"Vorhof zur Hölle": Kliniken klagen über Patienten-Ansturm

13.2.2015, 10:48 Uhr
Schnupfen, Husten, Kopfschmerzen: Wen es erwischt hat, der sollte statt ins Büro zum Arzt gehen. Grippale Infekte verlaufen heuer teils sehr schwer.

© Philipp Schulze/Archiv (dpa) Schnupfen, Husten, Kopfschmerzen: Wen es erwischt hat, der sollte statt ins Büro zum Arzt gehen. Grippale Infekte verlaufen heuer teils sehr schwer.

Dr. Manfred Wagner ist seit Mitte der 1990er Jahre am Fürther Klinikum beschäftigt. So einen Ansturm an Patienten aber, die schwere Infekte der oberen Atemwege quälen, hat der medizinische Direktor noch nicht erlebt. In der Notaufnahme herrscht derzeit Hochbetrieb. Nicht immer wird gleich der Grippe-Test gezückt. Doch es seien auch Patienten darunter, "bei denen wir absolute Klarheit brauchen, um welche Form der Grippe es sich handelt, damit wir eine spezielle Therapie sofort einleiten können", sagt Chefarzt Harald Dormann.

Dafür verwenden die meisten Kliniken in der Region den sogenannten PCR-Test, der das Erbgut des Virus im Blut identifiziert. Er sei sehr genau und viel aufwendiger als der einfache Influenza-Schnelltest, erläutert Wagner. Doch der Hersteller, von dem die Fürther beziehen, könne die PCR-Grundlagen derzeit nicht liefern.

Zum Glück haben die Fürther ihre Labors gut ausgerüstet und deshalb noch Vorräte auf Lager. So kann das Klinikum weiter testen und vermelden, dass die echten Grippe-Fälle im Vergleich zu den Vorjahren nicht signifikant angestiegen sind.

Stationen sind voll

Ähnliches berichten Wagners Kollegen im Nürnberger Klinikum. Auch dort sind die Stationen voll mit Patienten, die Fieber, Husten und Atemnot von den Beinen geholt hat. Der Leiter der Notaufnahme sprach ob dieser Zustände gegenüber dem BR vom "Vorhof zur Hölle".

Kurzfristig sei man zu Wochenbeginn in Schwierigkeiten geraten, weil der Lieferant wegen technischer Probleme nicht in der Lage gewesen sei, die PCR-Tests herbeizuschaffen, räumt Klinikumssprecher Peter Petrich ein. Inzwischen sei der Engpass aber behoben. Ohnehin empfiehlt das Krankenhaus, erst den Hausarzt aufzusuchen.

Hans-Erich Singer, Sprecher der mittelfränkischen Hausärzte aus Mitteleschenbach im Landkreis Ansbach, jedoch betont, die Allgemeinmediziner würden diese Tests kaum anwenden: "Wir sehen die Notwendigkeit nicht. Wenn jemand die echte Grippe hat, erkennt man das sofort, die Zweifelsfälle sind eher selten." Deswegen sei die Laborausrüstung, die man bisher angeschafft habe, großteils noch vorrätig.

In der Oberpfalz dagegen waren die PCR-Tests nach Auskunft von Dr. Roland Brey vom Amberger Gesundheitsamt vergangene Woche allerorten aus. Die östlichen Regionen Bayerns hat die Grippe besonders hart getroffen; sie hat auf ihrem Weg aus Osteuropa hier zuerst Opfer gefordert. Rund 40 diagnostizierte Influenza-Fälle gibt es derzeit allein im Landkreis Amberg-Sulzbach.

Bayernweit liege die aktuelle Zahl bei 1489 Grippe-Erkrankten in den ersten fünf Wochen dieses Jahres, sagt Claudia Schuller, Sprecherin des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen. 620 Fälle davon seien in der ersten Februarwoche gemeldet worden. Im milden Vorjahr waren bis Anfang Februar nur 300 Fälle bekanntgeworden.

Heuer aber scheinen auch gewöhnliche Erkältungen schwerer zu verlaufen als üblich. An der Walter-Höllerer-Realschule in Sulzbach-Rosenberg etwa waren vergangene Woche zeitgleich fast 150 Schüler krankgemeldet, 25 Prozent der Lehrer fehlten.

Gesundheitsamtschef Brey schätzt, dass im Landkreis Amberg-Sulzbach über 1000 Menschen an der echten Grippe leiden. Es gebe eine hohe Dunkelziffer, da viele Krankheitsbilder nicht genauer untersucht würden.

Ministerium schweigt

Dass die Testgrundlage knapp wird, davon weiß man beim Erlanger Landesamt nichts. Das bayerische Gesundheitsministerium wiederum will dazu keine Stellung nehmen und verweist auf die Angaben der örtlichen Gesundheitsämter. Die Apotheken können zu dieser Frage nicht viel beisteuern: Sowohl Kliniken als auch Arztpraxen würden direkt beim Hersteller ordern, sagt Margit Schlenk, die Bezirkssprecherin der Landesapothekerkammer, die Apotheken in Nürnberg und Neumarkt betreibt.

Die Industrie indes weist Vorwürfe zurück, man produziere nicht genug. Man habe "Massen von Tests auf Lager", heißt es bei der Firma Tecomedical im nordrheinwestfälischen Bünde. Der US-Konzern beliefert auch Österreich und die Schweiz.

Das Würzburger Lager sei wieder geöffnet, versichert der Marketingleiter der Deutschlandniederlassung des amerikanischen Herstellers Ceipheid. Lediglich wegen einer Umstellung der EDV habe man zwei Tage lang nichts ausliefern können.

 

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