Ausgestorbene Bachmuschel gefunden

16.7.2015, 05:00 Uhr
Ausgestorbene Bachmuschel gefunden

© Landschaftspflegeverband Mittelfranken

Mitte des 20. Jahrhunderts war die Bachmuschel noch keineswegs vom Aussterben bedroht, ganz im Gegenteil: Ihr Vorkommen in den fränkischen Gewässern war so zahlreich, dass sie als Tierfutter eingesetzt wurde. Eine Verschlechterung der Wasserqualität und der Ausbau der Gewässer sorgte jedoch binnen weniger Jahre für einen Rückgang um etwa 95 Prozent – mit der Folge, dass die Bachmuschel heute als streng geschützte Art auf der roten Liste steht.

Um die Jahrtausendwende häuften sich die Hinweise, dass die Bachmuschel vereinzelt wieder nach Franken zurückgekehrt ist. „Wir bekommen da Tipps aus der Bevölkerung, die Muschelschalen findet, aber auch von den Naturschutzbehörden oder vom Wasserwirtschaftsamt“, erklärt Claudia Beckstein. Sie ist beim Landschaftspflegeverband Mittelfranken für das Bachmuschelprojekt in der Region zuständig.

Gemeinsam mit der Regierung von Mittelfranken, der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts in Weißenburg, des Umweltministeriums und weiteren Projektpartnern engagierte sie die Biologin Ingrid Baurmann, um aktiv nach der Bachmuschel zu suchen. „Man sieht sie ja schließlich nicht auf den ersten Blick wie zum Beispiel einen Storch“, sagt Beckstein.

Sechs Gewässer untersucht

2008 und 2010 konnte das Projekt schon erste Erfolge im Felchbach und im Möhrenbach erzielen. Auch die Altmühl weist Bachmuschelvorkommen auf. Nun hat Ingrid Baurmann noch den Arbach bei Pleinfeld, den Nesselbach nördlich des Altmühlsees, die Westliche und Östliche Rohrach zwischen Wassertrüdingen und Treuchtlingen, den Schambach und die Anlauter bei Gersdorf untersucht.

Jeweils vier bis sechs Stellen der Bachläufe hat die Biologin von Juni bis September 2014 unter die Lupe genommen. Die Kosten von 5200 Euro wurden größtenteils durch das Umweltministerium getragen, 500 Euro steuerte der Landkreis mit seinem Natur- und Umweltprogramm bei.

Meistens wurde Baurmann enttäuscht. In der Westlichen Rohrach oberhalb von Hechlingen am See fand sie zwar Hinweise auf eine frühere Besiedelung, lebende Tiere gibt es dort aktuell aber keine. An der Wasser­qualität scheiterte es nicht, die hat sich durch die Installation moderner Kläranlagen in den vergangenen Jahrzehnten wieder deutlich verbessert. Daher hat Baurmann beispielsweise in der Westlichen Rohrach Steinkrebse und die Blauflügelige Pracht­libelle entdeckt, die als Indikatoren  für einen ausgeglichenen Lebensraum gelten.

Das Problem liegt wo anders. „Oft sind die Bachläufe von Hindernissen unterbrochen“, erläutert die Biologin. Dadurch wird die Wanderung von Fischen verhindert – und genau die sind für die Bachmuschel aber von essenzieller Bedeutung. „Wenn sich die Muscheln fortpflanzen, heften sich ihre Larven an bestimmten Fischarten fest“, weiß Ingrid Baurmann. „Die Fische fungieren also als eine Art Taxi.“ Das heißt: Keine Fische, keine Muscheln.

Ebenfalls von Nachteil für die Bachmuscheln ist die intensive Nutzung der Uferstreifen, zum Beispiel durch die Landwirtschaft. Dadurch fehlt oft eine Ufervegetation, die dem Gewässer Schatten spendet und so eine übermäßige Algenbildung verhindert. Noch dazu werden über die Acker­flächen Nährstoffe in die Gewässer geschwemmt.

In der Anlauter unterhalb von Gersdorf, fast an der Landkreisgrenze zu Eichstätt, machte Biologin Ingrid Baurmann dann erstmals einen vielversprechenden Fund von relativ neuen Bachmuschelschalen. Weiter flussaufwärts, an der Straße zwischen Nennslingen und Gersdorf, entdeckte sie endlich auch ein lebendes Exemplar. „Über die Größe des Bestandes lässt sich aktuell noch nichts sagen“, erklärt Baurmann. In den kommenden Wochen und Monaten wird der Abschnitt daher noch eingehender untersucht.

Potenzial ist da

Auch andere der untersuchten Bäche hätten Potenzial, stellt die Expertin fest. Es macht jedoch wenig Sinn, die Bachmuschel einfach dort auszusetzen und auf eine Wiederbesiedelung zu hoffen. „Erst wenn die Rahmenbedingungen stimmen, zum Beispiel Durchgängigkeit der Bachläufe oder Uferbeschattung, kann eine dauerhafte Besiedelung klappen“, erklärt Ingrid Baurmann.

Die Maßnahmen durchzusetzen ist nicht ganz leicht. Für einige Gewässerabschnitte ist das Wasserwirtschaftsamt zuständig, andere liegen im Zuständigkeitsbereich von Kommunen und Gemeinden und einige Uferbereiche wiederum sind in Privatbesitz. „Hier gibt es jedoch entsprechende Förderprogramme“, weiß Projektbetreuerin Claudia Beckstein vom Landschaftspflegeverband Mittelfranken. „Und die Gemeinden sind immer sehr erfreut über die Bachmuschel vorkommen. Sie wissen: Das ist etwas Besonderes.“

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