Bürger und Mieterbund im Gespräch

Wirbel um Reichelsdorfer Keller: Bauwahn oder Verweigerungshaltung?

3.8.2021, 13:46 Uhr
Im Reichelsdorfer Keller gehen Bürger derzeit gegen ein Bauvorhaben auf die Straße. Dass die rund 170 neuen Wohneinheiten schon länger geplant sind und der Bund Naturschutz jetzt erst protestiert, stößt dem Deutschen Mieterbund sauer auf.  

© Roland Häusler/privat, NNZ Im Reichelsdorfer Keller gehen Bürger derzeit gegen ein Bauvorhaben auf die Straße. Dass die rund 170 neuen Wohneinheiten schon länger geplant sind und der Bund Naturschutz jetzt erst protestiert, stößt dem Deutschen Mieterbund sauer auf.  

Seitens der Verwaltung zeigte man sich vorbereitet. In den Reihen der Anwohner auch. Einige Bürger erklären das Angebot im Nachhinein trotzdem zur „Farce“ – oder gar zur „Monologie des Grauens“. Die große Lücke, die zwischen den Projektgegnern und den Unterstützern klafft, wird sich so schnell wohl nicht schließen.

Dabei hatte man nach der Veranstaltung im Internet das Gefühl, es könne über manche Stelle doch ein klein wenig Gras wachsen. Denn technisch lief alles einwandfrei. Und von außen betrachtet sogar sehr diszipliniert und fast harmonisch. Während seitens der Stadt also nochmals Grundsätzliches zum Bauvorhaben erklärt wurde, hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, ihre Fragen einzugeben. Ein Moderator trug diese dann vor. So weit, so gut.

Doch was jede noch so kleine Halle kann, schafft eine Verbindung via Internet in diesem Fall nicht – auch wenn die Entscheidung für eine Online-Veranstaltung unter den aktuellen Umständen unbestritten die beste war. Auf der Strecke blieben hier naturgemäß die Emotionen. Und davon gibt es seitens der Gegner eine Menge. Angst, weil sie fürchten, ihre Straße, ihr Haus verliere an Attraktivität. Wut, weil Bäume abgeholzt werden. Ohnmacht, weil sie das Gefühl haben nicht mitreden zu können.

Das Beteiligungsparadoxon

Baureferent Daniel Ulrich will mit Fakten gegen diese „Über-unsere-Köpfe-hinweg“-Haltung vorgehen. Er listet auf, dass es seit 2017 immer wieder Informationsveranstaltungen gegeben habe, bei denen sich die Anwohner hätten einbringen können. Damals mit überschaubarem Interesse. Peter Faßbender vom Stadtplanungsamt spricht von einem Beteiligungsparadoxon: „Am Anfang in der Planungsphase ist das öffentliche Interesse schwach ausgeprägt.“ Alles scheint noch weit weg. „Doch zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Möglichkeit der Einflussnahme sinkt, steigt das Engagement deutlich an.“

Einen Tag zuvor hatten 50 Teilnehmer einer Protestkundgebung ihrem Ärger noch in voller Präsenz auf der Straße Luft gemacht – unterstützt vom Bund Naturschutz und Mitgliedern der Fridays-for-future-Bewegung. „Baumschutz statt Bauwahn“ war auf großen Plakaten zu lesen. Oder an einem Baum das Schild: „Mit mir steht und fällt das Stadtklima.“

Kritik ausgeblendet?

Die Stadt betonte bei der jüngsten Online-Versammlung nochmals, dass sie das Grundstück zu keiner Zeit besessen habe. „Der Verein besaß es, es wurde vom Verein verkauft. Als Stadt konnten wir es finanziell nicht erwerben. Und hätten wir es getan, hätten wir vermutlich auch nicht anderes gebaut – eher noch etwas verdichteter“, sagte der Baureferent. Die Diskussion wurde einmal mehr um das große Ganze ebenso geführt wie ums Detail. Wirklich neue Erkenntnisse gibt es wohl auf beiden Seiten kaum. Die Projektgegner sind informiert, die Verwaltung kennt die Gegenargumente.

Dabei belassen wollen es die Gegner nicht. „Wir werden das so nicht akzeptieren“, kündigt etwa die Quartiersinitiative Reichelsdorfer Keller an. Fragen bei der 150-minütigen Online-Versammlung wurden aus ihrer Sicht „nur oberflächlich“ beantwortet. Die Verwaltung habe monologisiert und „zu kritische Nachfragen einfach ausgeblendet“.

Unterstützung für das Bauprojekt kommt nun vom Deutschen Mieterbund. Dort erlebe man mit Bestürzung, dass solche Vorhaben in Zweifel gezogen werde, so Geschäftsführer Gunther Geiler im Interview. Mit dieser Verweigerungshaltung werde ausgeblendet, dass die Situation auf dem Nürnberger Wohnmarkt mehr als kritisch sei.