Spuren der Ahnen

27.12.2010, 08:54 Uhr
Spuren der Ahnen

© mbb

Der frühere Kammersteiner Pfarrer lebt nun in Dietersdorf. Dort beschäftigt er sich mit seiner Passion, der Erforschung der Exulanten, jener Glaubensvertriebener, die aus dem heutigen Österreich kamen und in Franken eine neue Heimat fanden. Im Rahmen des Jubiläums „775 Jahre Kammerstein“ hielt er im Evangelischen Gemeindehaus einen Vortrag unter dem Titel „Den Exulanten auf der Spur“ und widmetet sich besonders der Geschichte der Glaubensflüchtlinge, die aus Kärnten kamen. Pfarrer Martin Bek-Baier und Pfarrerin Sabine Baier begrüßten den Ahnenforscher und Vorgänger im Amt und dankten für seine wissenschaftliche Arbeit. Der Posaunenchor Kammerstein hatte den Abend musikalisch begleitet. Es war die letzte Veranstaltung in der Reihe der Vorträge zum Festjahr 775 Jahre Kammerstein.

Emigration dauerte 150 Jahre

Die Emigration von abertausenden von österreichischen Exulanten geschah nach und nach, innerhalb von etwa 150 Jahren. Es waren meist kleinere Gruppen, die in die nächstgelegenen evangelische Gebiete flohen, auf der Suche nach einer künftigen Heimat. Sie gingen meist lieber freiwillig in die Fremde, bevor sie in Ketten „wegg’schafft“, also abgeführt wurden. Ihr Verbrechen? Sie wollten die Bibel in ihrer Muttersprache lesen dürfen, Gottesdienste in deutscher Sprache feiern und das Abendmahl in beiderlei Gestalt empfangen. All das wurde den evangelischen Kärtnern verwehrt.

Pfarrer Karl Heinz Keller ist einer der führenden Historiker in der Exulantenforschung in Franken. Minutiös trägt er seit Jahren die Daten aus dem heutigen Dekanat Schwabach zusammen. Das Gros der Kärtner Exulanten zog in dieses Gebiet. Die meisten von ihnen finden sich in den Kirchenbüchern der Kirchengemeinden Kammerstein und Barthelmesaurach, die heute zur Gemeinde Kammerstein gehören: Zusammen 311 Kärtner fanden hier ihre neue Heimat. Sie waren etwa ein Viertel aller 1.331 Exulanten in der Gemeinde.

Dabei war Kärnten bis ins Jahr 1600 zu rund 90 Prozent evangelisch, wie die meisten Gebiete des heutigen Österreichs. Belegt ist dies durch eine Depesche eines garantiert unabhängigen Beobachters, des venezianischen Gesandten. „Die Blütezeit des kärtnerischen Protestantismus währte fast 80 Jahre lang, bis die Gegenreformation in diesem Jahr unbarmherzig und mit militärischer Gewalt zuschlug“, weiß Keller. Mit 300 Musketieren zog der Landeshauptmann Graf von Ortenburg durch alle Täler Kärntens, verjagte die protestantischen Pfarrer, zerstörte Kirchen, Schulhäuser und Friedhöfe.

Die Bevölkerung wurde zusammengetrieben. Bischof Martin Brenner, genannt der „Ketzerhammer“ versuchte die lutherischen Christen zur katholischen Kirche durch eine vier-stündige Predigt zu bekehren. Wer widerstand, wurde des Landes verwiesen und in Eisen und Banden weggeführt. Der Landeshauptmann ließ nur wenige Täler aus. So das innere Teuchental um Ariach. Die dortigen Protestanten konnten ihr Tal den Truppen verwehren, da sie den engen Eingang in einer Klamm verbarrikadierten.

„Geheimprotestantismus“

Selbst wenn aber die Protestanten ihren katholischen Beichtschein vorweisen konnten, die Kinder katholische taufen, heirateten und sich beerdigen ließen, so blieben sie im Herzen meist evangelisch, so der Forscher. Sie flüchteten sich in den „Geheimprotestantismus“. Der so geheim freilich nicht war, wie Keller weiß. Es gab Spitzel, Geheimakten, Verhaftungen, Kerkerhaft und Abschiebung in Strafkolonien wie Siebenbürgen. 4000 Geheimprotestanten wurden aufgespürt, 2000 haben das erste Jahr der Deportation nicht überlebt.

Bleibt die Frage „Warum nahmen die Menschen das auf sich?“ „Das war der Unterschied zwischen Frohbotschaft und Drohbotschaft“, ist Keller überzeugt. Keine wirtschaftlichen oder finanziellen Gründe standen hinter der Emigration.

„Was mich besonders beeindruckt, dass es allein der Glaube war, der die Menschen veranlasste eine neue Heimat zu suchen“, sagte Bürgermeister Walter Schnell in seiner Dankesrede an Pfarrer Keller.