Wohnen in Schwabach IV: Heimat Gartenheim

12.10.2019, 05:58 Uhr
Ein Leben im Gartenheim: Marianne und Martin Scheibel stehen vor ihrem kleinen Reich in der Penzendorfer Straße. Drei Kinder haben sie hier großgezogen, seit fast 50 Jahren sind sie hier glücklich und zufrieden.

© Thomas Correll Ein Leben im Gartenheim: Marianne und Martin Scheibel stehen vor ihrem kleinen Reich in der Penzendorfer Straße. Drei Kinder haben sie hier großgezogen, seit fast 50 Jahren sind sie hier glücklich und zufrieden.

Sie sind nicht zu übersehen, die in Gelb und Braun gehaltenen Häuser der "Gartenheim"-Genossenschaft an der Penzendorfer Straße. Sie heben sich ab gegenüber der Bebauung vor der Bahnunterführung und hinter der Abzweigung der Flurstraße Richtung Limbach. Dort schließt ein 1972 fertiggestelltes siebenstöckiges Gebäude die Siedlung sozusagen ab. Der Grundgedanke der bereits vor 110 Jahren gegründeten Genossenschaft war, Arbeitern ein bezahlbares Zuhause zu bieten – möglichst, darauf weist der Name "Gartenheim" deutlich hin – mit einem Garten. Entsprechend gibt es viel Grün zu sehen, auch das Schwabachtal ist nicht weit.

Der Garten der Scheibels ist nicht allzu groß. Das stellt man aber erst fest, wenn man den Eingang gefunden hat. Einfach ist es nicht, denn die vier Wohneinheiten des Gebäudes haben alle separate Zugänge von verschiedenen Seiten des Hauses. Davon abgesehen ist die Struktur jedoch klar. Die 85-jährige Marianne und der 83-jährige Martin Scheibel wohnen in einem Reiheneckhaus, angeschlossen ist der schmale Garten.

Verhältnismäßig günstig

70 Quadratmeter hatte das Ehepaar ursprünglich zur Verfügung, dann rang man dem Dachboden noch zwei weitere Zimmer ab. So haben die Scheibels in den fast 50 Jahren, die sie hier wohnen, zwei Söhne und eine Tochter großgezogen – und die haben wiederum für sieben Enkelkinder gesorgt. "Ich bin hier praktisch hineingeboren", erzählt Marianne Scheibel von den Anfängen. Schon ihre Großeltern wohnten hier, wenn auch nicht in der derselben Wohnung. Nur kurz zogen die damals frisch verheirateten Scheibels Anfang der 1960er Jahre weg aus dem Gartenheim.

 

 

 

"’63 sind wir bei meinen Eltern eingezogen, gleich nebenan", erinnert sich Marianne Scheibel, "1970 dann in diese Wohnung". Der Hauptgrund sei damals schon gewesen, dass die Miete verhältnismäßig günstig war. Martin Scheibel arbeitete als Großhandelskaufmann. Sein Gehalt musste reichen, bei den damaligen Betreuungsmöglichkeiten war klar, dass Marianne Scheibel sich zuhause um die Kinder kümmert. Dennoch waren die Scheibels von Anfang an zufrieden mit ihrer Wohnsituation. Ihre positive Einstellung haben sie sich bis heute erhalten.

"Man gewöhnt sich an alles"

Ja, die Bahnlinie verläuft zwar gleich neben dem Haus. Und früher, bevor dort eine Lärmschutzwand angebracht wurde, sei es oft furchtbar laut gewesen im Garten. Sicher, der Verkehr auf der Penzendorfer Straße hat stark zugenommen.

Aber, wie Marianne Scheibel mit einem altersweisen Schmunzeln sagt: "Man gewöhnt sich an alles." Sie sagt es ohne jede Spur von Resignation oder Sarkasmus – eher mit einem tiefen Verständnis, dass es im Leben durchaus Schlimmeres geben könnte.

Alle Abkömmlinge der Scheibels leben in Schwabach, auch das macht für das Ehepaar einen großen Teil ihrer Lebensqualität aus. "Jeden Sonntag ist der Tisch voll", freut sich Marianne Scheibel, "alle kommen zu Oma und Opa". Ein Sohn wohnt mit seiner Familie sogar gleich um die Ecke, er ist – wie passend – einer der ehrenamtlichen Vorstände der Gartenheim-Genossenschaft.

Es ist eine Wohnform, die es zwar schon lange gibt, die bei näherer Betrachtung aber durchaus ein Modell für die Zukunft sein könnte. Mieter zahlen einen einmaligen, eher symbolischen Betrag, um Mitglied zu werden. Früher waren es laut Martin Scheibel 100 D-Mark, heute seien es 200 oder 300 Euro. Die Genossenschaft ist nicht gewinnorientiert, alle Mieteinnahmen werden in die Instandhaltung oder Ausweitung der Objekte investiert. Das funktioniere hervorragend, betonen die Scheibels. Von einer Organisation zu mieten, deren Vertreter man kennt, weil sie in der Nachbarschaft wohnen, ist natürlich angenehm. Angenehmer jedenfalls, als mit einer großen Immobilienfirma per E-Mail zu kommunizieren.

Kein anonymes Stadtleben

Außerdem beschreiben die Scheibels ein Phänomen, das in unserer Serie zum Thema Wohnen schon öfters aufgetaucht ist. Die herzliche Gemeinschaft der Nachbarn, die man oft dem dörflichen Leben zuschreibt, ist in vielen Stadtteilen Schwabachs ebenfalls vorhanden – die Menschen leben kein anonymes Stadtleben. Man kennt sich im Viertel. Man nimmt am Leben der Nachbarn teil.

Wenn man, wie Marianne Scheibel, von Kindesbeinen an in der Gartenheim-Siedlung gelebt hat, dann hat man Generationen kommen sehen, gehen sehen – und dann oft erneut kommen sehen. "Die Kinder ziehen in die Wohnungen ihrer Eltern", hat Scheibel beobachtet. Im Gartenheim gibt es viel Kontinuität.

Umziehen, das war für Marianne und Martin Scheibel nie eine Option. Und auch wenn man sich manchmal schwertue mit der Treppe in den ersten Stock, es bleibt weiterhin keine Option. Marianne Scheibel lächelt und fasst zusammen: "Mein Mann sagt immer: "Einmal. Nur einmal ziehe ich noch um – in einer Kiste."

Die Teile Eins, Zwei und Drei unserer Serie lesen Sie mit Klick auf die folgenden Links: Im Reihenhaus in Penzendorf; Das Hochhaus als Notlösung; Glücklich im Altbau.

Keine Kommentare