Wie gehen Altmühlfrankens Partnerstädte mit dem Coronavirus um?
21.3.2020, 05:57 UhrEin Epizentrum der Krankheit ist Italien, aber auch in den USA spitzt sich die Lage zu. Wir haben uns in den Partnerstädten Treuchtlingens im norditalienischen Ponsacco und Gunzenhausens in Frankenmuth (Bundesstaat Michigan) umgehört, wie sie mit dem "Shutdown" umgehen.
Die Menschen in Ponsacco leben bereits mit einer Ausgangssperre. Davon betroffen ist auch Kerstin Hessaun. Die Deutsche betreibt mit ihrem italienischen Mann und dessen Familie das Weingut "Podere Spazzavento" mit Gästezimmern im Süden der toskanischen Kleinstadt, die zwischen Pisa und Florenz gelegen ist.
In der ländlichen Gegend sei die Lage noch ruhig und nicht immer so, wie sie im Fernsehen gezeigt werde, sagt Hessaun. Hamsterkäufe kämen schon vor, so sei einmal die H-Milch aus gewesen, momentan fehle es an Mehl. Damit alle genug bekommen, werde das Wasser rationiert: Jede Familie bekommt pro Einkauf höchstens zwei Kisten, was 18 Litern entspricht. Und es dürfen auch nicht alle gleichzeitig in den Supermarkt – wie auf dem Amt müsse man eine Nummer ziehen. "Die Schlange vor dem Supermarkt ist überschaubar, aber in Florenz kann das schon wieder anders aussehen."
Am Anfang seien die Menschen noch recht gelassen mit der Situation umgegangen, berichtet die Deutsche. "Sie haben eine Weile gebraucht, um es zu verstehen." Nur ein Mann sei in Ponsacco bisher infiziert. Mit der Zunahme der Fälle im Land sei dann aber die Angst gewachsen. Nach und nach seien alle überzeugt gewesen, dass die Regeln nötig und richtig sind. "Noch vor einer Woche durfte man wenigstens spazierengehen, zwar nicht in der Gruppe, aber mit der Familie", blickt Hessaun zurück. Doch selbst das gehe nun nicht mehr. "Da stelle ich mir vor, wie die Kinder in einer Wohnung im dritten Stock ohne Garten das aushalten sollen – und deren Eltern noch dazu."
Die Natur macht keine Pause
Die Familie Piceni Belli hat Glück auf ihrem "paradiesischen Hügel". Das Weingut hat eine Fläche von 15 Hektar, da werde einem nicht langweilig. Der Betrieb müsse schließlich weitergehen. "Die Natur nimmt ihren Lauf und wir müssen hinterher. Keine Arbeit in den Weinbergen und in der Landwirtschaft kann warten, unsere Mitarbeiter sind weiter für uns tätig und helfen beim Zurückschneiden, Anbinden, Mähen und Mulchen", erzählt Hessaun, die selbst gerade mit dem Rückschnitt der Olivenbäume beschäftigt ist. Das Wetter sei dafür derzeit optimal.
Hessauns Kinder nehmen die Situation, als hätten sie Ferien: mit Ballspielen, Fernsehen und Spielekonsole. Ab und an helfen die beiden auf dem Weingut, und auch die Hausaufgaben sollen nicht zu kurz kommen. Der Elfjährige, der die fünfte Klasse besucht, lässt seine Eltern die Aufgaben dann abfotografieren und den Lehrern per E-Mail schicken. Beim Größeren, der in die siebte Klasse geht, gibt es Unterricht per Videokonferenz. Das klappe zwar noch nicht perfekt, aber die Schule sei dran. "Ich sehe, dass da viel gemacht wird, alle sind motiviert und tun wirklich viel – so viel, dass ich befürchte, dass das noch länger dauert", mutmaßt die Mutter. Bisher war von einer Schulsperre bis 5. April die Rede, doch gerüchteweise sollen die Kinder nun bis zu den Sommerferien Mitte Juni nicht mehr in die Schule.
Ansonsten habe sich im Alltag der Familie nicht viel verändert. Nur die wirtschaftlichen Folgen bereiten Hessaun Kopfzerbrechen. Seit fast zwei Wochen sind die Restaurants nun geschlossen, damit fehle auch die Kundschaft für Wein und Olivenöl. "Derzeit können wir nur an ein paar kleine Lebensmittelläden verkaufen", sagt die Weinbauerin. Ein Lichtblick sei da die Zusammenarbeit mit drei jungen Treuchtlingern um Thilo Breit, die ihre Weine und ihr Öl nach Deutschland importieren (Telefon: 0151/65111211).
Der Schaden könnte hoch sein
Geht es so weiter, sieht Hessaun für ihr Weingut allerdings eher düster: "Der wirtschaftliche Schaden könnte extrem hoch sein." Nicht nur der geringere Weinverkauf, sondern auch die Absagen für die Ferienwohnung reißen ein Loch ins Budget. "Etwa 40 Prozent unserer Produktion haben wir bisher an Touristen verkauft, das bleibt nun aus." Dazu kamen Weinbergführungen mit Verkostungen, die ebenfalls ausfallen. "Aber wir geben die Hoffnung nicht auf, vielleicht bessert sich die Lage ja doch schneller als gedacht."
Etliche Tausend Kilometer entfernt, im nordamerikanischen Frankenmuth, sind ebenfalls alle Schulen und Universitäten dicht, die Restaurants geschlossen, Versammlungen mit mehr als zehn Menschen untersagt. In der Partnerstadt Gunzenhausens ist die Lage ähnlich wie in Altmühlfranken, die Behörden greifen zu ähnlichen Regelungen.
Laut Bürgermeisterin Mary Anne Ackermann werden die Schüler und Studenten dort online zuhause unterrichtet, alle Abschlussbälle sind abgesagt. Betriebe verkürzen ihre Arbeitszeiten, die Bänder in der Autoindustrie stehen still, Erholungseinrichtungen sind verwaist. Nur Geschäfte, die Dinge des täglichen Bedarfs anbieten, haben geöffnet, Restaurants bieten Essen zum Mitnehmen an.
Wie in Deutschland, haben auch in Frankenmuth und Umgebung die Kirchen die Gottesdienste abgesagt, Beerdigungen finden nur im kleinen Kreis statt. Und auch im Norden der USA koordiniert ein Krisenstab die Maßnahmen und Hilfen, besonders für ältere Mitbürger. Sie werden bei Bedarf mit Essen versorgt, die Kinder erhalten in den Schulen kostenloses Frühstück und Mittagessen.
Doch auch in Frankenmuth gebe es Unvernünftige, die noch nicht verstanden haben, wie ernst die Lage ist, erzählt Ackerman. Man beobachte deshalb die weltweite Entwicklung und versuche, von den anderen Länder wie etwa Deutschland zu lernen. Ackerman schließt mit herzlichen Grüßen in die deutsche Partnerstadt: "Please be safe and share my hellos with all of our Gunzenhausen friends!" Frei übersetzt: "Seid vorsichtig und richtet unseren Gunzenhäuser Freunden meine Grüße aus!"
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