Warum zu viel Händewaschen der Haut schadet

24.11.2020, 05:46 Uhr
Gründliches Händewaschen zerstört die Hülle der Corona-Viren.

© Sina Schuldt/dpa Gründliches Händewaschen zerstört die Hülle der Corona-Viren.

Herr Maronna, können wir uns zu oft die Hände waschen?
Andreas Maronna: Alles, was über 15 bis 20 Mal am Tag hinausgeht, ist zu viel. Man wäscht die Hände nach dem Toilettengang klar, immer wenn man nach Hause kommt und auch vor jedem Essen. Aber alles, was zum Waschzwang übergeht, ist schädlich.

Andreas Maronna, Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten an der Uniklinik Erlangen.

Andreas Maronna, Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten an der Uniklinik Erlangen.

Warum schadet häufiges Händewaschen der Haut?
Maronna: Durch die Seife werden die natürlichen Fette aus der Haut gewaschen. Sie sind jedoch ein Teil unserer Hautbarriere und wichtig für die Abwehrfunktion. Häufiges Händewaschen schädigt über kurz oder lang diese Barriere und macht sie durchlässiger für Krankheitserreger. Man kann sich das vorstellen wie eine Backsteinmauer und die Seife spült den Mörtel dazwischen heraus. Dadurch können Substanzen von außen eindringen und Hautkrankheiten hervorrufen.

Trockene Haut fängt an zu jucken.
Maronna: Bei geschädigter Haut reagiert das Immunsystem und versucht sich gegen die Eindringlinge zu wehren. Es kriegt ein Signal: „Hier ist alles sehr trocken, wir werden womöglich angegriffen.“ Als Teil der Immunantwort werden dann Entzündungsreaktionen hochgefahren. Es juckt, damit wir mögliche Erreger oder Parasiten wegkratzen, das steckt evolutionsmäßig in uns drin. Schlecht ist es, wenn sich daraus ein Teufelskreis entwickelt und sich die Haut immer weiter entzündet und Ekzeme oder Ausschläge entstehen. Bei Neurodermitis-Patienten etwa, da ist die natürliche Schutzfunktion der Haut nicht so gut ausgebildet.

Aber grundsätzlich wäre unsere Haut in der Lage, sich selbst zu schützen?

Maronna: Genau! Eine intakte Hautbarriere wehrt im Prinzip alles gut ab. Auch Viren, Bakterien oder Pilze – auf intakter Haut tun die sich schwer. Sie brauchen eine Eintrittsstelle. Da reicht womöglich ein kleiner Riss, eine winzige Verletzung, wenn man Pech hat, dann können sie in die Haut eindringen.

Warum waschen wir uns dann überhaupt die Hände?
Maronna: Weil wir uns unbewusst alle ständig ins Gesicht fassen, in den Mund, die Augen, die Nase. Dadurch bringen wir die Erreger von unseren Händen an die Schleimhäute und das ist eine gängige Eintrittspforte für alle möglichen Viren und Bakterien, zum Beispiel auch die gängigen Erkältungsviren.

Wir fassen also in der U-Bahn an einen Griff, den bereits viele andere angefasst haben und langen dann mit ungewaschenen Händen in unser Gesicht?
Maronna: Ganz genau. Entweder übertragen wir die Viren direkt per Handschlag oder sammeln sie eben an Gegenständen auf. Wobei die Konzentration auf Oberflächen schon niedriger ist. Rein statistisch gehört also auch etwas Pech dazu. Beziehungsweise es ist eine Frage der Zeit, bis man sich etwas einfängt.

Ärzte müssen sich besonders oft die Hände waschen. Was machen Sie, um sich zu schützen?
Maronna: Wir desinfizieren uns die Hände. Bei modernen Desinfektionsmitteln wird die Hautbarriere weniger angegriffen, denn darin sind rückfettende Substanzen enthalten. Der Alkohol reizt zwar auch, aber gleichzeitig wird die Haut gepflegt. Während die Fette mit Wasser von der Haut gewaschen werden, werden sie bei der Desinfektion nur gelöst. Durch das Einreiben bleiben sie auf der Haut und werden wieder hinein massiert. Was das Beseitigen von Viren und Bakterien betrifft, ist das Desinfizieren dem Händewaschen mindestens gleichwertig.

Und beides zusammen?
Maronna: Das machen Ärzte und Pfleger nur, wenn die Hände richtig verschmutzt sind. Also wenn sie Kontakt zu etwas Klebrigem, Verdorbenem oder sogar zu Fäkalien hatten. Dann wird empfohlen, den gröbsten Dreck mit Papiertücher wegzuwischen. Anschließend Hände waschen, um Krusten oder ähnliches zu beseitigen. Und erst, wenn die Hände gut getrocknet sind, hilft desinfizieren. Sonst wird das Desinfektionsmittel verwässert und wirkt nicht mehr so gut. Für Otto Normalverbraucher ist das aber nicht nötig. Wenn sie vom Einkaufen nach Hause kommen langt entweder oder.

Dabei gibt es auch für zu Hause Reinigungsmittel, die Viren und Bakterien beseitigen sollen.
Maronna: Das ist im Alltag nicht nötig. Dieses Bakterien-Reduzieren auf Teufel komm raus, wie man es vor ein paar Jahrzehnten propagiert hat, wird heute nicht mehr empfohlen. Nicht einmal das Desinfizieren der Klobrille. Früher wurde sogar auf offene Wunden zehn Minuten lang ein mit Alkohol getränktes Tuch gelegt. Heute weiß man, dass man damit auch das natürliche Mikrobiom, also die normale, gute Flora auf der Haut und im Körper zerstört. Wir sind alle riesige Biotope, auf uns tummeln sich Millionen Bakterien und die gehören da auch hin. Sie sorgen dafür, dass schädliche Erreger besser in Schach gehalten werden.

Und beim Waschen? Etwa von Mund-Nasen-Schutz?
Maronna: Desinfizierende Waschmittel sind nicht nötig. Auch Corona-Viren lassen sich durch normales Waschen gut eliminieren. Die Seife zerstört die Virus-Hülle und dann sind sie nicht mehr infektiös. Da haben wir Glück im Unglück.

Welche Seife sollte man benutzen, wenn man sich häufiger die Hände wäscht als sonst?
Maronna: Es muss keine Kernseife sein und auch keine Handwaschpaste wie auf dem Bau, mit der die Haut richtig geschrubbt wird. Das braucht es alles nicht. Gut ist eine sensitive Seife, die manchmal auch als Arztseife bezeichnet wird. Sie ist Haut-neutral, hat also den gleichen ph-Wert wie die Haut.

Und danach eincremen?
Maronna: Ja, danach zügig die Hände wieder eincremen. Aber ohne Konservierungsstoffe und am besten duftstofffrei, um nicht irgendwelche Allergien zu provozieren. Ein Hautarzt würde keine Ringelblumensalbe empfehlen. Es sollte ein Präparat sein, das gut rückfettet, aber nicht unangenehm auf der Haut ist, also nicht klebt und pappt, sonst benutzt es keiner. Gut sind Stoffe, die die Feuchtigkeit in der Haut halten, wie Urea, also Harnstoff, und Glycerin.

Verlernt die Haut dadurch, selbst ausreichend Fett zu produzieren?
Maronna: Nein, das ist ein Gerücht. Man kann die Hände nicht „überpflegen“. Im Gesicht geht das schon, da muss man aufpassen, dass man nicht zu viel und zu fettig aufträgt, was zu Akne-ähnlichem Ausschlag führen kann. Aber an den Händen ist das praktisch unmöglich. Selbst wenn Sie sich 20 Mal am Tag die Hände eincremen, sollte das nicht schaden.

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