Zwei Jahren "neue Mitte" in Treuchtlingen
19.9.2020, 06:04 UhrFür den neuen "Walli", für den es anfangs beileibe nicht nur Zustimmung gab, kommt von den Geschäftsleuten dennoch fast durchweg viel Lob. "Der Platz kommt super an und ist endlich ein Ort, der Treuchtlingen schön repräsentiert", ist Jutta Böhrer von "Juttas Modetreff" überzeugt. Sie muss es wissen, betreibt sie den Laden dort doch schon seit 17 Jahren. Gerade erst ist sie umgezogen – allerdings nur von einer Seite der Hauptstraße auf die andere. Dort, direkt vor der Eisdiele, verspricht sie sich noch mehr Laufkundschaft. "Die Leute sitzen hier, essen ihr Eis und sehen mein Schaufenster – und dann kommen sie auch rein", sagt Böhrer. Den Radfahrern und Urlaubern schicke sie Bestellungen bisweilen auch nach.
Jutta Böhrer war nach eigenen Worten "von Anfang an für die Umgestaltung der Stadtmitte". Die nun öfter einmal im Brunnen planschenden Kinder seien für einige Kunden und Kollegen zwar ein Ärgernis, aber das sei die Minderheit. "Die jungen Leute sind unsere Zukunft, und sie bleiben nur, wenn die Stadt attraktiv für sie ist", so die Geschäftsfrau. Außerdem würden viele ältere Mitbürger dem Nachwuchs gern von den Steinbänken am Rand des Platzes aus beim Spielen zusehen, für manche Urlauber seien sie sogar ein Fotomotiv. "Und von den Touristen haben auch wir etwas", so die Händlerin.
Zu wenig Konkurrenz
Etwas Bauchschmerzen hat Böhrer – was auf den ersten Blick paradox klingt – mit dem Schwund der Konkurrenz. Wenn nun auch der NKD schließe, sei ihr Laden bald das einzige Modegeschäft in der Stadt. "Das ist nicht gut, weil die Leute dann keine Auswahl mehr haben und gleich nach Weißenburg, Ingolstadt oder Nürnberg fahren", prophezeit sie.
Dazu kommt der Preisdruck im Internet. "Da schimpfen die Leute über das Ladensterben, aber dann kaufen sie anderswo oder bei Amazon." In den Umbau ihres Geschäfts hat Böhrer viel Geld und Zeit gesteckt – um nach nicht einmal zwei Monaten wegen Corona wieder zusperren zu müssen. Erst jetzt kehrt langsam wieder Leben in den Laden zurück.
Noch schlimmer hat es das "Hollberg" getroffen. Drei Wochen vor dem Lockdown hatte Inhaber Johannes Hollberg das neue Burger- und Steakrestaurant in den Räumen des ehemaligen Uhren- und Schmuckgeschäfts Straßner eröffnet. "Das war ein Schock", erinnert sich der 29-jährige Gastwirt. Doch die Gäste der ersten Stunde blieben treu, und seit den Lockerungen der Corona-Beschränkungen haben neben den Treuchtlingern auch die Wohnmobilisten und die Mountainbike-Szene das familiäre Restaurant mit ayurvedischer Küche für sich entdeckt.
Zum Treffpunkt geworden
Die Außenbewirtung des "Hollberg" und der benachbarten Eisdiele sind auf dem neuen Wallmüllerplatz ein wichtiges Element, das "Leben in die Bude" bringt. "Für Treuchtlingen ist der Platz eine Bereicherung", bestätigt Johannes Hollberg. Der "Walli" sei "zu einem echten sozialen Treffpunkt geworden". Das spüren auch weitere Geschäfte am Platz, wie etwa die seit 2012 an der Stirnseite ansässige "Ansichtssache" (Augenoptiker), die 2013/2014 an der Ecke zur Luitpoldstraße neu gebaute Raiffeisenbank, die traditionsreichen "Wallmüllerstuben" oder der gerade erst im ehemaligen Laden von Jutta Böhrer neu eröffnete, aber schon sichtlich gut frequentierte Barber-Shop "Kingsman".
Wohl am meisten mit der Krise zu kämpfen hatte und hat allerdings nach wie vor die Reisebranche. Edwin Engeler vom gleichnamigen Reisebüro und Busunternehmen kann ein Lied davon singen. "Wir hatten nicht nur keinen Umsatz, sondern mussten sogar Einnahmen zurückerstatten. Unsere Kunden sind sehr verunsichert", erzählt er. Von rund 100 geplanten Busreisen hätten seit Anfang März nur zehn stattgefunden. Trotzdem sei sein Team aktuell "unter der Berücksichtigung der besonderen Situation schwer in der Planung für nächstes Jahr".
Umbau war umstritten
Die neue Stadtmitte findet Edwin Engeler "sehr gelungen" – nicht nur den Wallmüllerplatz, sondern auch die verkehrsberuhigte Bahnhofstraße. "Das verbindet den Platz mit den Läden auf der anderen Seite", sagt der Reiseunternehmer – auch wenn die Durchfahrt zwischen den großen Pflanzkübeln für die eigenen Busse noch mühseliger geworden sei, wie er augenzwinkernd hinzufügt.
Treuchtlingens Mitte: Der Wallmüllerplatz im Wandel der Zeit
Insgesamt musste die Stadt Treuchtlingen für den Umbau des Wallmüllerplatzes, der Bahnhofstraße und des nahen Partnerschaftsplatzes (samt Leitungsbau der Stadtwerke) rund zweieinhalb Millionen Euro berappen. 80 Prozent davon erhielt sie aus Mitteln der Städtebauförderung sowie vom Freistaat zurück, sodass das Projekt mit gut einer halben Million Euro an Eigenmitteln aus Sicht der Kommune ein regelrechtes Schnäppchen war. Immer wieder war die Planungsphase allerdings von politischen Scharmützeln im Stadtrat begleitet gewesen, die sich insbesondere um Notwendigkeit und Nutzen des Vorhabens drehten.
Noch etwas stiefmütterlich angenommen wirkt heute, zwei Jahre später, der Partnerschaftsplatz. Ihm fehlt das Leben, viele Bürger bedauern den Verlust der vormals dichten Begrünung, und an heißen Tagen ist die Fläche oft recht staubig.
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