"Sexualstudie": 24 Frauen im Raum Fürth gefügig gemacht

21.10.2017, 12:40 Uhr
Einem 41-Jährigen aus dem Landkreis Fürth droht eine lange Haftstrafe. Die Vorwürfe: Vergewaltigung in 24 Fällen, sexueller Missbrauch in fünf Fällen, das alles jeweils in Kombination mit gefährlicher und vorsätzlicher Körperverletzung.

© www.colourbox.de Einem 41-Jährigen aus dem Landkreis Fürth droht eine lange Haftstrafe. Die Vorwürfe: Vergewaltigung in 24 Fällen, sexueller Missbrauch in fünf Fällen, das alles jeweils in Kombination mit gefährlicher und vorsätzlicher Körperverletzung.

Vergewaltigung in 24 Fällen, sexueller Missbrauch in fünf Fällen, das alles jeweils in Kombination mit gefährlicher und vorsätzlicher Körperverletzung: Die enorme Wucht dieser Vorwürfe scheint Lars M. (Name geändert) hart zu treffen. Als der hagere 41-Jährige mit rasierter Vollglatze in den Sitzungssaal des Landgerichts Nürnberg-Fürth geführt wird, verdeckt er sein Gesicht mit einem Aktenordner. Als er am Anfang der Verhandlung seine Personalien angibt, zittert seine Stimme. Als die fast 20 Seiten lange Anklageschrift verlesen wird, bricht er mehrfach in Schluchzen aus.

Und was Oberstaatsanwältin Anita Traud vorträgt, klingt teils unglaublich: Zwischen 2009 und 2016 soll der Angeklagte 24 Frauen dazu überredet haben, an einer angeblichen Studie der Uni Erlangen-Nürnberg teilzunehmen. Das Thema: Sexual- und Orgasmusforschung. Einigen Frauen erzählte er, es gehe um Krebsforschung, bei anderen wollte er nach eigenen Angaben die Wirkung eines neuen Medikaments testen.

In Wirklichkeit gab es weder derartige Studien, noch war Lars M. von wissenschaftlichem Eifer getrieben. Stattdessen spritzte er den Frauen Betäubungsmittel in die Venen – als ausgebildeter Rettungssanitäter und Rettungsassistent kann M. Zugänge legen – und verging sich an ihnen. Außerdem filmte und fotografierte er seine Taten.

Lars M., so die Anklage, wählte für seine Taten Medikamente aus, die die Frauen nicht bewusstlos machten, aber in einen willenlosen Zustand versetzten – und dafür sorgten, dass sie sich hinterher an nichts erinnern konnten.

Gefälschte Mails

Die Opfer vertrauten M., weil sie – teils seit Jahrzehnten – mit ihm befreundet waren. Mehrfach machte Lars M. sogar seine eigene Lebensgefährtin, mit der er ein Kind hat, zum willenlosen Sexualobjekt. Einigen Frauen versprach der Angeklagte Geld für die Teilnahme an der Studie und schickte ihnen unter dem Namen eines nicht existierenden Erlanger Professors gefälschte Mails und Infomaterial. Als eine der Frauen ihm klarmachte, dass sie keine Lust auf weitere derartige "Untersuchungen" habe, behauptete M. kurzerhand, sie müsse Geld bezahlen, wenn sie die Studie abbreche. Und so ließ sie sich weiter von ihm "untersuchen".

In den meisten Fällen lud der Mann, der zuletzt als Schornsteinfeger arbeitete, die Frauen in seine Wohnung im Landkreis Fürth ein. Eine vergewaltigte er auf dem Rücksitz seines Autos, eine im Hotelzimmer.

Teils luden die Opfer Lars M. zu sich nach Hause ein. Besonders abstoßend: An einer langjährigen Bekannten lebte der 41-Jährige seine Triebe in Anwesenheit ihres kleinen Sohnes aus. Als das Kind, damals knapp zwei Jahre alt, sich näherte und nach der Mutter rief, forderte M. den Jungen auf, zu gehen und fernzusehen.

Im Sommer 2016 wurde schließlich eine der Frauen misstrauisch und zeigte den Bekannten an. Kripobeamte durchsuchten M.s Wohnung und fanden Speichermedien, auf denen er seine Taten verewigt hatte. Seit Dezember vergangenen Jahres sitzt M. in Untersuchungshaft.

Und nun muss er sich vor der 13. Strafkammer des Landgerichts verantworten. 17 Frauen treten im Prozess als Nebenklägerinnen auf, sie werden von fünf Anwältinnen und Anwälten vertreten. Zum Auftakt regen M.s Verteidiger Michael Löwe und Franz Heinz ein Rechtsgespräch an. Das Ziel: Gegen ein Geständnis soll dem Angeklagten eine milde Strafe in Aussicht gestellt werden. Einigen Nebenklägerinnen könnte die Aussage vor Gericht erspart werden.

Doch eine Einigung gibt es nicht: Die Verteidiger finden vier bis sechs Jahre Gefängnis angemessen, die Oberstaatsanwältin eine Haftstrafe um zehn Jahre. Der Prozess geht weiter, mit einem Urteil wird Ende November gerechnet.