Interview Familien- und Altenhilfe Schwabach

So sieht der "etwas andere" Berufsalltag in der Pflege aus

4.3.2021, 14:27 Uhr
„Wir haben die erste Impfung mit Astrazeneca problemlos überstanden und werden unser Risiko auf schwere Krankheitsverläufe mit der zweiten Impfung enorm reduzieren Darauf freuen wir uns“, sagen Brigitte Stadelmann (links), Pflegefachkraft, und Andrea Schmidt, die Geschäftsführerin der Familien- und Altenhilfe Schwabach.   

© a-nn-st-20210303_092259-1.jpg, NN „Wir haben die erste Impfung mit Astrazeneca problemlos überstanden und werden unser Risiko auf schwere Krankheitsverläufe mit der zweiten Impfung enorm reduzieren Darauf freuen wir uns“, sagen Brigitte Stadelmann (links), Pflegefachkraft, und Andrea Schmidt, die Geschäftsführerin der Familien- und Altenhilfe Schwabach.   

Zu Beginn der Corona-Pandemie vor einem Jahr hatten wir in einem Interview mit Andrea Schmidt, der Geschäftsführerin der Familien- und Altenhilfe, über die systemrelevanten, unterdurchschnittlich bezahlten Berufe und auch über die fehlende Schutzausrüstung gesprochen. Wie ist die Situation in der ambulanten Pflege heute? Ein Gespräch:

Frau Schmidt, wir haben bereits viel über die stationären Pflegeheime berichtet. Wie sieht aktuell die Lage bei Ihnen im ambulanten Pflegedienst aus?
Auch bei uns verschlingt das Pandemiemanagement viel zeitliche Ressource. Vom Materialeinkauf, über die Verteilung bis hin zu den regelmäßigen wöchentlichen Schnelltest sind wir ganz schön beschäftigt. Das ist neu, aber natürlich notwendig: Mitarbeiter- und Patientenschutz stehen an oberster Stelle.

In Pflegeheimen gab es einige Corona-Ausbrüche mit Todesfällen. Ist die Lage in der ambulanten Pflege vergleichbar?
Nein, Gott sei Dank nicht. Wir hatten nur wenige positiv getestete Einzelfälle. Nur die Betroffenheit, wenn ein Patient verstirbt, ist ähnlich. Sehr gut war die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt. Auch am Wochenende kann man schnell Kontakt aufnehmen.

Was ist Ihre momentan größte Sorge?
Was mich aktuell umtreibt, ist die Zurückhaltung bei der Impfung mit dem Astrazeneca-Impfstoff.

Wie sieht es mit der Impfbereitschaft Ihres Mitarbeiterteams aus?
Wir haben für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Impfordner mit Informationen zusammengestellt. Aber ich merke, dass die Impfbereitschaft noch nicht so hoch ist. Eine kleine Meinungsumfrage letzte Woche in der Belegschaft hat ergeben, das unter anderem auch die negativen Schlagzeilen zu Astrazeneca für Zurückhaltung sorgt. Dass die die Impfentscheidung in den vergangenen Wochen durch die schlechte Kommunikation zu dem zugelassenen Impfstoff Astrazeneca negativ beeinflusst wurde, das finde ich schade.



Wie ist Ihre persönliche Meinung?
Generell bin ich der Meinung, dass wir nur Vorwärts kommen, wenn sich so viele Menschen als möglich impfen lassen. Natürlich ist die Impfentscheidung eine persönliche, die jeder für sich selbst treffen muss. Eine Entscheidung gegen das Impfen kann individuelle Gründe haben. Bei dem ein oder anderen kann hier durch weitere Aufklärung und Transparenz sicherlich auch noch mehr Klarheit geschaffen werden.

Welche Erfahrungen haben Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bereits geimpft sind, gemacht?
In den letzten beiden Wochen haben einige Kolleginnen und auch ich, die erste mit dem Astrazeneca-Impfstoff erhalten. Nur leichte Kopfschmerzen, vielleicht ein leichtes Frösteln, mehr war nicht. Wir haben auch Kolleginnen, die haben gar nichts gemerkt.

Welche Beschäftigten können sich bei Ihnen impfen lassen?
Hier gibt es eine genaue Definition, die wir am 14. Januar nochmals schriftlich vom Gesundheitsministerium erhalten haben: Alle Personen, die mindestens zweimal die Woche aus beruflichen Gründen oder wegen ehrenamtlicher Tätigkeiten die Einrichtung betreten, fallen unter den Begriff des Personals, das Anspruch auf Impfung hat. Dazu zählen auch regelmäßig in Einrichtungen tätige externe Dienstleister, Auszubildende, Bundesfreiwilligendienstler und Mitarbeiter im freiwilligen sozialen Jahr.

Ist Patientenkontakt entscheidend?
Nein, es ist unerheblich, ob ein direkter Patientenkontakt besteht. Hintergrund ist, dass nicht sicher ausgeschlossen werden kann, dass auch Personen ohne regelmäßigen direkten Patientenbezug, nicht doch Kontakt zu Patienten oder Bewohnern haben oder Kontakt mit Beschäftigten, die wiederum direkt mit Pflegebedürftigen in Kontakt sind. In diesem Zusammenhang hat es mich sehr verwundert, dass sich die Kreisklinik Roth rechtfertigen musste, weil zum Beispiel EDV-Mitarbeiter geimpft wurden. Ich war selbst zehn Jahre im Krankenhaus beschäftigt und kann daher nur bekräftigen: Die IT-ler sind permanent in den unterschiedlichen Bereichen unterwegs, da ja keine Versorgung mehr ohne IT-Infrastruktur funktioniert, denken wir nur an die Technik auf den Intensivstationen oder im OP.

Wie organisieren Sie bei das Impfen?
Bei uns ist der Ablauf so, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im registrieren und wenn sie dann einen Impftermin erhalten, bekommen sie eine Bestätigung vom Arbeitgeber, also von mir unterschrieben, in welchen Berufsbereich sie arbeiten.
Gerade wir von den Wohlfahrtsverbänden sind jetzt häufig mit zwei Berufsgruppen betroffen: Zum einen mit unseren Pflegeeinrichtungen, aber viele von uns Träger haben auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kitas, Grundschulen und Förderschulen, die nun auch früher geimpft werden können. Ein großes Lob zur Organisation im Schwabacher Impfzentrum. Man fühlt sich sehr gut betreut.

Neben dem Impfen ist für den Mitarbeiter- und Patientenschutz die Schutzausrüstung auch weiterhin ein wichtiges Thema. Vor einem Jahr haben Sie die fehlende Schutzausrüstung bemängelt. Sind Sie jetzt gut versorgt?
Die generelle Beschaffung ist nicht mehr das große Problem, außer bei den Einmalhandschuhen, da stoßen wir immer wieder einmal auf Lieferengpässe. Auch die Antigen-Schnelltest, die wir wöchentlich für die Testung unserer Mitarbeiter benötigen, sind ausreichend vorhanden. Problematisch sehe ich allerdings die Preisentwicklung. Ob dafür der Pflegeschutzschirm gedacht war? Ich befürchte, da rollt noch etwas auf uns Pflegeeinrichtungen zu.

Wie haben sich die Preise entwickelt?
Drei Beispiele: Bei Einmalhandschuhen haben wir tatsächlich Schwierigkeiten, sie zu einem akzeptablen Preis zu bekommen. Der Preis hat sich seit Corona fast verfünffacht. Die Preise für Händedesinfektionsmittel waren letztes Jahr um 25 Prozent höher, aktuell zahlen wir „nur“ noch 20 Prozent mehr als früher.
Als wir im letzten Sommer noch mit dem normalem medizinischen OP-Masken gearbeitet haben, mussten wir für die Beschaffung in Hochpreisphasen ebenfalls sechs Mal mehr bezahlen als noch 2019. Gut, dass uns ab und zu der örtliche Katastrophenschutz mit Material versorgen konnte.

Der neue „Pflegeschutzschirm“ soll das finanziell abfedern. Tut er das?
Ja. Pflegeeinrichtungen sollen die Mehrbelastungen aufgrund der Pandemie von den Pflegekassen vergütet bekommen. Zum Beispiel können wir die Mehrkosten für die Schutzausrüstung bei den Pflegekassen geltend machen. Dies funktioniert in der Tat bei uns aktuell reibungslos und wir erhalten auch zeitnah die Mehrkosten erstattet. An dieser Stelle geht es uns sicherlich besser, als manchem Unternehmer, der ewig lange auf seine Überbrückungshilfe oder andere staatliche Unterstützung warten muss. Ganz frei von Sorge aber sind auch wir nicht.

Was befürchten Sie?
Na ja, zurecht sind wir verpflichtet, über die Mehrbelastungen, die wir erstattet bekommen, entsprechende Nachweise zu führen – schließlich handelt es sich bei den ja um das Geld der Beitragszahler. Die Auszahlung an uns erfolgt vorläufig. Die Pflegekassen haben bis zu 24 Monate Zeit zu prüfen. Ich befürchte, dass von den Pflegekassen, deren finanzielle Situation durch Corona noch schwieriger ist, zum Beispiel die zum Teil sehr überhöhten Preise, die wir 2020 für die Schutzausrüstung zahlen mussten, nicht anerkannt werden und die Pflegekasse der Meinung ist, dass wir das Material auch günstiger hätten beschaffen können. Diese Diskussionen könnten aufwendig, mühselig und frustrierend werden. Höhe Rückzahlungen könnten für manche Pflegeeinrichtungen dann sicherlich auch noch zu finanziellen Schwierigkeiten führen.

Ist denn der Nachweis Ihrer Kosten ein Problem?
Wir dokumentieren seit einiger Zeit zum Beispiel genau, warum wir zu einem bestimmten Zeitpunkt genau zu diesem Preis bei einem bestimmten Lieferanten eingekauft haben. Allerdings haben wir das zu Beginn der Pandemie nicht so konsequent aufgeschrieben. Da waren wir froh, dass wir das Material überhaupt bekommen haben. Bis das Nachweisverfahren der Pflegekasse abgeschlossen ist, werden wir mit dieser finanziellen Unsicherheit leider leben müssen.

Ein Jahr Corona: Was war für Sie als Geschäftsführerin der Familien- und Altenhilfe am wichtigsten?
Außer, dass wir fast alle gesund geblieben sind, war das Wichtigste und auch Beruhigendste für mich, die professionelle und unaufgeregte Art, mit der unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im ambulanten Pflegedienst ihre Aufgabe wahrnehmen – egal ob wir gerade wieder einmal auf Testergebnisse von Patienten warten oder wegen einer Versorgung von nur fünf Minuten die komplette Schutzausrüstung angezogen werden muss. Das ganze Team nimmt seine Aufgabe sehr verantwortlich wahr.
INTERVIEW: GÜNTHER WILHELM

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