US-Truppenabzug in Vilseck: "Wir lassen die Menschen nicht im Stich"

31.8.2020, 05:56 Uhr
US-Truppenabzug in Vilseck:

© Foto: Timm Schamberger/dpa

Im Festsaal der Burg Dagestein hängt direkt neben der Fahne mit dem Stadtwappen von Vilseck das US-amerikanische Sternenbanner. Ein Symbol der Verbundenheit der Kommune mit den Mitbürgern aus den Vereinigten Staaten, mit und von denen die Einheimischen seit Jahrzehnten gut gelebt haben.


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Diese Verbundenheit mit "unseren Freunden aus Amerika" wird bei dem runden Tisch in der mittelalterlichen Anlage im Herzen Vilsecks von den Teilnehmern geradezu gebetsmühlenartig wiederholt. Nach der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, 9500 Soldaten aus Deutschland abziehen zu wollen, geht die Angst um in dem Städtchen am südlichen Rand des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr.

Weit über 10.000 Menschen könnten gehen

Etwa 4500 Angehörige der US Army und 9000 Familienangehörige sollen laut ersten Verlautbarungen aus Washington den Standort verlassen, rund 1000 weitere sollen aus Grafenwöhr abgezogen werden. Für den Landstrich in den Kreisen Amberg-Sulzbach und Neustadt an der Waldnaab wäre das laut Vilsecks Bürgermeister Hans-Martin Schertl ein schwerer Schlag – sowohl in wirtschaftlicher als auch in zwischenmenschlicher und kultureller Hinsicht.

Der Truppenübungsplatz sei ein großer Arbeitgeber für Zivilisten und ein Wirtschaftsfaktor für Handwerk, Baugewerbe, Einzelhandel und Gastronomie – und zwar im Umkreis von 20 bis 30 Kilometern. Würde das Worst-Case-Szenario tatsächlich eintreffen, dann stünden allein im Stadtgebiet von Vilseck 400 bis 500 privat vermietete Wohnungen leer, nennt Schertl ein Beispiel.


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Deshalb hatten sich nun Staatskanzlei-Chef Florian Herrmann und Finanzminister Albert Füracker (beide CSU) mit Kommunalpolitikern und Arbeitnehmervertretern aus der betroffenen Region getroffen und die Unterstützung des Freistaates zugesichert. "Wir lassen die Standort-Kommunen und die Menschen hier nicht im Stich", versprach Herrmann und verwies auf eine entsprechende Äußerung von Ministerpräsident Markus Söder unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Abzugspläne.

US-Truppenabzug in Vilseck:

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"Kein Grund zur Hektik"

Allerdings habe Trumps Entscheidung viele Variablen, die zum jetzigen Zeitpunkt noch unbekannt seien. Deshalb gebe es jetzt auch "keinen Grund zur Hektik und überstürzten Handlungen", sagte der Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten. Unter anderem habe die US-Regierung bisher überhaupt keine Zeitpläne, auf die man sich einstellen könnte. Und es sei auch noch überhaupt nicht absehbar, in welcher Form die Standorte von den US-Streitkräften weiter genutzt werden würden. Des Weiteren wurden auch noch keine Standorte genannt, wohin die betroffenen Einheiten hinverlegt werden sollen.

"Wir wollen aber auch nicht zuwarten und auf gute Zeiten hoffen, sondern uns Handlungsoptionen überlegen, um für den Fall der Fälle handlungsfähig zu sein", versprach Herrmann. Diese Strategie sollte nach Ansicht von Finanzminister Füracker in mehreren Stufen erfolgen.

Zunächst wolle man in den USA – unabhängig vom Ausgang der Präsidentschaftswahlen – dafür werben, die Abzugspläne ganz oder zumindest teilweise zu revidieren. "Es wäre unklug, den Eindruck zu erwecken, als würden wir uns mit dem Angekündigten abfinden", warnte das Kabinettsmitglied, das selbst in der Oberpfalz lebt. Man sollte nicht signalisieren: Ihr könnt ruhig gehen, wir machen dann halt was anderes. Vielmehr müsse man den Verantwortlichen in den USA immer wieder die Standortvorteile dieser Gegend vor Augen führen. "Wir sind eine soldatenfreundliche Region", betonte Füracker. Seit Jahrzehnten seien die Angehörigen der US-Armee gern gesehene Gäste und fest verwurzelt.

Bundeswehr könnte ihre Präsenz verstärken

Da Europa verteidigungsfähig bleiben müsse, könnten von einem möglichen Ausbau der Bundeswehr unter anderem die betroffenen Standorte in der Oberpfalz profitieren, brachte Florian Herrmann eine weitere Option ins Spiel. Schon jetzt haben Deutschlands Streitkräfte Liegenschaften im Umfeld des Truppenübungsplatzes eingerichtet und finanziert.

"Das Bundesverteidigungsministerium hat derzeit im Bereich Grafenwöhr Baumaßnahmen im Umfang von 119 Millionen Euro in Planung und wird auch weiterhin dort investieren", erklärte Thomas Silberhorn (CSU), Staatssekretär im Ressort von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Standorte Vilseck und Grafenwöhr stehen laut Silberhorn auch nicht als Ganzes in Frage, denn die USA halten selbst im schlimmsten Fall an der Nutzung des Truppenübungsplatzes fest.

Für Heimatstrategie geworben

Für Albert Füracker ist unabhängig von sicherheitspolitischen Überlegungen die Frage, wie man durch neue nichtmilitärische Arbeitsplätze Kaufkraft generieren könnte. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die Heimatstrategie der bayerischen Staatsregierung, die unter anderem mit Behördenverlagerungen strukturschwächere und demographisch benachteiligte Regionen unterstützt habe. "Gerade in den Landkreisen Amberg-Sulzbach und Neustadt an der Waldnaab ist schon vieles in dieser Hinsicht passiert", sagte der Finanzminister.

Bürgermeister Schertl erinnerte an die Tatsache, dass die nördliche Oberpfalz in den vergangenen Jahrzehnten schon zwei solcher Krisenszenarien erlebt habe: zum einen der Konkurs der Maxhütte in Sulzbach-Rosenberg mit dem Verlust von etwa 8000 Arbeitsplätzen, zum anderen die Umstrukturierung des WAA-Geländes bei Wackersdorf in einen Industriepark. Damals hatten sich bayerische Politiker mächtig ins Zeug gelegt, um große Arbeitgeber in die Region zu locken. "So etwas würden wir uns auch wünschen, damit bei uns nicht die Lichter ausgehen."

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