Schwabach: Kitas in Not - schon vor Corona

4.2.2021, 13:00 Uhr
Schwabach: Kitas in Not - schon vor Corona

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In Zeiten der Pandemie ist es fast schon eine Selbstverständlichkeit: Corona und der Lockdown machen alles viel schwieriger. Das gilt für sehr viele Bereiche, auch für die Kindertagesstätten. In den Kitas aber wäre man fast froh, wenn dies der einzige Kummer wäre. Ei-
ne Krisenzeit lässt sich mit ei-
ner gemeinsamen Kraftanstrengung meistern.

Die eigentliche Schwierigkeit aber liegt viel tiefer. "Wir haben ein massives Problem, und zwar auch schon ohne Corona", sagt Pfarrerin Katharina Wolf von der evangelischen Kirchengemeinde Wolkersdorf, der Trägerin des Kindergartens St. Christophorus.

Mit dieser Meinung steht sie nicht allein. Ganz im Gegenteil. Dies zeigte eine Video-Konferenz zum Thema Kitas in Corona ganz deutlich. Eingeladen dazu hatte die Stadt Schwabach quasi als Ersatz für eine Sitzung des Jugendhilfeausschusses. Mit dabei: Vertreter von Kita-Trägern, Erzieherinnen, Stadträtinnen und die Verwaltung.

"Wie ein Brennglas"

"Corona ist wie ein Brennglas", weiß auch Brunhilde Adam, die Leiterin des Jugendamts. "Die Probleme, die ohnehin vorhanden sind, werden nochmal deutlicher."

Die Gesprächsatmosphäre ist weder selbstmitleidig noch aggressiv, sondern ruhig und argumentativ. In der Sache können die Beiträge deutlicher kaum sein.

"Die Mehrarbeit durch Corona geht an die Substanz": Darauf wolle sie schon einmal aufmerksam machen, sagt Pfarrerin Wolf eingangs. Unterstützt von den beiden Christophorus-Leiterinnen Dagmar Tunkel und Nina Weger folgen eine ernüchternde Bestandsaufnahme und daraus resultierende "Wünsche" an die Politik. Es ist ein Hilferuf.

Der chronische Fachkräftemangel wirke sich nun in der Krise besonders gravierend aus. "Immer weniger Personal und immer mehr Kinder mit erhöhtem Förderbedarf", beschreibt Katharina Wolf die Entwicklung, die schon lange vor Corona eingesetzt hat.

Beruf muss attraktiver werden

Umso mehr ärgert sie das Bild, das immer noch viele von Erzieherinnen und Erziehern hätten und von diesem Beruf abschrecke. "Erzieherinnen sind keine Kindergartentanten, die die Kleinen bespaßen", betont die Pfarrerin. "Das ist ein Beruf mit fünfjähriger Ausbildung."

"Wir möchten wertgeschätzt werden", erklären Dagmar Tunkel und Nina Weger. Katharina Wolf unterstützt das ausdrücklich und denkt dabei aber nicht an nette Worte und folgenlosen Beifall: "Unser Wunsch an die Politik ist eine personelle und finanzielle Unterstützung, damit der Beruf wieder attraktiver wird. Wir brauchen einen Personalschlüssel, der den Empfehlungen entspricht."

Damit hat die Pfarrerin den Ton gesetzt. Die Reaktionen: "Ich kann Frau Wolf nur zustimmen", betont Christine Heller für die Kindergärten der Arbeiterwohlfahrt. "Es gibt keinen Puffer", so beschreibt auch Kevin Schwarzer von der Johanniter Unfallhilfe die Personallage.

Wieso aber ist die Lage durch Corona noch schlimmer? Auf den ersten Blick könnte man meinen: Schließung, keine Kinder, keine Arbeit. Das Gegenteil ist der Fall.

Das beginnt damit, dass die Kitas zwar geschlossen, aber dennoch offen sind: für die Notbetreuung. Anders als im ersten Lockdown wird die nicht nur für Kinder von Eltern mit "systemrelevanten Berufen" gewährt. "Die Kriterien sind weit gefasst", erklärt Jugendamtschefin Brunhilde Adam. Auf sie zurückgreifen können Eltern, die etwa aufgrund ihrer Berufstätigkeit keine andere Betreuungsmöglichkeit haben.

Viele Kinder in Notbetreuung

Die Nachfrage nach der Notbetreuung in den 27 Kitas im Stadtgebiet: "In Krippen ist die Quote höher als in den Kindergartengruppen. Im Durchschnitt sind 25 bis 30 Prozent der Kinder in der Notbetreuung", erklärt Brunhilde Adam. "Dabei gibt es sehr große Unterschiede zwischen 8 und 71 Prozent. Das sind schon erhebliche Zahlen."

Zudem gilt grundsätzlich, dass Corona zu völlig neuen Herausforderungen und Belastungen führt. Brunhilde Adam nennt ein Beispiel: Offene Gruppen mussten in getrennte Kleingruppen verwandelt werden. "Die ganze Organisation und die Dienstpläne mussten verändert werden. Außerdem mussten Hygienepläne entwickelt und der Kontakt zu den Eltern intensiviert werden. Hinzu kommt die emotionale Belastung durch die Angst vor Ansteckung."

Wenig Verständnis hat man deshalb dafür, dass Kita-Mitarbeitende im Impfplan erst in Gruppe drei eingestuft sind. Zumindest aber werden in diesen Tagen neue FFP2-Masken ausgeliefert.

Mehr Kinder gefährdet

Sorgen bereitet zudem die Situation in den Familien. "Viele Eltern sind durch", sagt Dritte Bürgermeisterin Petra Novotny und hat dafür volles Verständnis. "Der Lockdown richtet wirklich Schaden an", weiß auch Elfriede Schweinzer, Leiterin der Erziehungsberatungsstelle Roth-Schwabach von Diakonie und Caritas. Die Enge und der Stress führten auch zu mehr Fällen von Kindeswohlgefährdungen.

"Sonst haben wir immer um die 70 gemeldete Fälle pro Jahr", nennt Brunhilde Adam Zahlen. "2020 waren es 102. Das ist ein signifikanter Anstieg, und der liegt an Corona."

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