Alles anders? Treuchtlingen hat gewählt
15.10.2018, 17:35 UhrBesonders auffällig: die Stärke der Grünen, die in der Stadtpolitik überhaupt nicht vertreten sind, das gute Abschneiden der AfD in der Kernstadt sowie die Bauchschmerzen vieler FW-Wähler mit der nicht unerwarteten, aber unbeliebten Regierungsoption.
Mit letzterer „hadere ich noch“, gab sich Treuchtlingens dritter Bürgermeister und FW-Sprecher Klaus Fackler am Tag nach der Wahl zerknirscht. Er habe „nie eine Mördergrube daraus gemacht, dass ich das landespolitische Engagement der Freien Wähler für falsch halte, und werde dies auch weiterhin kundtun“. Nun könnten sich seine Bedenken bestätigen: Falls CSU und FW als Koalitionspartner zusammenfinden, werde es „zur Lagerbildung kommen, und damit haben die Freien Wähler endgültig ihre Unabhängigkeit verloren“.
Dies wird nach Facklers Ansicht „auch auf die kommunale Ebene durchschlagen, denn damit sind die Freien Wähler nicht mehr für alle Bürger wählbar, weil sie nun einem politischen Lager zugeordnet werden“. Das müsse man „in Treuchtlingen und auf Kreisebene diskutieren“. Anders als die aus der ehemaligen UWG erwachsene Basis sei die Landespartei „mit nur zwei, drei Dutzend Mitgliedern im Landkreis ein ganz schwaches Konstrukt ohne Rückhalt“. FW-Landeschef Hubert Aiwanger halte er zudem für „einen eher schwierigen Politiker“.
Für problematisch hält Fackler insbesondere, dass die Freien Wähler nun – in Abgrenzung zu den ebenfalls als Koalitionspartner in Frage kommenden Grünen – bereits vielfach als Teil des konservativen Lagers gehandelt würden. „Wir sind sehr breit aufgestellt“, so der Treuchtlinger Fraktionschef. „Es gibt Kreisverbände, die sehr konservativ bis rechts sind, aber auch andere, die eher links ticken oder aus der gewerkschaftlichen Ecke kommen.“ Gerade in Treuchtlingen seien die Freien Wähler „eher ein bürgerlicher Ersatz für die im Stadtrat nicht vertretenen Grünen“ – und damit alles andere als der natürliche Koalitionspartner der CSU.
Das sieht Treuchtlingens CSU-Fraktionsvorsitzender Uwe Linss ähnlich. „Es stehen schwierige Verhandlungen an“, meint er. „Mir würde zwar eine Koalition der bürgerlichen Mitte besser gefallen, aber ich bin auch nicht unbedingt gegen die Grünen.“ Die wären zwar als Partner stärker als die Freien Wähler, sodass die CSU mehr Kompromisse machen müsste, könnten aber auch neue Impulse setzen. Die Gretchenfrage bei dieser Konstellation sei, wie weit sich die Christsozialen bei den Punkten bewegen könnten, die für die Grünen unverhandelbar sind.
Mit den Freien Wählern allein befürchtet Linss dagegen eine zu knappe Mehrheit im Parlament. „Für eine stabile Koalition, in der nicht immer alle mit der Fraktion stimmen müssen, brauchen wir deshalb wohl auch die FDP.“ Mit dem Erfolg seiner Partei in Treuchtlingen ist Linss zwar nicht ganz zufrieden, ihn hätte aber „auch ein noch schlechteres Ergebnis nicht überrascht“. Bedauerlich sei insbesondere die im Vergleich zu Kreis und Freistaat schlechte Wahlbeteiligung von 65,3 Prozent.
Das verheerende Abschneiden seiner SPD ist für Bürgermeister Werner Baum indes „unvorstellbar bis unbegreiflich“. Landeschefin Natascha Kohnen möchte er aber in Schutz nehmen: „Natürlich war es ihr Wahlkampf. Aber es lag weniger an den Personen.“ Den Sozialdemokraten seien nun vielmehr „die Jahre des Mitregierens als Juniorpartner in Berlin auf die Füße gefallen“. Die eigene Politik sei von den Wählern nicht wahrgenommen worden, die SPD „in der großen Koalition untergegangen“. Das sei „so nicht mehr hinnehmbar“.
Mit dem Treuchtlinger Ergebnis könne er als SPD-Mitglied ebenfalls nicht zufrieden sein, so Baum. Immerhin sei Harald Dösel hier aber zweitstärkster Spitzenkandidat geblieben, wenn auch fast gleichauf mit FW und Grünen. „Das kann trotzdem nicht unser Anspruch sein“, betont Baum. Etwas erfreulicher sei das Resultat im Bezirk mit rund 21 Prozent – hier jedoch „gegen einen fast Unbekannten“.
Welche Koalition er sich nun wünsche? „Als Kommunalpolitiker auf jeden Fall eine Zweier-Konstellation“, so der Rathauschef. Und weil die mit den Grünen wohl „spannend, aber unrealistisch“ wäre, laufe wohl alles auf die Freien Wähler hinaus. Eine rechnerisch ebenfalls mögliche „GroKo“ mit der SPD hält Baum indes für die denkbar schlechteste Idee: „Dann würde ich vom Glauben abfallen, das ist für mich nicht diskutierbar.“
Folgen für die Stadt sieht Baum in dem Wahlergebnis eher nicht. „Die CSU bleibt nach wie vor tonangebend, unsere Kontakte in den Landtagsgremien sind aber nicht schlecht“. Er hoffe jedoch „auf eine Veränderung der CSU-Politik nach außen“.
Am besten abgeschnitten hat Wahlsieger Manuel Westphal in Treuchtlingen im Ortsteil Windischhausen. Dort holt der CSU-Spitzenkandidat 73,0 Prozent, in Auernheim immer noch 58,6. Das schlechteste Votum fährt der Christsoziale mit 32,8 Prozent ausgerechnet im Bezirk „katholisches Pfarrheim“ ein, auf den Dörfern schenken ihm mit 40,5 Prozent die Schambacher das geringste Vertrauen.
Bei den Zweitstimmen liegt die CSU ebenfalls in Windischhausen einsam an der Spitze (63,4 Prozent), am wenigsten sind es mit 34,4 Prozent in Dietfurt. Generell holen die Christsozialen in der Kernstadt mit 36 bis 41 Prozent ein schwächeres Ergebnis als in den Ortsteilen mit 34 bis 63 Prozent.
Bei allen anderen großen Parteien bildet Windischhausen wegen dieser enormen schwarzen Mehrheit durchweg das Schlusslicht. SPD-Kandidat Harald Dösel holt hier beispielsweise nur 2,0 Prozent, aber auch in Graben und Grönhart sind es nur 2,4. Noch die besten Karten hat Dösel mit 17,0 Prozent im Stimmbezirk „evangelischer Kindergarten“, in den Briefwahlbezirken sind es sogar bis zu 19 Prozent. In Gundelsheim und Schambach machten immerhin jeweils gut 13 Prozent ihr Kreuzchen bei den Sozialdemokraten, ansonsten bleibt die SPD auf den Dörfern einstellig.
Auf dem Patrich wählen dagegen stattliche 21,9 Prozent Grün, Kandidat Winfried Kucher kommt dort auf 18,4 Prozent. Das beste Grünen-Ergebnis in der Ortsteilen liefert Dietfurt mit 21,4 Prozent (17,4 für Kucher), das schlechteste nach Windischhausen das benachbarte Auernheim mit 7,5 beziehungsweise 6,1. Die Kernstadt mit Ausnahme des Bezirks „Forsthaus“ sowie sämtliche Briefwähler wählen zweistellig grün – vor fünf Jahren knackte Spitzenmann Dirk Sauer hier nicht einmal die Fünf-Prozent-Hürde.
Starker Kandidat
Genau umgekehrt sieht es bei den Freien Wählern aus. Hier ist Kandidat Wolfgang Hauber der Stimmenfänger und erzielt merklich größere Erfolge als seine Partei. Im Forsthaus sind es 12,5 Prozent für Hauber, in Bubenheim sogar 20,4. Allerdings ist sein Briefwahlergebnis deutlich schlechter als das von CSU, SPD und Grünen. Bei den Zweitstimmen holen die Freien Wähler maximal 15,1 Prozent in Graben und Grönhart sowie zwischen 7,8 und 9,4 Prozent in der Kernstadt. In Möhren und Haag sind es nur 6,3.
AfD-Kandidat Siegfried Lang fährt schließlich das stärkste Resultat mit 14,1 Prozent im katholischen Pfarrheim ein, gefolgt vom Forsthaus mit 14,0. Auch in der übrigen Kernstadt ist er zweistellig vertreten, in den Dörfern dagegen nur mit acht bis zehn Prozent. Seine Partei bringt es sogar auf 14,9 Prozent im Forsthaus und 20,1 Prozent in einem Briefwahlbezirk. Auch in der gesamten Kernstadt außer dem Patrich liegt die AfD über zwölf Prozent, in den Ortsteilen nur in Auernheim, Möhren und Haag. Den geringsten Zuspruch erhalten die Rechten in Dietfurt (8,4), Schambach (7,5) und Windischhausen (5,9). Dennoch ist die AfD in Treuchtlingen um etwa anderthalb Prozentpunkte stärker als im übrigen Landkreis.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich zuvor registrieren.
0/1000 Zeichen