WM-Zauber liegt in der Berliner Luft

30.4.2019, 11:07 Uhr
WM-Zauber liegt in der Berliner Luft

Seit ein paar Minuten läuft Eintanzmusik, und fast 200 Paare aus mehr als 25 Nationen nutzen die Gelegenheit, "die Fläche" zu testen. In einem weit schwingenden Kleid mit flamingofarbenen Federn am Saum und funkelnden Steinen auf dem Oberteil, die Haare zu einem eleganten Knoten zurückfrisiert, steht Joanna Reutner vom Tanzsportzentrum Schwabach am Rand. Aufmerksam beobachtet sie, wie ihr Partner mit großen Schwüngen ausprobiert, wie glatt das Parkett ist. Klaus Reutner trägt Frack und Fliege – wie alle Leistungssportler, die hier gleich beim "Blauen Band der Spree" um die Weltmeisterschaft im Standardtanz kämpfen.

Spannung gewohnt

Beide sind die Spannung gewohnt, die jetzt in der Luft liegt. Zweimal waren sie Bayerischer Meister im Standardtanz. Doch dieses Turnier in Berlin ist auch für sie etwas Besonderes. "Ich habe als Jugendliche angefangen zu tanzen. Schon damals träumte ich davon, einmal eine Weltmeisterschaft mitzutanzen", erinnert sich Joanna Reutner. Dass sie jetzt auf diesem Parkett stehen, ist nicht selbstverständlich. Zwei Jahre haben die beiden kein Turnier mehr getanzt und stattdessen – zunächst in der eigenen Tanzschule, inzwischen im TSZ Schwabach – andere Paare an den Turniertanz herangeführt.

Bei der WM ist die Konkurrenz groß – und mitunter hart. Eine Tänzerin muss einen Tanz vorzeitig abbrechen, weil ihr eine Konkurrentin versehentlich den Ellenbogen auf die Nase geschlagen hat. Ein anderes Paar befreit sich schiebend und stoßend aus einer Ecke, in der es von anderen Tänzern blockiert wird. Auch Joanna und Klaus Reutner lächeln eine Kollision mitten in einer Tanzfolge tapfer weg. "Egal was passiert, als Tänzer muss man Haltung bewahren", erklärt Klaus Reutner und deutet die typische Tanzhaltung an: Arme erhoben, Oberkörper gerade, der Körper aufrecht und unter Spannung.

Und plötzlich liegt da dieser Zauber in der Luft. Was eben noch wie Kampfsport aussah, fühlt sich jetzt an wie eine Zeitreise in die Ära der großen Bälle und Soireen. Die Paare schweben über das Parkett, schwirren wie Kreisel in die Drehungen und flirten aus kraftvollen, eleganten Posen mit dem Publikum.

Am Ende lassen Joanna und Klaus Reutner fast 50 Paare hinter sich und haben damit mehr geschafft, als sie selbst erwartet hatten. "Wir haben uns für unser Turnier-Comeback gleich das anspruchsvollste Turnier ausgesucht, das wir finden konnten", sagt Klaus Reutner – und Joanna Reutner ergänzt: "Es ist ein unglaubliches Gefühl, bei einer Weltmeisterschaft zu starten – und dann auch noch vor so vielen anderen Paaren zu landen, die auf höchstem Niveau tanzen."

Auch das Tanzsportzentrum feiert damit eine Premiere: Joanna und Klaus Reutner sind das erste Paar, das an einer WM teilnimmt. Allerdings bei weitem nicht das einzige, das Schwabach erfolgreich bei Großturnieren vertritt. Am Osterwochenende stand beim Blauen Band ein weiteres TSZ-Paar auf der Fläche: Heike und Yven Feindura starteten zwar nicht bei der WM, dafür aber bei drei nationalen Turnieren, die im Rahmenprogramm ausgetragen wurden. "Wir haben sowohl Latein wie auch Standard getanzt und sind zufrieden mit unserer Leistung", sagt Heike Feindura. In den Lateintänzen stieg das Paar in Berlin direkt in die nächste Leistungsklasse, die B-Klasse, auf.

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