Räuber, Klima und wenig Nachwuchs

Teichwirtschaft vor dem Aus? Klimawandel bedroht Karpfenzucht

5.9.2021, 13:52 Uhr
Traditionell im ersten mit "R" endenden Monat nach dem Sommer wird in Bayern die Karpfensaison eröffnet. Doch die Karpfenzucht ist bedroht.

© Daniel Karmann, dpa Traditionell im ersten mit "R" endenden Monat nach dem Sommer wird in Bayern die Karpfensaison eröffnet. Doch die Karpfenzucht ist bedroht.

In Gummistiefeln steht Hans Schießl an einem seiner Fischteiche in der Oberpfalz und wirft mit gekonntem Armschwung ein Netz ins Wasser. Der 74-Jährige ist Fischwirt in dritter Generation und zugleich Vizepräsident des regionalen Fischereiverbandes. Die Karpfenzucht ist seine Leidenschaft - auch wenn das Geschäft schwieriger wird, wie er sagt.

Der Klimawandel macht auch vor der Fischerei nicht halt, dazu rauben Kormorane und Fischotter vielerorts die Teiche aus. Hinzu kämen Bürokratie, Naturschutzverordnungen und geänderte Essgewohnheiten der Menschen, sagt Schießl. Diese Probleme werden durch den Titel "Immaterielles Kulturerbe der Unesco" nicht weniger.

Grundlage für die Teichwirtschaft sei das über Generationen weitergegebene Wissen über Teichbau und Teichpflege, Füttern und Abfischen, heißt es in der Begründung der Unesco-Kommission. So ist es auch bei der Familie Schießl aus der Nähe von Schwarzenfeld im Landkreis Schwandorf. Der Großvater habe in den 30er Jahren rund 350 Hektar Teichlandschaft von einer insolvent gegangenen Grafschaft gekauft und später seinen Söhnen vermacht, erzählt Hans Schießl. Er wiederum hat seinen Betrieb inzwischen seinem Sohn übergeben - und packt selbst aber noch regelmäßig mit an.

Unesco-Titel könnte helfen

Große Teichflächen seien einst dem Kohleabbau zum Opfer gefallen, erzählt er. Unterhalb seiner Grundstücke befinde sich zwar auch Kohle, diese sei jedoch als nicht förderwürdig eingestuft, so seien seine Teiche erhalten geblieben. Der Unesco-Titel könne dazu beitragen, dass das auch in Zukunft so bleibe.

Ansonsten hängt die Zukunft der Karpfenfischer stark vom Klimawandel und vom Naturschutz ab. Die Karpfenzüchter unterstützten den Naturschutz, sagt Schießl. Und zugleich seien sie von ihm ein Stück weit bedroht. Kormorane und Fischotter - beides geschützte Arten - gingen in den Teichen auf Raubzug, ohne dass die Teichwirte richtig effektiv etwas dagegen tun dürften. "Die finden hier einen reich gedeckten Tisch." Deswegen vermehrten sie sich auch stark.

Hier müsste gemeinsam nach Lösungen zwischen Praktikern aus der Teichwirtschaft und Naturschützern gesucht werden, wünscht sich Schießl. Die Karpfenzüchter hätten schließlich das Wohl ihrer Tiere im Blick. Und die würden von Kormoranen bei Fangversuchen oft nur verletzt oder aufgerissen und verendeten qualvoll.

Der Kormoran sei eigentlich an der Küste beheimatet. Nachdem dort in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr auch Kleinfische gefischt würden - um daraus Fischmehl für die Hähnchenmast zu machen - hätten die Wasservögel weniger Nahrung zur Verfügung und zögen immer weiter ins Festland. "Das ist doch ein Paradies für Kormorane", sagt Schießl und deutet auf seine Teichlandschaft. "Hier kriegen die Vögel ihr Futter regelrecht serviert."

Etliche Teichwirte hätten ihren Betrieb bereits aufgegeben oder stünden kurz davor. Aufwand und Ertrag rechneten sich für viele nicht mehr. Auch der Biber bereite Probleme, wenn er in den Dammanlagen grabe. Dagegen könnten die Karpfenzüchter ebenfalls kaum etwas tun - außer die Dämme mit Schotter zu befestigen. Das koste schnell mehrere Tausend Euro. Für kleine Zuchtbetriebe sei das zu teuer.

Auf den Klimawandel hätten sich die Karpfenzüchter mit Investitionen bislang einstellen können. Vor allem lange Trocken- und Hitzeperioden machten ihnen zu schaffen. Denn die Teiche speisten sich aus Regenwasser. Regenmangel und erhöhte Wassertemperaturen verschlechterten den Sauerstoffgehalt im Wasser. Sein Sohn habe vor einigen Jahren Belüftungsgeräte und Notstromaggregate gekauft, um die Wasserqualität auch in heißen Sommern sicherstellen zu können.

Die Karpfen, die sein Betrieb züchtet, würden entweder als Setzlinge weiterverkauft oder als ausgewachsene Karpfen verarbeitet. Neben der Zucht betreibt die Familie einen Partyservice und eine kleine Gastronomie. Ein Kilogramm Karpfen koste 3,50 Euro. Ohne EU-Zuschüsse wäre das nicht machbar, sagt Schießl. "Dann würde ein Kilo sechs Euro kosten." Die Kunden wollten zwar gesund leben und Naturprodukte kaufen - "aber billig muss es sein".

Bei allen Schwierigkeiten, mit denen sich Karpfenzüchter im Alltag befassen müssen: Schießl hofft, dass sein Handwerk überdauert - so wie es seit dem Mittelalter überdauert hat. Der Unesco-Titel sei für die Oberpfälzer Karpfenzüchter Ehre und Auftrag zugleich.

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