Stilistische Vielfalt beim Musikfest auf Schloss Dürrenmungenau

21.9.2015, 10:08 Uhr
Stilistische Vielfalt beim Musikfest auf Schloss Dürrenmungenau

© Foto: Hans von Draminski

Der künstlerische Leiter Joseph Liebl, der immerhin gut drei Jahre den „Fränkischen Sommer“ managte, hatte zuvor angekündigt, mit dem „Musikfest“ neue Wege gehen zu wollen. Nach der vier Tage umfassenden Festival-Premiere kann man getrost konstatieren, dass das Ziel erreicht wurde: Die Besucherinnen und Besucher des „Musikfestes“ ließen sich auf Hörabenteuer jenseits des üblichen Konzertbetriebes ein und ließen sich nicht eine Sekunde lang davon irritieren, dass manches, was im Hof des Schlosses und im Foyer serviert wurde, nicht einmal ansatzweise in irgendeine Schublade passte.

Der Festivalfreitag zeigte, wie aus Pleiten, Pech und Pannen Erstaunliches entstehen kann: Lautenist Axel Wolf hatte fast alle seine Noten daheim vergessen – und besann sich bei seinem nachmittäglichen Renaissance-Programm mit englischem und italienischem Repertoire darauf, dass Improvisation in vorbarocken Zeiten zu den Selbstverständlichkeiten zählte. Und dass beispielsweise der britische Komponist John Dowland, auf den sich Wolf in der ersten Hälfte seines Konzerts kaprizierte, sowieso nur einen Bruchteil seiner Werke aufschrieb – damit sie ihm nicht von anderen gestohlen werden konnten.

Grenzgänge mit „Flow“

Die Lebendigkeit, die der flinkfingerige Filigranarbeiter Wolf in seinen Renaissance-Meditationen inklusive des Dauerbrenners „Greensleeves“ pflegt, übertrug er auch auf seinen Duoauftritt mit dem Saxofonisten Hugo Siegmeth: Was die beiden Musiker unter dem Label „Flow“ auf die kleine Foyerbühne des Schlosses brachten, waren hochspannende Grenzgänge zwischen Zeiten und musikalischen Sphären, zwischen Jobim und höfischer Gaillarde, eingängig bis zur Ohrwurmigkeit und dennoch mit Anspruch.

Den vertreten auch die „Heimatlosen“, die als Begleitband des „Schlachthof“-Moderators Ottfried Fischer reüssierten und mittlerweile als Quartett auf ziemlich schrägen, in sich selbst verschlungenen Solopfaden wandeln. Rich Laughlin (Trompete), Leo Gmelch (Tuba/Posaune) César Granados (Percussion) und Norbert Bürger (Gitarre) sind verschrobene Musik-Anarchisten, die ihren Zuhörern durchgeknallte Kopf-Soundtracks zwischen Freejazz, Neuer Musik und „Schräg dahoam“-Volksmusikparaphrase um die Ohren hauen und diese aberwitzige Melange als der Weisheit vorletzten Schluss verkaufen. Sperrig, abgründig – und sehr witzig.

Der Festival-Samstag

Herzhaft lachen kann man auch über das Münchner Zweigespann „Unsere Lieblinge“: Der Bassist Alex Haas und der Schlagzeuger Stefan Noelle haben für sich eine Musikkabarett-Nische gefunden, deren Einrichtung zwar nicht ganz neu erscheint, die aber von bunten Farben lebt – obwohl das aktuelle Programm mit „Nacht“ betitelt ist.

Eine Sammlung von Nachdämmerungsstücken aus Rock, Pop und Klassik, die bei Haas und Noelle in Minimalbesetzung maximal durch den Kakao gezogen werden. Inklusive einer Harmoniegesang-Version des Doppelgitarren-Solos aus dem „Eagles“-Klassiker „Hotel California“, der bei den „Lieblingen“ zum gepflegten Horrorsong mutiert.

Feinsinniges Soloprogramm

Für ein einsames Highlight sorgt zu späterer Stunde die Ausnahmepianistin Mona Asuka Ott mit einem ausgesucht feinsinnigen Soloprogramm, das Prägnantes von Felix Mendelssohn Bartholdy, Franz Schubert und Franz Liszt bündelt. Die erst 24-jährige Künstlerin mit deutsch-japanischen Wurzeln gilt als aufgehender Stern am internationalen Pianistenhimmel.

Stilistische Vielfalt beim Musikfest auf Schloss Dürrenmungenau

© Foto: Hans von Draminski

In Dürrenmungenau bestätigt die zierliche Tastenlöwin die Elogen, welche die Feuilletons auf sie singen, mit großem, kantablem Ton, eisernem Formwillen und emphatischem Musikverständnis. Wenn sie sich beispielsweise Mendelssohns „Lieder ohne Worte“ vornimmt, findet sie eine sehr natürlich wirkende Balance aus Emotionalität und rationalem Zugriff. Otts Deutungen wirken stets kraftvoll, die Ostinati, die sie dem Bösendorfer-Flügel entlockt, haben beinahe symphonische Dimensionen. Und doch versteht sich diese Meisterin vielfarbiger Valeurs und hauchzarter Phrasierung auf die Gestaltung filigraner Details, die sie mit mustergültig differenzierter Artikulation zu modellieren weiß.

In Franz Liszts „Rhapsodie Espagnole“ lässt Mona Asuka Ott die Finger fliegen, demonstriert ungehemmte Lust am vituosen Spiel mit gleißenden Arpeggien und rasanten Läufen, in denen kein Ton daneben geht. Mitreißend und herzerwärmend. Was sich getrost auch dem „Musikfest“ bescheinigen lässt.

www.schlossduerrenmungenau.de/musikfest

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