Sozialstaat: So will die SPD in Bayern wieder Erfolge feiern

3.8.2020, 05:55 Uhr
Sozialstaat: So will die SPD in Bayern wieder Erfolge feiern

© Foto: Berny Meyer

Frau Kohnen, die Bayern-SPD hat in Umfragen nur noch einstellige Ergebnisse. Was ist da los, was muss die Vorsitzende liefern?

Natascha Kohnen: Das ist nicht zufriedenstellend. Aber man muss auch sehen, dass wir uns als SPD in dieser Corona-Zeit im Land wie im Bund ganz klar gegen Parteiprofilierung entschieden haben. Wichtig ist, dass wir alle an einem Strang ziehen.

Aber in Bayern sind Sie Opposition.

Sicher, das heißt nicht, dass man als Opposition, als Kontrolle im bayerischen Landtag den Mund hält. Wir sind hart reingegangen, da muss ich meinem Fraktionsvorsitzenden Horst Arnold ein Kompliment aussprechen. Beim Infektionsschutzgesetz haben wir klar gemacht, das kann nicht für immer gelten, es geht hier um elementare Freiheitsrechte. Beim aktuellen Thema Testung an Flughäfen haben wir uns stark engagiert, da sind wir scharf reingegangen.

Sozialstaat: So will die SPD in Bayern wieder Erfolge feiern

© Foto: Stefan Hippel

Das bedeutet im Klartext.

An den Flughäfen muss getestet werden. Wir waren diejenigen, die gesagt haben, dass auch in Alten- und Pflegeheimen getestet werden muss. Das hat lange nicht stattgefunden. Wir haben das Thema vorangetrieben. Wir nehmen aber auch zur Kenntnis, dass es in Krisenzeiten einen Kanzlerinnen- und Ministerpräsidentenbonus gibt. Es gibt auch die Zeit nach Corona.

"Sehen die super Arbeit von Hubertus Heil"

Nächstes Jahr sind Bundestagswahlen, da müssen Sie sich profilieren.

Alleine um den Punkt "Mietenstopp" wird es einen harten Kampf geben. Das Thema rund ums Wohnen und die Mieten, oder die Bodenpreise, das ist für mich politisch ein zentrales Anliegen. Da werden die Unterschiede zwischen SPD und den Konservativen sehr deutlich werden. Sie sehen ja auch die super Arbeit von Hubertus Heil, etwa beim Kurzarbeitergeld, oder was die SPD mit ihrem Finanzminister Olaf Scholz mit dem Konjunkturpaket in Berlin gesetzt hat. Das ist wirklich gut gelaufen.

Das bedeutet, dass die Mieten zum zentralen Wahlkampfthema 2021 werden?

Ich spreche für die Bayern-SPD, die Bodenpreise schießen hoch, die Mieten infolge, und die Konservativen sind nicht bereit, das anzupacken. Wir tun es und dies ganz im Sinn von Hans-Jochen Vogel. Wir werden aber auch die Themen wie Pflege und Gesundheit nach vorne schieben. Der Programmprozess der SPD auf Bundesebene ist auf dem Weg. Dabei habe ich mit Kevin Kühnert von den Jusos in Berlin einen guten Partner im Bereich Wohnen und Mieten.

"Offen und transparent aufgestellt"

Bei den jüngsten Aufstellungen ist die Bayern-SPD mit ihrem Nachwuchs nicht zimperlich umgegangen. Da haben schon eher verdiente Genossen vordere Plätze bekommen, die Enttäuschung der Jusos war groß.

Der Bundestagsabgeordnete Uli Grötsch und ich sind jetzt seit 2017 an der Spitze, und wir haben von Anfang an ein sehr gutes Verhältnis zu den Jusos gehabt, weil es da programmatisch eine hohe Übereinstimmung gibt. Für mich ist es ganz wesentlich, dass die Jungen kommen. In der Kommunalwahl haben wir viele junge Kandidaten gehabt, diesen Ast versuchen wir weiter zu stärken. Was die Bundestagsliste betrifft, wird offen und transparent aufgestellt. Jeder muss sagen können was er will. Ich bin mir sicher, die Jungen in der SPD werden ihre Rolle übernehmen.

Können die Irritationen, die es gegeben hat, daran liegen, dass die Jusos in Bayern besonders links und die SPD eher konservativ ist?

Ich bin kein Freund von Schubladen mit links, rechts, oben und unten, für mich gibt es sozialdemokratisch und da wiederum große Übereinstimmungen zwischen mir und den Jusos. Ich habe auch nichts gegen lebendige Debatten, das war bei der Groko-Debatte so, das zeichnet auch unsere Partei aus.

"Gutes Team in der SPD-Führungsspitze"

Wie zufrieden sind Sie denn mit der SPD-Bundesspitze?

Ich gehe davon aus, dass Frau Merkel drei Kreuzzeichen macht, dass sie diese SPD-Minister im Kabinett hat. So hat Olaf Scholz als Finanzminister gute Maßnahmen getroffen, nicht im Alleingang, sondern in Übereinstimmung mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, das ist ein gutes Team in der SPD-Führungsspitze.

Manchmal wirken die beiden Parteivorsitzenden etwas losgelöst, frei schwebend.

Den Eindruck habe ich nicht. Ich merke, dass beide ein eher enges Verhältnis zu den Landesverbänden pflegen. Das ist neu für uns und sehr, sehr gut. Das erleichtert auch mir die gemeinsame Arbeit. Man erfährt nichts aus der Presse, sondern weiß es vorher. Saskia Esken ist sicher jemand, der polarisiert, doch dadurch wird es sehr lebendig in den Debatten. Und bei vielen Zitaten von ihr wünschte ich mir, dass sie komplett zitiert würden. Das wäre deutlich fairer ihr gegenüber.

Aber allzu großartig ist die Außenwirkung nicht.

Was die Parteivorsitzenden mit Olaf Scholz beim Konjunkturpaket gestaltet haben, ist von allen Seiten sehr gelobt worden. Das hat auch manchen Sozialdemokraten erstaunt.

Auch Sie haben sich seit der Landtagswahl öffentlich rar gemacht. Woran liegt das?

Wir haben einige Projekte vorangetrieben, so das Volksbegehren Mietenstopp. Da waren wir schon sehr präsent, aber das Thema ist recht komplex, auch angstbesetzt. Dann hatten wir Europawahl mit Maria Noichl an der Spitze, dann Kommunalwahl, wo Uli Grötsch und ich mit der Partei enorm geackert haben, indem wir versucht haben, möglichst viele Kommune abzufahren und unsere Kandidaten dann auch in den Stichwahlen zu unterstützen.

"Die CSU ist eine Regionalpartei"

Das ist aber nicht nur gut für Sie ausgegangen.

Es gab auch schmerzhafte Ergebnisse wie in Nürnberg. Positive Beispiele aber ebenso wie Ingolstadt, Hof, Coburg und Aschaffenburg, und natürlich Fürth mit Thomas Jung. Die SPD hat sich da gut behauptet.

Aber warum funktioniert auf Landesebene nicht, was die SPD bei Kommunalwahlen schafft?

Der Grund sind die Persönlichkeitswahlen in Städten und Gemeinden. Andererseits gelingt es uns auf Landesebene fast nie, im Vergleich zum Bundestrend einen Ausreißer zu machen.

Die CSU hat dieses Problem nicht.

Die CSU ist eine Regionalpartei, ohne das jetzt despektierlich zu meinen. Sie hat ja oft so getan, also ob sie mit Berlin nichts zu tun hätte und rein bayrisch sei. Das ist jetzt Markus Söders Problem. Sollte er einen anderen Berufsweg in der Bundeshauptstadt einschlagen wollen, hat er viel Erklärungsbedarf unter anderem bei seiner Beurteilung über Berlin "als Resterampe der Nation".

Was ist Ihr persönlicher Tipp: Wird Söder Kanzlerkandidat?

Sicher hat er ein paar schlaflose Nächte und grübelt, und plötzlich steht auf dem Twitter-Auftritt der CSU "Der Turbo für Deutschland". Söder weiß aber auch, dass das Umfrage-Hoch trügerisch sein kann, das hat die SPD bei Martin Schulz auch schon leidvoll erfahren. Man darf gespannt sein.

Gibt es einen Punkt wo Sie sich fragen, ob Sie statt als Volkspartei als Spartenpartei effektivere Politik machen könnten?

Die SPD war in ihrer Geschichte immer eine Partei, die für den Sozialstaat gekämpft hat. Wir schließen keine Gesellschaftsgruppen aus, nach dem Motto, für Euch mach ich keine Politik. Unser Ziel ist es, die Gesellschaft zusammenzuhalten, also ganz klar: Die SPD mit ihren Grundwerten ist eine Volkspartei.

Aber das bringt offenbar kaum noch Wählerstimmen. Was tun?

Die Umorientierung muss stattfinden, indem wir klar Kante zeigen. Das bedeutet auch, dass wir Fehlentscheidungen im Zusammenhang mit Hartz IV korrigieren wie wir es in den letzten Jahren getan haben. Und dann die Definition, was ein Sozialstaat ist: Funktioniert ein Gesundheitssystem, das auf Rendite aufbaut? Nein, müssen wir ganz deutlich sagen. Wir müssen uns das Vertrauen bei den Wählern wieder mit klarer Haltung erarbeiten, dazu bin ich wild entschlossen.

Da tun sich Sie sich aber schwer gegen einen Söder, der solche Positionen gerne mal übernimmt. Was er in der Corona-Krise über Altenheime und Pflege gesagt hat, ist doch voll auf SPD-Linie.

Bei Söder muss man immer ganz genau hingucken. Allein die versprochenen Milliarden aus seiner Regierungserklärung, die sind ja nie ausgegeben worden. Er ist ein König der Ankündigungen.

Zum Beispiel?

Wenn wir uns die Bundesgelder für Digitalisierung der Schulen mit Endgeräten ansehen. Welches Land ist an letzter Stelle beim Abruf dieser Gelder? Bayern. Warum? Weil der Netzausbau in Bayern verschlafen wurde. Im Bundestagswahlkampf wird es da um Wahrheit und Klarheit gehen.

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