Stolpernd in die schulische Neuzeit

13.4.2019, 08:00 Uhr
Stolpernd in die schulische Neuzeit

© Jens Wolf/dpa

Seit Monaten tüfteln Piazolos Beamte an einem Konzept, wie das digitale Klassenzimmer vorangebracht werden kann. Denn das Unterfangen ist kompliziert. Die Schulen müssen via Glasfaser ans Internet angeschlossen werden; im Haus braucht es WLAN in alle Ecken, dazu entsprechende Hardware für den Unterricht, Software für Lehrer und Schüler wie etwa digitale Schulbücher, Fachleute, die die Netze warten und die Systeme betreuen.

Für jeden Schultyp

Über allem stehe sein Motto, sagt Piazolo: "Nur wenn es für den Unterricht einen Mehrwert bringt, lohnt es sich auch." Es gehe mehr als nur ums Geld. "Die Pädagogik steht vor der Technik." Inzwischen sind Konzepte erarbeitet, für jeden Schultyp, für jedes Unterrichtsfach, für jede Altersstufe. 170 staatliche Berater sollen ab Jahresende den Schulen zur Seite stehen, die Schulen eigene Pläne entwerfen, wie sie die Vorgaben umsetzen und wann.

Parallel baut Bayern die Fortbildung für die Lehrkräfte aus, passt das Land das Studium an und prüft, wie die Schüler mit elektronischen Geräten ausgestattet werden sollen – einheitlich vom Staat oder auf eigene Kosten. Für beides gebe es Argumente und dagegen, sagt Piazolo. Ihm ist etwas anderes wichtig: Es werde kein Windhundrennen geben, sagt er, jede Schule bekomme Mittel, wenn auch nicht im benötigten Umfang.

Das ist Wasser auf die Mühlen seiner Kritiker. Bayerns Regierung hatte ursprünglich einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag für die kommenden Jahre zugesichert, unabhängig von Bundesmitteln über 780 Millionen. Doch das steht auf der Kippe. 212 Millionen Euro hat Bayern für die Jahre 2018 bis 2020 eingeplant, im Digitalpakt 2. Weiter reichen die Zusagen nicht. Er könne das nicht beantworten, sagt Piazolo, ob nach 2020 bayerisches Geld fließen werde. "Es wäre aber in unserem Interesse." Das hänge auch davon ab, wie sich die Steuern entwickeln, wie es der Wirtschaft künftig gehe, was der Freistaat einnehmen werde.

Zusätzliche Mittel fehlen

Die Sorge bei den Kommunen ist deshalb groß, dass das Land sie mittelfristig allein lässt mit der Mammutaufgabe. Schon jetzt rechnet die Regierung die Landes- und die Bundesmittel zu einer Digitalisierungsmilliarde zusammen; zusätzliche bayerische Mittel fehlen in der Rechnung. Zudem könnten zwar ab Mitte das Jahres die ersten der geplant fast 780 Millionen des Bundes nach Bayern fließen. Doch der Betrag verteilt sich auf fünf Jahre. Zu wenig, sagen die Fachleute beim bayerischen Städtetag, wenn der Freistaat nicht zusätzlich Geld dazu legt. Denn die Kommunen müssen die Digitalisierung als sogenannte Sachaufwandsträger stemmen. Ohne ausreichende staatliche Hilfe aber sehen sie sich überfordert.

Auch die Ankündigung Piazolos behagt den Praktikern nicht, dass jede der gut 6000 bayerischen Schulen bedacht werden soll. Im Ergebnis, so warnen sie, bekomme jede Schule damit ein paar digitale Klassenzimmer. Doch nirgends lasse sich in der Folge das Konzept durchgängig über alle Klassen und Jahrgangsstufen umsetzen. Was bleibe, sei Flickwerk und ineffektiv.

Tatsächlich streckt der Freistaat offensichtlich die Mittel, die er einsetzen will. Hatten bisher Bildungspolitiker und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) regelmäßig betont, mit dem Digitalpakt 2 sollten am Ende 50 000 digitale Klassenzimmer stehen – bei insgesamt rund 76 000 Klassen –, klingt das bei Piazolo neuerdings etwas anders. Der Digitalpakt 2 läuft kommendes Jahr aus, doch der Kultusminister kündigt jetzt das 50.000. Klassenzimmer erst für Herbst 2023 an, am Ende der Legislaturperiode, ebenso WLAN in allen Schulen. Aktuell sind 10.000 Klassen entsprechend ausgestattet. Deren technischen Geräte sind im Herbst 2023 allerdings längst veraltet.

Die Grünen werfen der Regierung und namentlich Piazolo ein "mutloses Klein-Klein" vor. Die SPD attestiert ihm, er agiere "rat- und planlos". Beide mahnen ein klares Konzept an mit präzisen Vorgaben und ausreichend Geld. Doch beide befürchten, das Land stehle sich aus seiner Verantwortung und schmücke sich mit fremden Federn, mit dem Geld aus Berlin.

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