Sportevent mit Gästen aus ganz Deutschland

Zeitfahren im Schambachtal begeisterte Sportler und Zuschauer

3.8.2021, 05:50 Uhr
Zeitfahren im Schambachtal begeisterte Sportler und Zuschauer

© Foto: Timo Schoch

Rund 700 Einwohner zählt Schambach. Doch so viele Gäste aus allen möglichen Ecken Deutschlands hatte der Ortsteil der Stadt Treuchtlingen wohl noch nie zu Gast. Beim zweiten Treuchtlinger Zeitfahren ging es für die rund 360 Radsportler um die bayerische und bei den Junioren um die deutsche Meisterschaft.

Wer am Sonntag durch Schambach lief, für den war es beim Blick auf die Autokennzeichen wie ein Flug quer durch die Republik. Bochum, Mainz, Kaiserslautern, Salzwedel, Fürstenfeldbruck, München – die Liste ließe sich fast endlos fortsetzen. Es war also etwas geboten im Treuchtlinger Ortsteil.

Und die rund 200 Zuschauer am Streckenrand des Schambachtals wurden auch belohnt: Mit hochklassigem Radsport, bei dem die angereisten Zeitfahrspezialisten um die bayerische und die Junioren sogar um die deutsche Meisterschaft kämpften.

Zeitfahren im Schambachtal begeisterte Sportler und Zuschauer

© Foto: Timo Schoch

Der siebenjährige Ben Stadler steht mit seinen Eltern und seinen Freundinnen Tijana und Ninke (beide zwölf) am Streckenrad, einen Steinwurf vom Start- und Zielbereich am Ortsausgang von Schambach entfernt. Alle haben sie Ratschen in der Hand und eine Tröte. "Wir wollen die Teilnehmer ein wenig motivieren", erzählen sie. Sie kamen aus Weißenburg und Ellingen nach Schambach. Aber am liebsten wären Tijana, Ninke und Ben selbst mitgeradelt – doch dafür waren sie in diesem Jahr noch zu jung.

Ben trainiert trotzdem schon fleißig, damit er auch einmal beim Zeitfahren in Treuchtlingen starten darf. Zweimal pro Woche sitzt er auf dem Rad – mindestens. Und, na klar, John Degenkolb ist sein großes Idol.

Der Local Hero war allerdings in Treuchtlingen nicht am Start. Dafür kamen andere bekannte und ambitionierte Hobby- und Amateurradsportler. So wie Thea Reulein. Die 14-Jährige aus Windischhausen, die für den RCG Weißenburg startet, eröffnet das Zeitfahren um neun Uhr. "Ich war sehr aufgeregt", erzählt sie nach dem Rennen. Aber es lohnt sich: Seit einem Jahr fährt Thea Rennrad – und nun steht sie erstmals auf dem Podium. Und das beim Rennen ihres Heimatvereins.

"Von der RCG Weißenburg sind sieben Sportler am Start", sagt Organisator Ernst Knauer aus Schernfeld. Und die geben alles. Auch Jakob Neumann. Der 14-Jährige belegt den dritten Platz bei den bayerischen Meisterschaften. "Ich will einmal in einem Profi-Team fahren", erzählt er. Dafür legt er pro Woche zwischen 160 und 170 Kilometer zurück.

Während Jakob noch von seinen Idolen Mathieu van der Poel und Wout van Aert erzählt, sitzen andere auf der Rolle und wärmen sich für ihr Rennen auf. Ganz Schambach gleicht dabei einem einzigen Radsportcamp. Ob Bushaltestelle, Stadel oder einfach nur auf der Straße, geschützt unter einem Zelt oder auch unter freiem Himmel sitzen die Sportler auf ihren teuren Rennrädern und fahren sich ein. Wenige Minuten vor ihrem Start geht es Richtung Ortsausgang. Der Startbereich. Dort untersuchen Rennkommissäre die Räder. Sie überprüfen, ob die Räder regelkonform sind.

Minütlich gestartet

In einem extra geschaffenen Wartebereich, mit Bänken und überdacht, sitzen die Sportler die letzten Sekunden vor dem Start. Die meisten tief in sich versunken. Tunnelblick. Angespannt. Nervös. Bis dann das Signal kommt – und der Gang auf die Startrampe folgt. Dort ist alles minutiös geplant. Jede Minute sprintet ein anderer Sportler die Rampe hinunter auf die rund 16 Kilometer lange Strecke bei den bayerischen Meisterschaften und knapp 20 Kilometer lange Strecke für die Junioren bei der deutschen Meisterschaft. Für das Rennen wurde das Schambach bis zur Wende nach Suffersheim für den öffentlichen Verkehr komplett gesperrt.

Ein älteres Ehepaar sitzt in der Herrengasse auf einer Bank vor seinem schmucken weißen Haus mit den blauen Fensterläden. Sie lesen Zeitung, trinken Kaffee und schauen dem Treiben vor der Straße zu. "So viel ist sonst ja nie los in Schambach", erzählen sie.

Ein paar Meter weiter tritt Ricarda Bauernfeind in der Bushaltestelle auf ihrer Rolle in die Pedale und wärmt sich auf. Die 21-Jährige aus Eichstätt wurde vor wenigen Wochen bei den deutschen Straßenmeisterschaften sensationell Dritte. Doch das Zeitfahren ist nicht ihre Spezialdisziplin. Sie hat ihre Erwartungen schon vor dem Start heruntergeschraubt. "Ich rechne mir nicht so viele Chancen aufs Podest aus", sagt sie. Am Ende schafft sie es aber doch und wird Zweite bei den Bayerischen Meisterschaften.

Andere gehen optimistischer an die Sache heran – und werden enttäuscht. Wie Jonas Schmeiser. Der 35-Jährige aus Kempten ist einer der besten deutschen Amateurradsportler. "Ich hoffe auf eine Medaille", sagt er vor dem Start. Am Ende wird es Platz zehn. Für einen erfolgsverwöhnten Mann wie ihn natürlich bitter.

Aber die Konkurrenz bei den Elitefahrern, den schnellsten Männern, ist enorm. Benedikt Helbig aus Bayreuth ist in dieser Klasse nicht zu stoppen. Mit einem Schnitt von rund 51 Stundenkilometern brettert er durch das Schambachtal. Tiefflug. An ihn kommt keiner ran. Mit rund 25 Sekunden Vorsprung siegt er. "Die Strecke ist ideal", erzählt er nach dem Rennen, kurz bevor er zur Dopingprobe abgeholt wird. "Mit dem Ergebnis bin ich natürlich zufrieden, auch wenn hier und da noch die eine oder andere Sekunde drin gewesen wäre."

Wenn Holger Wanke aus Ingolstadt das hört, kann er nur mit dem Kopf schütteln. Im vergangenen Jahr gewann der Mann vom "Racing Team Winax - food artists" das erste Treuchtlinger Zeitfahren. Diesmal ist er sogar nochmals 20 Sekunden schneller als 2020 – doch am Ende fehlt ihm rund eine Minute auf Helbig. Platz sechs.

"Das ist doch irre", sagt Wanke während er einen kräftigen Schluck aus der Trinkflasche nimmt. "Ich habe nicht mehr drin gehabt, aber dass mir dann trotzdem noch eine knappe Minute auf den ersten Platz fehlt, das ist surreal. Außerdem ärgert mich, dass mir rund eine Sekunde fehlte auf Platz drei bei den bayerischen Meisterschaften." Eine Sekunde bei rund 16 Kilometern. Ein Wimpernschlag also. Pech für Wanke – Glück für Max Schwarz von der RCG Weißenburg.

"Das ist nicht nur meine Heimstrecke, sondern auch meine Trainingsstrecke", sagt er. "Ich bin komplett zufrieden." Schwarz war zudem noch in das Organisationsteam mit eingebunden. "Die letzten drei Tage habe ich aufgebaut, später wird wieder abgebaut und zwischendrin bin ich Rad gefahren."

Voll zufrieden ist deshalb auch Organisator und Spartenleiter der RCG Weißenburg, Ernst Knauer – nicht nur über die Veranstaltung selbst, sondern auch über die sportlichen Leistungen. "Wir haben bislang nur Lob erhalten", sagt er und ist dabei allen Helfern und Unterstützern dankbar. "Wir haben phänomenalen Sport zu sehen bekommen." Als Knauer eine erste Bilanz gibt zum zweiten Treuchtlinger Zeitfahren, ertönt das Funkgerät. Ein Radsportler ist gestürzt. In Suffersheim, beim Feuerwehrhaus. Erste Diagnose: eine ausgekugelte Schulter. Es ist aber der einzige schlimmere Sturz an diesem Tag.

"Hervorragende Organisation"

Deshalb zieht auch der BDR-Vizepräsident Günter Schabel ein positives Fazit: "Eine hervorragende Organisation, gute Bedingungen, die den Radsportlern alles abverlangt haben. Wir würden sofort wiederkommen", sagt er.

So sehen es auch viele andere Radsportler: "Die Veranstaltung ist super. Das ist eine Messlatte für andere Organisatoren. Alles ist super professionell. Man sieht, dass da Leute dahinterstecken, die Ahnung haben", sagt der 49-jährige Jürgen Böhm vom TSV Gaimersheim. Im kommenden Jahr wird er sicher wieder in Schambach am Start stehen. Vielleicht parken dann ja wieder so viele Autos aus ganz Deutschland in dem Treuchtlinger Ortsteil.

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