Reichsbürger-Drohbrief: keine Straftat, aber ernst zu nehmen
24.1.2021, 15:27 UhrBedrohung öffentlicher Einrichtungen und Amtsträger? Oder alles halb so wild? Ein anonymer "Reichsbürger" hatte Mitte Januar rund 150 Kommunen, Behörden, Schulen, Kindergärten und Pflegeheime in ganz Westmittelfranken angeschrieben und ihnen in drohendem Ton geraten, sich gegen die Corona-Schutzmaßnahmen zu stellen. Anderenfalls würden er und weitere Anhänger der vom Verfassungsschutz beobachteten Fantasievereinigung sie "in private Haftung nehmen" und dies auch "durchsetzen". Die Briefe, von denen etwa 50 an Einrichtungen in Weißenburg-Gunzenhausen und rund 60 an Institutionen im Nachbarlandkreis Roth gingen, waren mit blutroten Fingerabdrücken "unterschrieben".
"Blutiger" Brief: Reichsbürger drohen Schulen und Behörden
Wie die Treuchtlinger Polizei nun mitteilt, hat die Ansbacher Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen jedoch eingestellt. Das Schreiben sei "strafrechtlich nicht relevant" – wohl weil die implizite Drohung zu vage und an niemanden direkt gerichtet ist. Der ebenfalls eingeschaltete Staatsschutz versuche allerdings weiter, den oder die Verfasser der Briefe ausfindig zu machen. Gelingt dies, folge eine sogenannte "Gefährderansprache", wie Polizeichef Dieter Meyer erklärt. Diese soll signalisieren, dass die Polizei eine Gefährdungslage registriert und die Lage ernst nimmt.
"Muss man nicht hinnehmen"
Treuchtlingens Bürgermeisterin Kristina Becker, die das Reichsbürger-Schreiben als Erste öffentlich gemacht hatte, kann mit der Entscheidung leben. "Es war ja wenig konkret", meint sie. Anders sei das, wenn militante Corona-Populisten, Verschwörungsgläubige und Rechtsextremisten beispielsweise persönlich vor Schulen und Kindergärten auftauchen und dort Mitarbeiter, Eltern und Kinder angehen. Die Leitung des städtischen Kindergartens sei deshalb stärker besorgt über den Drohbrief, den auch sie erhalten hat. Falls es dort zu einem solchen Zwischenfall kommen sollte, "muss man das nicht hinnehmen", so Becker.
Reichsbürger im Internet: In der Blase des Irrsinns
Generell ist die Reichsbürger-Szene in Treuchtlingen und ganz Altmühlfranken der Rathauschefin zufolge "durchaus präsent". Die Behörden hätten das Thema aber im Blick, sie selbst als Bürgermeisterin fühle sich "gut betreut". Neben den örtlichen Sicherheitsbehörden halte die Stadt auch regelmäßig Kontakt zur Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus in München.
Das Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet die Reichsbürgerszene als "sicherheitsgefährdende Bestrebung". In Bayern werden ihr derzeit rund 4000 Personen zugerechnet. Die meisten sind nicht organisiert, die bundesweite Gruppierung "Geeinte Deutsche Völker und Stämme" wurde aber im April 2020 verboten. Leichte Schwerpunkte der Reichsbürgerideologie im Freistaat sind Mittelfranken, Oberfranken und Oberbayern.
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