Evangelische Gläubige wählen Kirchenvorstände
11.10.2018, 06:04 UhrEin Netflix-Abonnement ist monatlich kündbar und auch Stromanbieter oder Handyverträge werden für potenzielle Kunden stets dann attraktiv, wenn der abgeschlossene Tarif keine allzu langen Bindungsfristen mit sich bringt. Man will ja flexibel bleiben. Der Vergleich zum Amt als Kirchenvorstand hinkt natürlich, und auch hier ist ein vorzeitiges Ende möglich: „Wenn es zu viel wird, kann man auch aufhören“, betont Manuela Reißig aus der Pfarrei Wettelsheim. Aber dennoch: Die Bindungsfrist ist für heutige Verhältnisse zunächst einmal doch relativ lang.
Sechs Jahre lang verpflichten sich Kirchenvorstände jeweils, um gemeinsam mit den Pfarrern die Gemeinde zu leiten und zu vertreten. Wann finden welche Gottesdienste statt? Wie soll die Konfirmandenarbeit aussehen und wie kann das Evangelium heute glaubwürdig verkündet werden? Dies sind Aufgaben, die der Kirchenvorstand in seiner Amtszeit diskutiert und entscheidet. „Leute zu finden, die sich für sechs Jahre engagieren, ist gar nicht so einfach“, sagt Manuela Reißig. Und dennoch sei eine solch lange Zeitspanne sinnvoll. Würde man alle vier Jahre wählen, wäre dies mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden. Gerade im Vorfeld einer solchen Wahl sei schließlich jede Menge zu tun, wie Reißig berichtet. Außerdem erfordere ein solches Amt für Neugewählte auch Zeit, sich entsprechend einzugewöhnen und in die unterschiedlichsten Aufgaben einzuarbeiten.
Was die Anzahl der Kandidaten betrifft, könne man bei der Pfarrei Wettelsheim nicht klagen. „Wir haben genug Kandidaten gefunden. Die erforderliche Mindestanzahl ist vorhanden.“, sagt Reißig. Die ist von Kirchengemeinde zu Kirchengemeinde verschieden und hängt von der jeweiligen Größe ab. Bei Kirchengemeinden bis zu 1000 Gemeindemitgliedern werden fünf Kirchenvorsteher gewählt und einer berufen. Wettelsheim wird beispielsweise zur Größenkategorie „bis zu 2000 Mitglieder“ zugeordnet. Hier werden sechs Kirchenmitglieder gewählt, und zwei berufen. Jeweils mindestens doppelt so viele Kandidaten, als gewählt werden, müssen zur Wahl aufgestellt werden. In Wettelsheim sind es heuer beispielsweise 13 Personen.
Bis die Kandidaten aber gefunden waren, war viel Arbeit nötig. Man habe bereits im Frühjahr begonnen, Gespräche zu führen, viele hätten auch abgesagt. „Aber das waren alles sehr gute Gespräche“, sagt Reißig. Dies ist auch der Tenor in den anderen Kirchengemeinden der Region. Es sei einfach insgesamt schwieriger geworden, Menschen zu finden, die sich engagieren, sagt Martin Pöschel von der Pfarrei Rehlingen. Das sei aber kein reines Problem von Kirchengemeinden, sondern generell im Ehrenamt so. Auch er berichtet von „einer intensiven Forschung“ nach Kandidaten, denn die Auswahl sei ja doch relativ begrenzt. In Büttelbronn habe man die doppelte Anzahl an Kandidaten zusammenbekommen, in Rehlingen habe man aber eine Reduzierung beantragen müssen. Statt der zehn Kandidaten seien es dort jetzt nur acht. Der Grund: „Es wäre schwierig geworden, zwei weitere Personen zu finden, die das machen“, sagt Pöschel. Bis Mitte Mai hatten die Kirchengemeinden die Gelegenheit, für solche Fälle einen entsprechenden Antrag an den Dekanatsausschuss zu stellen.
Auch Treuchtlingen musste diese Sondergenehmigung in Anspruch nehmen. „Es war sehr schwer. Wir mussten reduzieren“, sagt Pfarrer Bastian Müller, der nun elf statt zwölf Kandidaten ins Rennen schicken kann, von denen dann sechs von den stimmberechtigten Gemeindemitgliedern gewählt werden. Auch er berichtet, dass es eine ziemlich schwierige Aufgabe sei, Menschen für das Amt zu gewinnen. „Es sollten eigentlich schon Leute sein, die in der Gemeinde aktiv sind und die die Leute kennen“, sagt Müller, der aber auch versucht auf externen Anlässen wie Tauf- oder Traugesprächen auf Menschen zu zugehen und mit ihnen ins Gespräch über ein Amt als Kirchenvorstand zu kommen.
Von Haustür zu Haustür
„Das mit der Freiwilligkeit ist nicht mehr so einfach“, sagt auch Pfarrer Günther Gagesch von der Pfarrei Dietfurt. In Dietfurt habe man neun, in Schambach acht, in Dettenheim sieben und in Graben fünf Kandidaten. „Das ist nicht übermäßig viel, aber noch im Rahmen dessen was nötig ist, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen“, sagt Gagesch. In Dietfurt habe man heuer sogar mehr Kandidaten, als vor sechs Jahren, in Schambach dagegen weniger. Gagesch vermutet, dass man – trotz der zahlreichen Gespräche – noch gar nicht alle Leute erreicht hat, die in Frage kämen. „Es gibt auch viele Menschen, die nicht so oft in den Gottesdienst gehen, aber so ein Amt trotzdem sehr gut ausfüllen könnten“, sagt Gagesch.
In Graben setzte man deshalb sogar auf Haustürgespräche, berichtet Religionspädagogin Nicole Heinrichmeyer, die die zweite Pfarrstelle in der Pfarrei Dietfurt-Dettenheim besetzt. Der Vertrauensausschuss, der für die Nominierung der Kandidaten zuständig sei, war im Frühjahr auf sie zugekommen. „Wir haben dann natürlich nicht überall geklingelt“, sagt Heinrichmeyer. Stattdessen habe man im Vorfeld überlegt, wer potenziell in Frage käme, „aber die Erfolgsquote war leider nicht so hoch“, sagt sie. Die gute Nachricht: Auch in Graben habe man mittlerweile ausreichend Kandidaten: „Wir haben keine Probleme, die Wahl durchzuführen“, sagt Heinrichmeyer.
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