Umstrittene Führung

Sticheleien und böse Vorwürfe: Frankens Rotes Kreuz als Schlangengrube

15.7.2021, 16:27 Uhr
Sanitäter des Roten Kreuzes bei einem ihrer wichtigen Einsätze bei der Versorgung eines Verletzten. An der Spitze des BRK-Bezirksverbandes Ober- und Mittelfranken liegt einiges im Argen.

© Lukas Barth/dpa, NNZ Sanitäter des Roten Kreuzes bei einem ihrer wichtigen Einsätze bei der Versorgung eines Verletzten. An der Spitze des BRK-Bezirksverbandes Ober- und Mittelfranken liegt einiges im Argen.

Die heftigen Querelen unter den Helfern haben sich in den vergangenen Monaten zugespitzt. Der Konflikt tobt zwischen Bezirksgeschäftsführer Gernot Jungbauer und einem großen Teil seiner Kollegen in den 16 Rot-Kreuz-Kreisverbänden. Vor allem bei maßgeblichen Ehrenamtlichen brodelt der Unmut. Der Spitze des Landesverbandes in München wird Untätigkeit in der verfahrenen Lage vorgeworfen.

Insider berichten von größter Unzufriedenheit mit der Arbeitsleistung Jungbauers. Er gelte als Freund des privaten dolce vita und zeige das auch gerne in den sozialen Netzwerken. Schon vor einem Jahr kursierte ein schonungsloser Offener Brief führender Rot-Kreuzler im Ehrenamt.

Darin wird zum Beispiel gefragt, wie es sein könne, dass Jungbauer ausgerechnet in den auch für das BRK aufreibenden Pandemie-Zeiten, "regelmäßig freie Wochenenden zwischen Donnerstag und Montagnachmittag nimmt bzw. Urlaube antritt, während Mitarbeiter und ehrenamtliche Mitglieder keinen Urlaub antreten können". (* Herr Jungbauer stellt dazu fest: Ich habe in den oben genannten Pandemiezeiten kein einziges freies Wochenende von Donnerstag bis Montagnachmittag genommen, sondern an den genannten Arbeitstagen immer zuhause im Homeoffice für das BRK gearbeitet und in dieser Zeit auch nur einen einzigen, wenige Tage dauernden Kurzurlaub über meinen Geburtstag genommen.)

Die Teilnahme an Lagebesprechungen sei trotz Anwesenheit Jungbauers in der Geschäftsstelle "nur sporadisch" gewesen. Es habe keine gezielte Abfrage bei den Kreisverbänden über die dortige Situation gegeben.

Luxus-SUV organisiert

Jungbauers Krisenmanagement habe sich darin erschöpft, einen "Luxus-SUV" leihweise auf Spendenbasis für die Corona-Krise zu organisieren. Das Fahrzeug habe er dann für "private Gartenhaustransporte" und Ausflugsfahrten genutzt. In dem Schreiben wird das mit dem spitzen Hinweis ergänzt: "Unsere Ehrenamtlichen gehen Altkleider sammeln, Lose verkaufen und sammeln Geld für das Rote Kreuz."

Der Hang des noch amtierenden Bezirksgeschäftsführers zu leistungsstarken Fahrzeugen der Oberklasse, die vor allem Mercedes Funktionären günstig zur Verfügung stellt, ist Kennern der Abläufe seit längerem bekannt. Bei ihnen trägt er den Beinamen "Autohändler" - und das ist nicht als Anerkennung gedacht.

Die Basis stört solche Erfahrungen mit ihrer Bezirksspitze vor allem deshalb enorm, weil die Kreisverbände die Arbeit der Bezirksspitze durch eine Umlage finanzieren. "Wir bekamen einfach keine entsprechende Gegenleistung dafür", klagt einer ihrer Vertreter, "da kam sehr wenig."

Umstrittenes Arbeitsverhältnis

Schwieriger als bei der Dienstwagen-Kritik, die manche beim Roten Kreuz als Stilfrage werten, wird es mit einem umstrittenen Arbeitsverhältnis, das der BRK-Bezirksgeschäftsführer zu verantworten habe. Da kursiert das böse Wort vom Sozialversicherungsbetrug und von Untreue.

Der Bezirksverband habe, so Kenner des Vorgangs, einem Mitarbeiter für Jahre eine geringfügige Beschäftigung besorgt, obwohl dieser bereits in Altersteilzeit war. Das ist unzulässig. Im Arbeitsvertrag sei deshalb der Name eines Verwandten des Mitarbeiters angegeben worden. Über den sei dann auch das Lohnkonto gelaufen. Kein Verantwortlicher habe an dieser Verschleierung Anstoß genommen.

Wolfgang Plattmeier ist als Bezirksvorsitzender zurückgetreten.

Wolfgang Plattmeier ist als Bezirksvorsitzender zurückgetreten. © Jürgen Ruppert

Seit Anfang des Monats liegt dazu bei der Justiz die Anzeige eines BRK-Ehrenamtlichen wegen des "Verdachts des Sozialversicherungsbetrugs und des Ermöglichen von Schwarzarbeit" vor. In einem weiteren Fall sei, so heißt es in der Anzeige, Jungbauer an einen Mitarbeiter des Bezirksverbandes herangetreten und habe ihm die "Aufnahme von fiktiven Beschäftigungsverhältnissen" nahegelegt. Dazu liege eine eidesstattliche Versicherung vor.

Inzwischen habe das BRK in dieser Angelegenheit bei den zuständigen Behörden Selbstanzeige erstattet, bestätigen Insider. Ein Ergebnis stehe noch aus.

"Maximal verschlafen"

Die BRK-Landeszentrale in München habe dem Treiben im fränkischen Regionalverband keineswegs tatenlos zugesehen, wie behauptet werde, dort allein haben man die Bereinigung der unschönen Vorgänge "maximal verschlafen", heißt es intern.

Sohrab Taheri-Sohi, Sprecher des BRK-Landesverbandes, weist auf Anfrage unserer Zeitung zunächst darauf hin, dass die Gliederung seiner Organisation auf Kreis- und Bezirksebene grundsätzlich autonom handeln. Bei erkannten Rechtsverstößen bestehe allerdings durchaus die Möglichkeit des Eingriffs durch höhere Verbandsebenen. "Die haben auch im Falle des Bezirksverbandes Ober-/Mittelfranken gegriffen und zum Beispiel durch die Einschaltung der internen Revision zur Aufklärung geführt."

Der Arbeitsvertrag mit Bezirksgeschäftsführer Gernot Jungbauer ist inzwischen aufgelöst. Er wechselt demnächst eine Stufe tiefer auf den Posten eines BRK-Kreisgeschäftsführers nach Oberbayern. Dem Vernehmen nach hat er dafür eine Abfindung in Höhe von 50.000 Euro ausgehandelt. Wäre er nicht mehr beim Roten Kreuz untergekommen, hätte er demnach 150.000 Euro bekommen sollen.

Die Nase gestrichen voll

Bereits in der Vergangenheit habe man, so Taheri-Sohi, mehrere Gespräche mit den Streithähnen geführt. Dabei sei mündlich und schriftlich "dringendst" darauf hingewiesen worden, sich "im Rahmen der Zuständigkeiten des Bezirksvorstands diesen Themen, Vorwürfen und Vorgängen anzunehmen". Die Sache von Disziplinarmaßnahmen obliege aber allein dem ehrenamtlichen Bezirksvorstand.

Langjähriger Vorsitzender dieses Gremiums war bis vor kurzem Wolfgang Plattmeier (SPD), Altbürgermeister in Hersbruck. Er gilt als Vertrauter Gernot Jungbauers, der vor seinem Bezirksamt BRK-Kreisgeschäftsführer im Nürnberger Land war. Plattmeier hatte die Nase von den anhaltenden Auseinandersetzungen offenbar gestrichen voll und trat noch wenige Monate vor einer geplanten Neuwahl zurück.

Was plant Guttenberger

Offizielle heißt es von dem SPD-Politiker gegenüber unserer Zeitung, er habe die Neubesetzung des Postens von Jungbauer "weder beeinflussen noch mitbestimmen" wollen

An der Spitze steht derzeit Petra Guttenberger, CSU-Landtagsabgeordnet aus Fürth, und Plattmeiers 1. Stellvertreterin. Sie will von den Konflikten wenig bis nichts mitbekommen haben. Vor Angriffen schützt das die CSU-Politikerin nicht. Es kursiert das Gerücht, sie sei bereits dabei, einen Fürther Vorstandskollegen auf die lukrative Position des Bezirksgeschäftsführers zu hieven.

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