Solnhofen: Wo nicht das Handy, sondern der Stein klingt

19.7.2020, 12:05 Uhr
Solnhofen: Wo nicht das Handy, sondern der Stein klingt

© Rainer Heubeck

Die Mutter mit ihren zwei Töchtern ist ganz euphorisch. "Ich geh erst, wenn ich einen solchen Vogel gefunden habe": So ein Sensationsfund bleibt den allermeisten Besuchern des Solnhofener Hobbysteinbruchs verwehrt. Ist aber möglich – vor einiger Zeit in Mühlheim geschehen, wo tatsächlich eine neue Gattung eines Archäopteryx ans Tageslicht kam.

Solnhofen steht da wenig nach, denn erst jüngst wurden im Hobbysteinbruch die versteinerten Überreste eines Flugsauriers entdeckt, wie Pächter Dieter Kosslik erzählt. "Der wird wohl irgendwann im Museum zu sehen sein."

Dieses Museum, das auf die Sammlung des ehemaligen Solnhofener Bürgermeisters Friedrich Müller zurückgeht, ist eigentlich der ideale Ausgangspunkt für eine Reise in die "Welt aus Stein", wie sich Solnhofen bezeichnet. Wer sich dem nachhaltigen Reisen verschrieben hat, kann bequem mit der Bahn anreisen (hält quasi vor der Museumstür) und dann eintauchen in die Solnhofener Lagune, in der vor rund 125 bis 150 Millionen Jahren ein unglaublicher Arteinreichtum herrschte.

Museumsleiter Dr. Martin Röper hat mit relativ überschaubarem Etat (das Museum wird von der Gemeinde betrieben) die Fossiliensammlung umgestaltet in einen Paläozoo, in dem die versteinerten Fische und Tiere in ihrem früheren Lebensraum vom tiefen Meerwasser bis hin zur Lagune und an Land gezeigt werden.

Diese Neuordnung machte Sinn, denn nun kann der Besucher beim Rundgang quasi im Schnelldurchlauf der Evolution folgen. Von den unscheinbaren Haarsternen Saccocomae über große Haie und Quastenflosser (die noch heute an der afrikanischen Ostküste leben), über Schildkröten und Echsen, einer vierbeinigen Schlange geht es zu den Flugsauriern und zum berühmten Urvogel. Von Archäopteryx sind im Museum gleich drei der mittlerweile zwölf Funde zu sehen. Weltweit einmalig ist das – und doch so unscheinbar, dass die Sensation kaum wahrgenommen wird. Jedenfalls nicht von Besuchern, die durchs Museum rennen.

Natursteine dienten jahrhundertelang Baumaterial

Ein Stockwerk höher widmet sich das Museum einer anderen Sensation. Die durch Ablagerungen entstandenen Solnhofener Plattenkalke sind derart feinporig, dass damit gedruckt werden kann. Wird auf den polierten Stein mit fetthaltiger Farbe gezeichnet und der Stein anschließend mit Wasser und Gummi arabicum benetzt, kann er mit einer Farbrolle eingefärbt werden. Nur an den fetthaltigen Stellen nimmt der Stein die Farbe an und sie kann mittels Steindruckpressen auf Papier übertragen werden. Auf Anfrage kann das von Birgid Ott im Museum auch vorgeführt werden.

Solnhofen: Wo nicht das Handy, sondern der Stein klingt

© Rainer Heubeck

Die "Welt aus Stein" hat aber noch einen dritten Aspekt: Die Solnhofener Natursteine dienten jahrhundertelang als regionales Baumaterial nicht nur für Boden, Treppen und Wände, sondern auch für Dächer, wie der Name "Legschiefer" verdeutlicht. Heute sind die mit Solnhofener Platten gedeckten Häuser unter Denkmalschutz – und der in Eichstätt ansässige Jurahausverein kämpft für deren Erhalt – wie auch das gedrungen wirkenden Anwesen mit ihrem charakteristischen Baustil.

Solnhofen: Wo nicht das Handy, sondern der Stein klingt

© Rainer Heubeck

Wer nun Steine klopfen und auf Fossilienjagd gehen möchte, muss zu Fuß von Solnhofen ein wenig Schweiß vergießen. Ein Wanderweg führt vom Tal hoch "auf den Steinberg", vorbei an mächtigen Abraumhalden, die sich zu eigenen Biotopen entwickelt haben. Hier wie auf angrenzenden Trockenrasen leben Apollofalter und Co. Oben angekommen bietet sich manch grandioser Blick ins Altmühltal und in die Steinbrüche, in denen das charakteristisch und hell klingende "Ping, Ping, Ping" nur noch selten von den Hackstöcken klingt. Der „Solnhofer“, wie der Naturstein kurz auch genannt wird, benötigt viel Handarbeit und noch mehr Schweiß, wenn die Sonner gnadenlos in die Steinbrüche brennt. Entsprechend hoch ist der Preis – und so schwindet die Nachfrage, zumal es mittlerweile Fliesen in der gleichen Optik gibt.

Doch Original bleibt Original, das ist auch beim Archäopteryx so. Einer der ergiebigsten Steinbrüche mit drei gefundenen Exemplaren ist etwa drei Kilometer entfernt vom Hobbysteinbruch in der Unteren Haardt. Dort stehen (mittlerweile etwas vom Wetter mitgenommene) Tafeln oberhalb eines großen Bruchfeldes, in dem heute nur noch wenige „Steinbrecher“ arbeiten. In Hochzeiten des Solnhofener Natursteins waren es manchmal halbe Dörfer, die ihren Verdienst im Stein hatten.

Wer nun noch nicht genug hat vom (Zurück-)Laufen nach Solnhofen oder gar mit dem Auto die Tour anging, hat noch Gelegenheit, eines der schönsten bayerischen Geotope zu erwandern: Der Weg zu den Zwölf Aposteln führt von Solnhofen aus über die Trockenrasen nach Eßlingen. Müde Geher können im „13. Apostel“ einkehren und sich auf dem Altmühltal-Radweg zurück nach Solnhofen machen.


INFO: Das Museum Solnhofen hat täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet, der Hobbysteinbruch ab 10 Uhr. Es gibt ein Kombiticket und Werkzeug kann ausgeliehen werden.


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