Schwabach: Freller lädt Biden nach Dachau ein

19.1.2021, 11:00 Uhr
Schwabach: Freller lädt Biden nach Dachau ein

© Foto: Archiv Freller

Am Mittwoch blickt die Welt auf ihn: Joe Biden wird als neuer US-Präsident offiziell in sein Amt eingeführt. Nach dem Sturm aufs Capitol durch Trump-Anhänger wird diesem sonst so feierlichen Akt auch mit großer Sorge wegen befürchteter neuer Gewalt entgegengesehen.

In Deutschland hat Joe Biden aber auch wegen eines ganz anderen, aber sehr sensiblen Themas für Schlagzeilen gesorgt. Der "Spiegel" berichtete am Samstag von einem heftigen Vorwurf: Verharmlost die KZ-Gedenkstätte Dachau das Leiden und Sterben der Häftlinge während des NS-Terrors?

Diesen Eindruck hatte Joe Biden offenbar bei einem privaten Besuch in Dachau 2015 bekommen und davon 2017 in seinem autobiographischen Buch "Versprich es mir. Über Hoffnung am Rande des Abgrunds" berichtet. Kurz vor seiner Amtseinführung ist dieses Buch nun auch in deutscher Übersetzung erschienen.

"Frisch lackiert"

Biden hatte die Gedenkstätte mit seinen Kindern bereits in den 1980er Jahren besucht, 2015 war er mit einer Enkelin gekommen. In den Passagen über Dachau wundert sich Biden, dass die Gedenkstätte umgestaltet worden sei, "um es für die Besucher weniger bedrückend zu machen". Als Beispiel nennt er in dem Buch die sauberen und "frisch lackierten" Holzbetten in den Baracken. Die von Häftlingen eingeritzten Namen seien daher nicht mehr zu sehen.

Von dieser Kritik direkt betroffen ist der Schwabacher CSU-Landtagsvizepräsident Karl Freller. Denn er ist seit 2008 ehrenamtlicher Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten und damit für die Erinnerungskultur in den beiden ehemaligen Konzentrationslagern Dachau und Flossenbürg verantwortlich.

"Missverständnisse"

Freller spricht von "Missverständnissen". Den Vorwurf der Geschichtsklitterung weist er zurück, reagiert aber nicht empört, sondern mit einer herzlichen Einladung zu einem erneuten Besuch in der KZ-Gedenkstätte. Es wäre der erste eines amtierenden US-Präsidenten in Dachau.

In einem Brief gratuliert Freller zunächst zum Wahlsieg: "Ich habe mich aufrichtig gefreut, dass Ihnen der Wahlsieg gelungen ist und die Welt wieder auf eine berechenbare und menschliche Führung Ihres Landes hoffen darf."

Über den Spiegel-Artikel sei er "sehr erschrocken" gewesen, fährt Freller fort und erklärt: "Ich befürchte, dass bei der Führung vor sechs Jahren der wichtige Hinweis untergegangen ist, dass es die KZ-Gedenkstätte mit Dokumentation als solche erst seit 1965 gibt. So ist es unbestritten, dass auf dem Gelände nach 1945 vieles verändert wurde."

Die historischen Baracken seien längst abgebaut. "Zwei Baracken wurden in den 60er Jahren nachgebaut, auch die Inneneinrichtung und die bis heute unlackierten Stockbetten, um wenigstens eine Grundvorstellung zu ermöglichen. Originale Betten mit eingeritzten Namen gab es damals schon nicht mehr", betont Freller. Dass die Baracken auf Besucher befremdlich sauber wirken könnten, kann Freller nachvollziehen. Gleichzeitig bittet er dafür um Verständnis: "Schrecken und Gewalt, Enge und Schmutz, Gerüche und Kälte museal darzustellen, ist medial bedingt und gegenständlich, zumal ohne historische Originalteile, kaum möglich."

Privater Besuch

Gerne hätte Karl Freller 2015 Joe Biden persönlich begrüßt. Biden war damals Vizepräsident. "Doch von amerikanischer Seite wurde betont, dass es ein rein privater Besuch ohne Politiker sein solle, das habe ich respektiert", erinnert sich Freller. Durch die Gedenkstätte geführt wurde Biden deshalb von deren Leiterin Gabriele Hammermann und Max Mannheimer, dem mittlerweile verstorbenen Präsidenten der Lagergemeinschaft Dachau. Keine Einwände hatte dagegen Bidens Nachfolger als Vizepräsident, Mike Pence. Als er 2017 mit Frau und Tochter Dachau ebenfalls privat besuchte, wurde er von Freller empfangen.

"Weltweites Ausrufezeichen"

Nun aber richtet Freller "eine ganz große Bitte" an Biden: "Es ist uns in den vergangenen Jahren zwar gelungen, jährlich fast eine Million Besucher in Dachau zu haben. Doch es gäbe keine größere Aufmerksamkeit für diesen Ort, als wenn erstmals ein amtierender Präsident der Vereinigten Staaten ihn besuchen würde. Sie würden in jeder Hinsicht ein weltweit großes Ausrufezeichen setzen!"

Dachau war 1933 als erstes Konzentrationslager gebaut worden. Über 40 000 Häftlinge sind hier umgekommen. "Die meisten durch Hunger oder Zwangsarbeit", so Freller. Anders als in Vernichtungslagern wie vor allem Auschwitz habe es aber "keine Massentötung in der Gaskammer" gegeben.

Auch Schwabacher Häftlinge

Auch einige Schwabacher Nazigegner sind schon 1933 inhaftiert worden, darunter der spätere Oberbürgermeister Hans Hocheder (SPD) und der SPD-Landtagsabgeordnete Julius Hofer.

Karl Freller war die Erinnerung an die "Opferorte" schon in jungen Jahren wichtig. Bereits als Religionslehrer an der Realschule hatte er zusammen mit Konrektor Eugen Schöler Klassenfahrten nach Flossenbürg unternommen.

Für sein Engagement als Stiftungsdirektor haben ihn Bayerns Israelitische Kultusgemeinden 2014 mit dem "Rabbiner-Spiro-Preis" geehrt.

 

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