U-Bahn-Fahrer zum Warnstreik: "Auch während Corona berechtigt"

9.10.2020, 14:07 Uhr
 Gähnende Leere heute Vormittag an U-Bahn-Haltestellen im Nürnberger Hauptbahnhof. Verdi hatte erneut zu Warnstreiks im ÖPNV aufgerufen.

© Bauernfeind/news5  Gähnende Leere heute Vormittag an U-Bahn-Haltestellen im Nürnberger Hauptbahnhof. Verdi hatte erneut zu Warnstreiks im ÖPNV aufgerufen.

Wie lange sind Sie schon als U-Bahn-Fahrer tätig?

Nachdem ich eine entsprechende Ausbildung bei der VAG Nürnberg absolviert habe, werde ich seit vier Jahren als U-Bahn-Fahrer eingesetzt.

Wie hätte Ihr Arbeitstag heute ausgesehen?

Mein Dienst hätte um 4 Uhr begonnen. Da wäre ich normalerweise gegen 2.30 Uhr aufgestanden und dann zu einer der Außenstellen des U-Bahn-Netzes wie Langwasser Süd oder Fürth Hardhöhe gefahren, wo die Züge nachts abgestellt werden. Dort nimmt man seinen Zug in Betrieb, kontrolliert, ob alles passt, und dann warten bereits die ersten Fahrgäste am Bahnsteig.

Zu dieser frühen Tageszeit wäre Ihr Job aber noch relativ entspannt gewesen, oder?

Klar, aber wenn gegen 6 Uhr der Berufsverkehr einsetzt, muss es wirklich schnell gehen. Dann verkehren die Züge im Innenstadtbereich im Drei-Minuten-Takt, und es darf wirklich nichts passieren. Bei Verzögerungen oder Störungen stauen sich die darauffolgenden Züge sofort, und das ist dann schon stressig.

Und was haben Sie heute vormittag statt Ihres Frühdienstes gemacht?

Ich bin zuhause geblieben.

Sie waren also nicht irgendwo auf einer Kundgebung unterwegs.

Darauf hat Verdi aufgrund von Corona verzichtet. Das wäre ja kontraproduktiv und gäbe ein negatives Bild in der Öffentlichkeit ab, wenn möglicherweise Aufnahmen von Streikenden ohne Mund-Nasen-Schutz und ohne ausreichenden Abstand zueinander auftauchen würden.

Was verdienen Sie eigentlich als U-Bahn-Fahrer?

Mein Grundgehalt liegt bei 1700, 1800 Euro netto, mit den Zuschlägen komme ich auf etwa 2000 Euro.

Fühlen Sie sich leistungsgerecht bezahlt? Sie haben ja ein nicht zu unterschätzendes Maß an Verantwortung in Ihrem Beruf.

An der Verantwortung gemessen ist das auf alle Fälle zu wenig. Für mich persönlich reicht es, denn ich bin nicht verheiratet und habe keine Kinder. Deshalb finde ich auch die Stoßrichtung der Gewerkschaft richtig, die in erster Linie eine Entlastung der Mitarbeiter im öffentlichen Nahverkehr erreichen will. Das brennt uns aktuell mehr auf den Nägeln. Man darf nicht vergessen, dass das Personal im Öffentlichen Personennahverkehr in Deutschland ein relativ hohes Durchschnittsalter hat. Viele Kollegen von mir sind bereits deutlich über 50.

Wie viele Stunden arbeiten Sie pro Woche?

Wir haben eine 38,5-Stunden-Woche, aber es kommen natürlich auch mal Überstunden dazu. Da muss man an seinem eigentlich freien Tag hin und wieder einspringen, wenn zum Beispiel eine Grippewelle rumgeht.

Können Sie diese Überstunden auch irgendwann mal wieder abbauen?

Dieses Jahr hatten wir wegen Corona den Ausnahmefall, dass wir im März und im April tatsächlich Überstunden abfeiern konnten. Ansonsten ist das zwar grundsätzlich möglich, aber nicht wann man das will und wie man das will.

Manche Menschen haben angesichts der Corona-Pandemie wenig Verständnis für die derzeitigen Warnstreiks im ÖPNV und im öffentlichen Dienst. In dieser Krisenzeit müsse jeder zurückstecken – was sagen Sie zu solchen Aussagen?

Da bin ich geteilter Meinung. Auf der einen Seite sage ich, dass unsere Forderungen und unsere Streiks berechtigt sind. Auf der anderen Seite kann ich durchaus den Unmut eines Arbeitnehmers nachvollziehen, der vielleicht seit März in Kurzarbeit ist oder dessen Job vielleicht sogar in Gefahr ist.

Glauben Sie, dass sich die Tarifparteien bald einigen werden? Oder wird der Arbeitskampf noch einige Zeit weitergehen?

Nach meiner persönlichen Einschätzung wird die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) wohl noch eine gewisse Zeit an ihrer Blockadehaltung festhalten. Wenn sie Verhandlungsbereitschaft signalisiert, dürfte es auch keine Streiks in diesem Ausmaß mehr geben. Unser Live-Ticker zum Nachlesen:

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