Junge Schwabacherin radelte allein

Über 4000 Kilometer: Mit dem Rad von der Schulbank ans Nordkap

10.11.2021, 12:35 Uhr
Das Nordkap hat sie gelockt, Lea ist losgeradelt, sobald sie ihr Abiturzeugnis in der Hand hatte.

© Lea Pietsch Das Nordkap hat sie gelockt, Lea ist losgeradelt, sobald sie ihr Abiturzeugnis in der Hand hatte.

Ganzn schön bepackt und viele Kilometer Strecke: Trotzdem hatte Lea Pietsch keinen einzigen Platten.

Ganzn schön bepackt und viele Kilometer Strecke: Trotzdem hatte Lea Pietsch keinen einzigen Platten. © Lea Pietsch, NN

Die Idee trug sie schon eine Weile mit sich herum, der Sohn einer Bekannten wollte mal bis zur Ostsee radeln. Ist nichts draus geworden. Aber Lea war angefixt. Vor einem knappen Jahr – Lea war noch keine 18 und stand kurz vor der Abiprüfung am WEG – hat sie dann ihren Eltern davon erzählt. „Langsam und in Etappen erzählt.“ Trotzdem waren die natürlich nicht begeistert.

Klar, Leas Radlererfahrung beschränkte sich auf den Weg zur Schule, nur einmal war sie 45 Kilometer am Stück unterwegs gewesen. Und ihr Fahrrad war auch nicht das tauglichste für einen Tripp nach Nord-Norwegen. Wenn sie wenigstens nicht allein…

Aber sie zog los. Allein. „Am Freitag gabs Abizeugnisse, am Montag bin ich losgefahren.“ Wegen der coronabedingten Abiturverschiebung zwei Wochen später als geplant, erst Mitte Juli. Mit Minizelt und Gaskocher, Kamera und Powerbank fürs Handy, Regensachen und Flickzeug.

Neues Fahrrad - am zweiten Tag

Aber schon am zweiten Tag – sie war gerade kurz vor Würzburg – rächte sich ihr Fahrrad für die Zumutung. Okay, Lea sah ein, dass sie ein neues Rad brauchte. „In einem superlieben Radladen“ kaufte sie eins – so gängig und reparabel wie möglich, aus Stahl, mit 26-Zoll-Reifen – und der superliebe Radhändler montierte ihr alle Halterungen und Griffe vom alten ans neue Gefährt.

Beeindruckende Landschaften begegneten der 18-Jährigen auf dem Weg zum Kap.

Beeindruckende Landschaften begegneten der 18-Jährigen auf dem Weg zum Kap. © Lea Pietsch, NN

Derweil machte Lea nochmal kehrt – mit der Bahn transportierte sie das alte Rad nach Schwabach und setzte sich am nächsten Tag in Würzburg auf das neue. Auf ausgewiesenen Radwegen über Fulda nach Bremen und Hamburg lief es flott.

Als Lea den Polarkreis erreicht, ist ein Foto natürlich Pflicht. Mit Satteltaschen wiegt ihr Fahrrad übrigens mehr als 50 Kilo.  

Als Lea den Polarkreis erreicht, ist ein Foto natürlich Pflicht. Mit Satteltaschen wiegt ihr Fahrrad übrigens mehr als 50 Kilo.   © Lea Pietsch, NN

Anfangs war sie (mit einem Pausentag pro Woche) etwa 80 bis 90 Kilometer am Tag unterwegs, später meistens mehr als 100. Einmal sogar 138 Kilometer, „zusammen mit einem E-Biker“. Der sei zwar schon rücksichtsvoll gefahren, „aber ich wollte natürlich nicht der Bremsklotz sein“. Nach diesem Tag hatte sie – das einzige Mal – Muskelkater.

Lea übernachtete zunächst vorwiegend in Hostels oder bei Freunden, „erst in Skandinavien hab ich angefangen, einfach bei Leuten anzuklopfen. Und meistens haben die mir sofort einen Schlafplatz angeboten“. Dabei viele nette Menschen kennengelernt, „die ich sonst nie getroffen hätte“. Ihr Zelt hat sie auch ein paarmal aufgestellt, oft aber auch in „Shelters“ übernachtet: Das sind in Dänemark an drei Seiten geschlossene, nur vorn offene Unterstände, „meist mit Feuerstelle, manchmal sogar mit Plumpsklo, ganz selten sogar mit Waschbecken“, lacht sie, „das aber wirklich ganz selten“.

Ohne Pass kein Grenzübertritt

Angst hatte Lea eigentlich nicht, dass sie in Schweden aber ihren Pass verliert, das war dann doch blöd. Denn die Grenze – nicht die von Schweden nach Finnland, sondern die von Finnland nach Norwegen – ist eine EU-Außengrenze. Und in Coronazeiten strengstens kontrolliert, hat sie nach vielen Anrufen bei mehreren Botschaften erfahren. Kein Durchkommen ohne Ausweis.

Geschafft! Lea Pietsch ist nach 4275 Kilometern auf dem Fahrrad am Nordkap angekommen.   

Geschafft! Lea Pietsch ist nach 4275 Kilometern auf dem Fahrrad am Nordkap angekommen.   © Lea Pietsch, NN

Also wieder zurück nach Stockholm, dort übers Wochenende Sightseeing. Am Dienstag dann hielt sie das Interims-Dokument in Händen. „Mit dem hätte ich eigentlich direkt nach Deutschland ausreisen sollen. Aber so genau hat mir das ja niemand gesagt“, grinst sie.

Bis zu ihrer Ankunft am Nordkap ist dann eigentlich fast gar nichts Unplanmäßiges mehr passiert – fast. Denn zwischendurch war daheim auch noch Rufus krank geworden. Rufus ist ihr Meerschweinchen, dem es in Leas Abwesenheit so schlecht ging, dass er alle zwei Stunden gefüttert werden musste. Der Urlaub ihrer Eltern war aber fest gebucht, „und jemand anderen hätte ich wirklich nicht fragen können, ob er alle zwei Stunden mein Meerschweinchen füttert“. Also unterbrach sie ihren Trip noch einmal, sperrte das Rad in einem Hostel ab, setzte sich wieder in die Bahn und päppelte zu Hause zwei Wochen lang Rufus auf.

Kein einziger platter Reifen

All das waren für Lea keine wirklichen Hürden – außer dass zu den 51 Fahrtagen halt ein paar Unterbrechungen dazukamen. Sie sieht es so: „Ich hab auf mehr als 4000 Kilometern keinen einzigen Platten gefahren“, strahlt sie. Erst am Nordkap selbst („gar nicht neblig, sondern supersonnig“), als sie noch zu einer Wanderung zum wirklich nördlichsten Punkt aufbrach, aber nicht auf die Karte schauen konnte, weil das Handy keinen Saft mehr hatte, und deshalb querfeldein stapfte, rutschte sie in einer Pfütze aus und stieß mit dem Knie an etwas Hartes.

Nicht ungewöhnlich in Norwegen: Auf der einsamen Straße Richtung Nordkap hat die Schwabacher Radlerin nicht viele Autos, dafür aber immer wieder Rentiere getroffen.  

Nicht ungewöhnlich in Norwegen: Auf der einsamen Straße Richtung Nordkap hat die Schwabacher Radlerin nicht viele Autos, dafür aber immer wieder Rentiere getroffen.   © Lea Pietsch, NN

„Eigentlich wollte ich auch zurück mit dem Fahrrad fahren, und ich habs in den nächsten Tagen auch immer wieder probiert.“ Aber das Knie wollte nicht mehr. So stieg sie in den Zug und auf die Fähre, war auch in Ordnung, sagt die unaufgeregte Lea. Aber die allerletzte Etappe – von Bamberg bis nach Schwabach – die radelte sie dann doch noch.

Ein Rad, die Straße, und der Wille anzukommen...

Ein Rad, die Straße, und der Wille anzukommen... © Lea Pietsch, NN

Seit ein paar Tagen ist Lea wieder daheim. Sie genießt es schon, dass es hier die Küche gibt mit allem drin und nicht nur einen mobilen Gaskocher, dass sie nicht mühsam Klamotten trocknen muss. Aber das ist jetzt wieder das neue Normal. Und dass sie am Montag mit einem Praktikum anfängt für ihr Physiotherapiestudium, das gehört auch zum neuen Normal.

In den letzten Wochen herrschte halt das andere Normal. Morgens losfahren und sich abends um einen Schlafplatz kümmern, sonst nichts. Sowas oder sowas Ähnliches, sagt sie, „mach ich auf jeden Fall wieder“. Extrem? „Nee, gar nicht.“

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