Stiko-Mitglied aus Erlangen: Schnelltest-Strategie macht keinen Sinn

29.4.2021, 19:33 Uhr
Infektiologe Christian Bogdan betont, dass bei Schnelltests negativ getestete Menschen sich nicht in falscher Sicherheit wiegen und dann die Hygieneregeln vernachlässigen sollten.

© Martin Schutt, dpa Infektiologe Christian Bogdan betont, dass bei Schnelltests negativ getestete Menschen sich nicht in falscher Sicherheit wiegen und dann die Hygieneregeln vernachlässigen sollten.

Abertausende von Schnelltest-Stationen entstehen derzeit in Deutschland, Millionen von Menschen lassen sich jede Woche dort testen. Wenn man Professor Christian Bogdan, Leiter des Instituts für Klinische Mikrobiologie und Immunologie am Uniklinikum Erlangen und Mitglied der Ständigen Impfkommission (Stiko), glauben darf, könnte man sich die meisten dieser Teststationen aber sparen.

"Aufwand und Nutzen stehen da in keinem vernünftigem Verhältnis. Es hat keinen Sinn, Menschen anlasslos und ohne jegliche Symptome sporadisch zu testen", meint er. Dieser Test-Ansatz gehe von der Annahme aus, dass sehr viele Menschen mit hoher Viruslast unerkannt herumlaufen würden, die man dann mit einem begrenzt sensitiven Fall finden kann.

Schnelltests nur in wenigen Situationen sinnvoll

"Aber das ist kaum der Fall. Hoch-positive Menschen entwickeln in der Regel Symptome und bleiben deshalb nicht unentdeckt. Menschen mit niedrigerer Viruslast, die meist keine Symptome haben, kann man nur mit sehr sensitiven Methoden entdecken, in der Regel aber nicht durch Antigen-Schnelltests", erklärt Bogdan. Selbst bei einer Inzidenz von 280 und bei Annahme einer irrealen Schnelltestsensitivität von 100 Prozent würde man an einem Tag nur einen Infizierten unter 2500 getesteten Personen finden.

Natürlich gäbe es Situationen, in denen der Einsatz von Antigen-Schnelltests sinnvoll sein kann. Etwa bei symptomatischen Patienten in der Notfallaufnahme, um schnell einen Hinweis zu erhalten, ob eine Infektion mit Sars-CoV-2 dahintersteckt, was dann parallel durch einen PCR-Test noch bestätigt werden muss.


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Grundsätzlich solle bereits bei einem Covid-19-Anfangsverdacht rigide und so schnell wie möglich ein Test durchgeführt werden. Ansonsten seien Antigen-Schnelltests noch in ausgewählten Situationen angezeigt, in denen Masken- und Abstandsregeln nicht eingehalten werden können, wie etwa im Umfeld von Kita-Kindern, oder als zusätzliche Sicherheitsstufe in Pflegeheimen, wo derzeit immer noch viele Pflegekräfte wie auch viele Besucher ungeimpft sind.

Schnelltests vor Zoo-Besuch sind für Bogdan unnötig

Völlig unnötig seien verpflichtende Schnelltests aus infektiologischer Sicht etwa vor einem Zoo-Besuch. "An der frischen Luft besteht quasi kein Infektionsrisiko, da müsste schon ein sehr großes Gedränge sein. Wenn man dann auch noch eine FFP2-Maske tragen muss, hat man da ohnehin nichts zu befürchten", meint Bogdan.

Bei Beachtung der nun seit vielen Monaten bekannten Schutzmaßnahmen könnten Corona-Infektionen weitgehend verhindert werden. Deshalb hat man am Uniklinikum bisher auf Antigenschnelltests bei symptomlosen Mitarbeitern komplett verzichtet. Zusätzlich sind mittlerweile mehr als 90 Prozent der Klinikumsmitarbeiter vollständig geimpft.

Doch seit 26. April ist die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung in Kraft, nach der jeder Arbeitgeber seinen Mitarbeitern ein oder zwei Selbsttests pro Woche anzubieten hat. In der Verordnung wird bisher nicht zwischen verschiedenen Betriebsformen differenziert.


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"Am Uniklinikum haben wir uns in den vergangenen 15 Monaten sehr intensiv mit der Frage der frühzeitigen Entdeckung und der Prävention Infektionen beschäftigt ", stellt Bogdan fest. Es sei nicht nachvollziehbar, dass außerhalb des Krankenhauses in Bayern nun eine vollständige Impfung in bestimmten Situationen einen sonst erforderlichen Test ersetzt, während nun selbst den zweifach Geimpften Mitarbeitern des Uniklinikums zweimal pro Woche ein Selbsttest zu offerieren ist. Das Uniklinikum drängt die Politik deshalb auf eine Anpassung.

Viele falsch positive Schnelltests

Gerade bei relativ niedrigen Inzidenzwerten wie aktuell in Erlangen und im Landkreis Erlangen-Höchstadt liefern Antigen-Schnelltests laut Bogdan je nach angenommener Spezifität 5- bis 50-mal mehr falsch positive als richtig positive Ergebnisse. Bei regelmäßiger Testung aller Klinikumsmitarbeiter wären 85 bis 255 falsch positive Tests pro Woche zu erwarten. Die Mitarbeiter müssten sich dann zunächst in Selbstisolation begeben, bis ein PCR-Test beweist, dass sie nicht infiziert sind.

Während man die Schnelltests in Erlangen kritisch sieht, sollen sich am Klinikum Nürnberg seit Januar alle Mitarbeiter in patientennahen Bereichen zweimal die Woche mit Antigen-Schnelltests testen lassen. Seite Mitte März können auch Mitarbeiter in anderen Bereichen des Klinikums das Angebot wahrnehmen.

"Die Antigen-Tests werden zum Arbeitsbeginn durchgeführt. Im positiven Fall wird direkt ein PCR-Test als Schnelltestverfahren nachgezogen. Das Ergebnis liegt in weniger als 45 Minuten vor. Die Rate an falsch-positiven Resultaten durch den Antigentest im Klinikum ist extrem gering. Durch die schnelle Ergebniskontrolle haben sich in den Fällen mit falsch-positiven Ergebnissen für die Mitarbeiter des Klinikums keine negativen Konsequenzen ergeben", betont Prof. Dr. Jörg Steinmann, Chefarzt des Instituts für Klinikhygiene am Klinikum Nürnberg.

Keine Unterscheidung zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften

Zu keinem Zeitpunkt wurde hier ein Unterschied zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften gemacht. Das soll sich auch jetzt nicht ändern. "Da auch zweifach Geimpfte Virusträger sein und damit andere Personen anstecken können, hält das Klinikum Nürnberg bis auf weiteres an der regelmäßigen Testung für alle Mitarbeiter fest", sagt Steinmann.

Ganz ähnlich sieht man das am Klinikum Fürth. "Bislang geht man zwar davon aus, dass von Geimpften ein geringeres Ansteckungsrisiko ausgeht, aber wir wissen noch nicht sicher, in welchem Ausmaß sie weniger ansteckend sind", betont Krankenhaushygieniker Hans-Peter Maidhof. In Fürth sollen sich die Mitarbeiter zweimal in der Woche selbst testen. Wie auch in Erlangen und Fürth bekommen alle stationären Patienten einen PCR-Test bei der Aufnahme, auch die Geimpften. Zusätzlich werden auch bei den Patienten in Fürth zwei Antigen-Schnelltests pro Woche gemacht.

Man richtet sich nach den Empfehlungen des RKI, das bisher noch nicht empfohlen hat, zweifach Geimpfte in Krankenhäusern nicht mehr zu testen. "Zusätzlich berücksichtigen wir das besondere Risiko im Krankenhaus, wo Patienten ihr Zimmer mit anderen Patienten teilen müssen, wo durch Therapie und Diagnostik unvermeidlich engere Kontakte als sonst üblich entstehen und wo wir Verantwortung für vulnerable Personen tragen", erklärt Maidhof. Gerade bei Operationen tragen die Patienten im Normalfall ja gar keine Maske.

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