle müssen wir aber den Experten des Bezirkskrankenhauses in Ansbach übergeben", so der Schulleiter.

Wie geht es weiter mit den Testverweigerern?

Bindners Kolleginnen und Kollegen können solche und ähnliche Geschichten erzählen. Zum Beispiel Susanne Steiner von der Realschule Roth. Angesichts von knapp 1000 Schülern seien die fünf Testverweigerer zwar ein verschwindend kleiner Prozentsatz. "Doch diese fünf Schülerinnen und Schüler tun mir unendlich leid", so Steiner. Sie seien seit November nicht mehr in der Schule. Seitdem der Präsenzunterricht wieder laufe, gebe es auch keine Videokonferenz mehr mit ihnen. Sie bekämen nur noch Arbeitsaufgaben zugeschickt. "Für sie ist der Klassenverband weggefallen, wir wissen gar nicht, wie es ihnen wirklich geht. Ich weiß nicht, wie das im nächsten Schuljahr werden soll."

Wie digital die Klassenzimmer inzwischen sind, das konnten sich die Mitglieder des Schul- und Bildungsausschusses in der Hilpoltsteiner Realschule anschauen.

Wie digital die Klassenzimmer inzwischen sind, das konnten sich die Mitglieder des Schul- und Bildungsausschusses in der Hilpoltsteiner Realschule anschauen. © Gerner, NN

Grundsätzlich gilt: Die reine Stoff-Vermittlung hat in Pandemiezeiten recht gut geklappt. Der digitale Unterricht hat einen Quantensprung gemacht. "Das hat Kraft gekostet, aber Knowhow gebracht", fasste es Rektor Bindner zusammen, als er die Kreisräte durch einige seiner Klassenräume führte, aus denen die Tafeln inzwischen verschwunden sind und in denen Laptops, Beamer und Dokumentenkameras den Ton angeben.

Sozialformen neu einüben

Aber: Schulisches Leben ist ja mehr als Mathematik und Deutsch. "Wenn nach der Abiturfeier von unseren 111 Abiturienten nur vier zum Aufräumen kommen, dann merkt man, dass die Verantwortung für das große Ganze verloren gegangen ist", beschrieb es Johannes Novotny vom Gymnasium Wendelstein. "Die Sozialformen müssen neu gelernt werden."

An der Realschule Roth will man das im Herbst in Form einer regelmäßigen Klassenleiterstunde versuchen. Dann wird kein klassischer Stoff vermittelt, sondern das Miteinander wieder eingeübt.

Besonders kritisch ist die Situation im Förderzentrum. Die Schulschließungen ab November waren für die Schülerinnen und Schüler dort besonders gravierend. "Wir haben immer mehr von ihnen verloren", beschrieb Schulleiterin Beate Buchholz. Um gegenzusteuern habe man die Notgruppen immer weiter aufgebläht. "Am Ende waren etwa 280 von unseren 500 Schülern in den Notgruppen. So konnten wir Kontakt zu ihnen halten", so Buchholz. Alleine wären die Kinder völlig überfordert gewesen, weil oft auch die Eltern völlig überfordert seien mit diesen Corona-Perspektivlosigkeiten.

Das Ausmaß ist noch nicht sichtbar

Den Fernunterricht sah selbst Berufsschul-Leiter Michael Greiner, der Ende des Schuljahres in den Ruhestand geht, mit gemischten Gefühlen, obwohl seine Schülerinnen und Schüler in aller Regel technisch gut ausgestattet sind. "Die Guten kommen prächtig zurecht, aber die Schwachen fallen durchs Raster. Das ganze Ausmaß ist noch gar nicht sichtbar."

In einem Punkt hat der Landkreis Roth inzwischen übrigens nachgesteuert. Bis vor einigen Jahren gab es Schulsozialarbeiter nur in der Förderschule. Dann zog man für die beiden Realschulen nach. Und nach den Sommerferien gehen nun drei weitere Schulsozialarbeiterinnen an den Gymnasien in Roth, Hilpoltstein und Wendelstein an den Start. "Wir freuen uns", sagte Johannes Novotny. "Und sie wird auch dringend gebraucht."

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