Wohnen in Schwabach II: Das Hochhaus als Notlösung

21.9.2019, 05:58 Uhr
Wohnen in Schwabach II: Das Hochhaus als Notlösung

© Foto: Thomas Correll

Der Eingang ist nicht leicht zu finden. Von der Straße führen zwei Fußwege zum Hochhaus im Stadtteil Hochgericht, einem der insgesamt zehn Schwabacher Hochhäuser. Geht man rechts am Haus vorbei, entdeckt man zwar Mülltonnen, aber keinen Eingang. Also links herum. Fast übersieht man die Tür, sonderlich einladend sieht sie nicht aus. Dunkel und eng ist es im Eingangsbereich. Der erste Eindruck vom Wohnort der Familie Wolf: na ja.

Auf die Klingel reagiert eine freundliche Kinderstimme und kurze Zeit später steht man in der Wohnung der Wolfs im vierten Stock – grob geschätzt lebt die Familie damit höher als 95 Prozent aller Schwabacher. Nadine (35) und Sven (33) Wolf sind 2017 hier eingezogen. Die Wohnung hat vier Zimmer, verteilt auf 92 Quadratmeter. Das Haus wird von der Schwabacher Gewobau verwaltet. Die Wolfs haben drei Kinder, René (13), Alina (10) und Thalia (2), Vater Sven arbeitet als Hausmeister-Helfer.

"Wir haben lange gesucht"

"Eine Notlösung", sei die Wohnung, sagt Nadine Wolf. Vorher habe man eine sowohl größere als auch günstigere Bleibe gehabt – leider meldete die Vermieterin Eigenbedarf an. Damit sind wir mitten im Thema:
Der Schwabacher Wohnungsmarkt, 2017, eine fünfköpfige Familie mit nur einem Einkommen, das war sicher kein Wunschkonzert...? "Wir haben lange gesucht", erinnert sich Nadine Wolf. "Wohnungen mit fünf Zimmern waren unbezahlbar. Als wir erfahren haben, dass die Wohnung hier frei ist, haben wir sofort gesagt: Die nehmen wir."

 

 

 

Es sei aber keineswegs eine Herzensentscheidung gewesen. "Irgendwo hinziehen mussten wir ja", sagt Nadine Wolf, die bereits in einem der Eichwasener Hochhäuser gelebt hatte und eigentlich alles wollte, nur nicht wieder in ein Hochhaus ziehen. Trotzdem frisst die Kaltmiete knapp die Hälfte von Sven Wolfs Nettogehalt.

Die Wolfs haben es sich gemütlich gemacht in der Wohnung, aber der Mangel an Platz ist offensichtlich. Die kleine Thalia schläft bei den Eltern. Das Doppelbett grenzt vorne wie hinten an die Wand, auf einer Seite ist ein Kinderbett angeschlossen. Mehr passt in dieses Schlafzimmer beim besten Willen nicht hinein. Immerhin haben René und Alina so jeweils ihr eigenes Zimmer.

"Jeder macht, was er will"

Die Nachteile dieser Wohnsituation sind damit noch längst nicht alle aufgezählt. "Jeder macht hier, was er will", beklagt Nadine Wolf. Nachbarn feiern nachts lautstark Parties, die Hausregeln werden nicht eingehalten. Im ersten Stock habe ein Nachbar beim Entrümpeln seiner Wohnung den Kühlschrank vom Balkon auf die Wiese geworfen. Zwar nur aus dem Erdgeschoss, dafür aber um Mitternacht. Essensreste würden schonmal von den Balkonen fliegen, Zigarettenkippen sowieso, selbst gebrauchte Kondome finde man ab und zu hinter dem Haus. Es werde zu selten sauber gemacht, findet Nadine Wolf. Sie hat sich deshalb schon mit anderen Müttern zusammengetan, um den angrenzenden Spielplatz zu säubern.

Mit dem Spielplatz ist das auch so eine Sache. Geht es nach den Wolfs, dann müsste ein Sandsteinsockel, der an den Sandkasten angrenzt, abgebaut werden. Der Sockel sei gefährlich, es habe sich bereits ein Kind daran verletzt. "Auch eine Babyschaukel wäre schön", sagt Nadine Wolf. Die ganze Nachbarschaft habe einen Brief an die Gewobau unterschrieben, in der um eine Überholung des viel genutzten Spielplatzes gebeten wird.

Weitere Nachteile: Das Haus sei unheimlich hellhörig und eine wirkliche Gemeinschaft bestehe unter den Mietern nicht. Im Gegenteil, vor einem Nachbar-Paar haben die Kinder regelrecht Angst. "Die trinken so viel", erklärt Nadine Wolf. Man erlebt hier die Folgen der Wohnungsnot hautnah, denn auch wenn die Wolfs bei all dem recht pragmatisch bleiben und das Hochhaus insgesamt keinen heruntergekommenen Eindruck macht: Bei zu vielen Menschen auf zu wenig Raum kommt es zwangsläufig zu Problemen. Die Wenigsten suchen sich eine solche Wohnsituation freiwillig aus.

Wegziehen ist eine Option

Immerhin: Der Ausblick ist fantastisch. Da kommen die Wolfs doch noch ins Schwärmen. Der weite Blick vom Balkon über die östlichen Stadtteile Schwabachs und darüber hinaus sei ein Traum, besonders an Silvester. Es bleibt aber der einzige klare Pluspunkt, der den Wolfs einfällt, wenn sie über ihre Situation sprechen.

Wegziehen sei natürlich eine Option, sagen die Wolfs, man sei immer auf der Suche. Auch Schwabach den Rücken zu kehren wäre denkbar – obwohl Nadine und Sven Wolf beide hier aufgewachsen und verwurzelt sind.

"Wir würden schon gern bleiben. Die Kinder haben ihre Freunde hier. Aber so toll ist Schwabach nun auch nicht. Wenn wir woanders etwas Passendes finden, dann ziehen wir weg", fasst Nadine Wolf das Dilemma zusammen, in dem die junge Familie steckt.

Teil Eins unserer Serie ist hier nachzulesen: Im Reihenhaus in Penzendorf.

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