Stadtmission Nürnberg: Herbe Vorwürfe gegen ProSum-Chef

27.10.2018, 06:00 Uhr
Stadtmission Nürnberg: Herbe Vorwürfe gegen ProSum-Chef

© Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Wirtschaftlich ist es eine Erfolgsgeschichte. Bis vor 15 Jahren war ProSum die zentrale Einkaufsstelle innerhalb der Nürnberger Diakonie. Weil sie wuchs und wuchs, hat man sie 2003 aus dem Verein ausgegliedert und eine eigenständige GmbH gegründet. Die heute 25 Mitarbeiter — beim Start waren es lediglich fünf — erwirtschaften nach Angaben der Stadtmission einen Umsatz von 3,3 Millionen Euro im Jahr. Der Gewinn fließt zum Teil in die Kasse des sozialen Muttervereins.

Laut Eigendarstellung gehört die Firma mit engster Bindung an die Diakonie und ihre Werte in Deutschland zu den Marktführern. Sie koordiniert demnach den Einkauf für rund 6000 soziale Einrichtungen, von Seniorenheimen und Krankenhäusern bis zu Rehakliniken und Kindertagesstätten. Jetzt erhebt ein Gutteil der derzeit 25-köpfigen ProSum-Belegschaft schwere Vorwürfe gegen den neuen Geschäftsführer. Er ist seit gut einem Jahr im Amt.

Der Manager selbst ist für eine Stellungnahme gegenüber unserer Zeitung nicht erreichbar, dafür findet Tabea Bozada, Sprecherin der Stadtmission, für die Situation deutliche Worte. Es gebe "maximale Spannungen" und Probleme von "erheblichem Ausmaß". Der dreiköpfige Vorstand der Stadtmission — ihm gehören Gudrun Dreßel, Gabi Rubenbauer und Matthias Ewelt an — sei laufend mit den beteiligten Seiten im Gespräch. Aus Sicht vieler Mitarbeiter habe sich trotzdem seit Wochen praktisch nichts zur Besserung der Lage getan.

Interne Mails, die der Redaktion vorliegen, zeugen von einem Klima krankmachender Angst, der Verbitterung und Sorgen um die Zukunft. Einzelne hätten deswegen bereits das Weite gesucht und ProSum verlassen.

Der Geschäftsführer pflege einen äußerst ruppigen und häufig verletzenden Umgang mit seinen Untergebenen. Ihm sei völlig egal, was Mitarbeitende von ihm denken, wird der Mann in einem der Schreiben zitiert. Auch gegenüber Geschäftspartnern habe er sich abfällig über einen Mitarbeiter geäußert. Alle anderen Kollegen hätten das hören können.

Spitzeldienste erbeten

Die Belegschaft fühle sich stark unter Druck gesetzt, eingeschüchtert und genötigt, zumal ihnen bei Treffen mit dem Chef das Recht auf Anwesenheit eines Betriebsrates mit der Begründung verwehrt werde, es handle sich um ein Privatgespräch. Er habe ohnehin offen verkündet, dass er eine Mitarbeitervertretung für überflüssig halte. Die gibt es erst seit Juli und sei aus Angst vor dem neuen Mann an der Spitze gegründet worden.

Der umstrittene Chef habe Mitarbeiter sogar schon gebeten, belastendes Material über ihm unliebsame Kollegen zu sammeln, um sie loswerden zu können. Andere haben eine Grundangst um ihre Arbeitsplätze, weil es, so heißt es aus einer Gesprächsnotiz, kein Konzept für die Weiterentwicklung von ProSum gebe. Der Betriebsrat hat in einem Schreiben festgehalten, dass die Wahrnehmung des Chefs "sich in keiner Weise mit der Wahrnehmung der Mitarbeitenden deckt und er auch nicht ansatzweise deren Empfindungen nachvollziehen kann".

Wie aus den Unterlagen hervorgeht, wurde Vorstand Gabi Rubenbauer dringend um Hilfe gebeten, "bevor Mitarbeitende weiteren Schaden nehmen". Erste Hilferufe an den Vorstand gab es bereits im Mai.

Neben solchen belastenden zwischenmenschlichen Störungen geht es auch um fragwürdiges geschäftliches Gebaren, das der Geschäftsführer angeregt haben soll, um die Zahlen für ProSum zu verbessern. Er habe, so steht das in einer Mail an die drei Stadtmissions-Vorstände, an den Krankenkassen vorbei verbotene Provisionen von Lieferanten verlangt. Man müsse dem Kind nur einen anderen Namen geben, dann werde dies schon nicht auffallen, habe der Spitzenmann auf Einwände geantwortet.

Sprecherin Bozada meint dazu, beim Vorstand sei "einmalig" ein Hinweis auf diese unlauteren Provisionsgeschäfte eingegangen. Der sei geprüft worden. Seither liege nichts mehr vor, was belegen könnte, dass die "forciert worden seien oder tatsächlich stattgefunden hätten".

Im einem jetzt abgegeben Statement unterscheidet der Vorstand der Stadtmission bei "der bestehenden Unruhe im Unternehmen" drei Dimensionen. Die betriebswirtschaftliche Ausrichtung, die der Geschäftsführer in einem hochumkämpften Markt mit sehr hohen Wachstumschancen verantworte, trage man "vollumfänglich" mit.

Was den Führungsstil des Managers angehe, sei der Vorstand mit einer Entspannung der innerbetrieblichen Konflikte befasst. Etwa eine Stunde nach NN-Anfrage erreichte alle ProSum-Mitarbeiter ein Schreiben von Vorstand Ewelt. Der Theologe verpflichtet darin die gesamte Belegschaft inklusive Geschäftsführung zu einer Mediation, also die Vermittlung durch einen Experten. Der solle den Betriebsfrieden wieder herstellen. Er werde sich umgehend auf die Suche nach einer dafür geeigneten Person begeben.

Klare Worte

Deutlich wird der Gesamtvorstand in dem Statement zum ebenfalls seit langem bekannten Vorwurf, der ProSum-Chef habe sich gegenüber Mitbeitern rassistisch und menschenverachtend über Ausländer und Homosexuelle geäußert. Diese Vorwürfe ließen Zweifel zu, ob er "für unseren diakonischen Unternehmensverbund tatsächlich geeignet ist". Er habe allerdings alle Vorwürfe dieser Art zurückgewiesen.

Der Vorstand habe ihm "unmissverständlich mitgeteilt, dass eine Weiterbeschäftigung nicht denkbar ist, sollten sich die im Raum stehenden, bis dato allerdings nicht belastbaren Vorwürfe erhärten". Bislang sei das nicht der Fall. Darüber wundert man sich in der Belegschaft. Mehrere Mitarbeiter hätten diese Sprüche, die Minderheiten höchst verächtlich machen, selbst gehört und dies dem Vorstand auch mitgeteilt.

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