Umweltminister Glauber: "Ohne neue Windräder geht es nicht weiter"

10.5.2021, 10:08 Uhr

Aktuell kann es der Politik nicht schnell genug gehen mit Energiewende und Klimaschutz. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will das Land 2040 klimaneutral aufgestellt wissen. Sein Umweltminister Thorsten Glauber überarbeitet gerade das Klimaschutzgesetz. Dass er die umstrittene Abstandsregeln für Windkraftanlagen kippen will, empört allerdings die CSU. Ein Gespräch über Ansagen und freiwillige Schritte.

Wie wollen Sie das Ende der 10H-Regel erreichen, wenn Sie nicht einmal in Ihren eigenen Reihen den Rückhalt dafür haben? Ihr Fraktionschef Florian Streibl hat Korrekturen abgelehnt.

Wir brauchen Dynamik beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Meine Fraktion steht hinter mir. Wir haben noch in der Opposition selbst vor dem Verwaltungsgerichtshof gegen 10H geklagt. E wäre merkwürdig, wenn wir jetzt davon nichts mehr wissen wollten.

Streibl hat darauf verwiesen, dass der Koalitionsvertrag die 10H-Regel festschreibt.
Das stimmt. Aber die Lage hat sich verändert. Der Klimawandel schreitet voran und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts fordert die klare Maßnahmen. Darüber müssen wir diskutieren und überlegen, wie wir einen substanziellen Beitrag leisten können. Dazu zählt die Windkraft.

Söder und die CSU lehnen das ab. Wie wollen Sie sich durchsetzen?
Wir müssen überzeugen, dass es ohne einen Zubau bei der Windenergie nicht funktionieren kann. Das 10H-Gesetz ist in der Praxis sehr wirkmächtig. Wir müssen aber handeln. Wenn wir den Klimaschutz wirklich voranbringen wollen, müssen wir mit allen Elementen arbeiten.

Windkraftgegner argumentieren regelmäßig, Bayern sei für Windenergie ohnehin nicht geeignet, weil der Wind hier nicht ausreiche. Haben sie nicht recht?

Das muss man sicher für jeden Standort diskutieren. Fakt ist aber, dass mit der 10H-Regel sehr viele Projekte grundsätzlich gestorben sind. Wären sie nicht rentabel gewesen, hätte man sie nicht geplant. Das belegt, dass Windkraft auch bei uns funktioniert. Wir müssen die Menschen wieder mitnehmen und sie überzeugen.


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Wie wollen Sie das erreichen?

Indem wir die Diskussion nicht sofort emotional aufheizen. Genau das passiert gerade. Ich bedauere das. Denn wir erleben den Klimawandel hautnah. Wir haben Tropennächte, wir haben Hitzetage, wir haben Trockenheit, wir sehen den Rückgang der Vegetation. Es gibt nur eine Lösung: Wir diskutieren sachlich alle unsere Möglichkeiten.

Und wenn die Menschen vor Ort nicht wollen?

Ich will sie mitnehmen und einbinden. Das war mir immer wichtig. Ich habe meine Diplomarbeit über erneuerbare Energien geschrieben. Bürgerbeteiligung ist der wichtigste Aspekt. Das ist nicht immer einfach bei den Vorbehalten, die unterwegs sind. Denken Sie nur ganz aktuell an die Diskussion über das Thema Infraschall. Wir müssen aufklären.

Und jetzt wie weiter?

Ich habe meine Haltung zur Windenergie nie verändert. Es stimmt zwar, dass die 10H-Regelung im Koalitionsvertrag ausgenommen ist. Aber ich bleibe dabei: Die Lage hat sich verändert. Und deshalb müssen wir das neu diskutieren.


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Wenn Sie scheitern, wie wollen Sie dann den Ausbau der Windkraft voranbringen? Ihr Parteifreund Hubert Aiwanger schickt sogar Windberater los. Trotzdem entsteht kein einziges neues Windrad.

Es ist lobenswert, was Hubert Aiwanger macht. Die Windkümmerer nehmen die Kommunen an die Hand und gehen mit ihnen den Weg der Bürgerbeteiligung. Das müssen wir weiter tun. Daneben steht das so genannte Repowering. Wenn die Anlagen nach 20 Jahren aus der Förderung fallen, müssen wir darüber reden, wie sie sich sinnvoll erneuern lassen. Und wir müssen sehen, was wir als Staat auf unseren Flächen hochziehen können. Ich möchte neue Dynamik auslösen. So könnten bis zum Ende dieser Legislatur gut 300 Windräder entstehen.

Das Repowering stockt. Warum?

Das Repowering unterliegt der 10H-Regel, die Anlagen gelten als Neubau. Deshalb klappt das nicht. Repowering muss aber möglich sein. Dafür müssen wir das Gesetz ändern. Das werde ich vorantreiben.

Söder will Bayern nicht erst 2050, sondern schon 2040 klimaneutral ausrichten. Wie soll das gehen?

Wir arbeiten seit einigen Monaten an einem Klimaschutzgesetz 2.0. Mit ehrgeizigen Zielen: 2040 soll Bayern klimaneutral sein. Bis 2030 wollen wir den Ausstoß von Klimagasen um mindestens 65 Prozent reduzieren. Es ist ein schlankes Gesetz, das wir mit einem großen Klima-Maßnahmenpaket hinterlegen. Dazu zählt beispielsweise eine Photovoltaikpflicht für Neubauten. Oder Klimaschutz auf 10.000 Hektar staatlichen Moorflächen. Oder eine klimaneutrale Staatsverwaltung bereits 2025. Wir wollen das Entwässern von Flächen bremsen. Wir pflanzen für jedes neugeborene Kind in Bayern einen Baum. Wir fördern kommunale Initiativen. Klimalotsen sollen die Kommunen einbinden. Und wir haben neue Sektorziele eingebaut. Der Staat muss jede Investition darauf überprüfen, ob sie mit dem Klimaschutz vereinbar ist. Und wir fördern die erneuerbaren Energien. Das wird Geld kosten, aber wir brauchen den Schub.


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Die CSU setzt auf Freiwilligkeit. Sie auch?

Anreize sind entscheidend Klimaschutz muss zum Mitmach-Projekt werden. Wir greifen aber durchaus ein. Die Pflicht für Photovoltaikanlagen auf den Dächern ist dafür ein gutes Beispiel.

Aber das allein reicht ja nicht. Wenn Sie die Verkehrswende wollen, müssen Sie massiv gegensteuern.
Sagen Sie mir, wie das aussehen soll? Sollen wir dem Bürger vorschreiben, wann er sich ein Auto kaufen und das benutzen darf?

Nein. Aber ich frage Sie, wie Sie Ihre Ziele erreichen wollen. Ich will nicht verbieten, sondern die Menschen mitnehmen, sie für die Idee gewinnen. Die Möglichkeiten sind ohnehin begrenzt, das Landesrecht gibt wenig Spielraum. Aber ich kann anschieben und unterstützen. Wo es möglich ist, tun wir das. Eine der wichtigsten Stellschrauben ist ohnehin der CO2-Preis. Der aber ist Sache der EU.

Wie nah sind Sie bei den Grünen? Die fordern einen CO2-Preis von 60 Euro.

Brüssel wird ihn anheben müssen, sonst lassen sich die Ziele in Europa nicht erreichen. Aber wir müssen die Transformation in der Mobilität, in der Industrie, in der Landwirtschaft gestalten. Wir wollen den Wirtschaftsstandort ja fit machen.


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Die Industrie signalisiert ständig, dass sie den Weg nicht mitgehen, sondern ins Ausland abwandern wird.

Man sollte diesen Transformationsprozess nicht mit falschen Forderungen behindern. Wir müssen die Wirtschaft im Gegenteil begleiten. Der Prozess läuft doch längst. In der Automobilindustrie etwa ist der Weg weg von den Verbrennungsmotoren klar beschrieben.

Läuft da gerade ein Überbietungswettbewerb beim Klimaschutz mit Blick auf die Bundestagswahl? Dass jeder grüner sein will als die Grünen? Ihre Partei will ja auch in den Bundestag einziehen.

Umweltminister Glauber:

© imago images/Hermann J. Knippertz

Ich nehme den Klimaschutz sehr ernst. Ich bin Ingenieur und ausgebildeter Elektriker. Erneuerbare Energien begleiten mich immer, im Beruf wie in der Politik. Ich bin Überzeugungstäter. Dazu brauche ich keine Grünen. Eine klimaneutrale Gesellschaft funktioniert nur über den technologischen Wandel. Noch ist nur der grüne Baum herzensfähig, der grüne technologische Wandel nicht. Das müssen wir ändern.

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