Auch in Weißenburg-Gunzenhausen wächst der Frust

Die Lehrer fühlen sich im Chaos alleingelassen

14.10.2021, 06:00 Uhr
Unzufrieden mit der Organisation des Schulalltags in Corona-Zeiten: Die beiden BLLV-Vertreter Margit Nothaft-Bucher und Markus Scharrer. Das Kultusministerium bereite die Schulfamilie oft nicht ausreichend auf Änderungen vor.

© Jan Stephan, NN Unzufrieden mit der Organisation des Schulalltags in Corona-Zeiten: Die beiden BLLV-Vertreter Margit Nothaft-Bucher und Markus Scharrer. Das Kultusministerium bereite die Schulfamilie oft nicht ausreichend auf Änderungen vor.

Die beiden lokalen Vertreter des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Margit Nothhaft-Buchner und Markus Scharrer, nehmen beim Pressegespräch kein Blatt vor den Mund. "Von uns wird professionelles Handeln erwartet, dann kann ich das doch auch von der Staatsregierung erwarten, oder?", fragt Scharrer. Man ahnt an seiner angriffslustigen Miene bereits zwei Dinge: erstens, wie er diese Frage selbst beantworten würde, und zweitens, dass seine diesbezüglichen Erwartungen offenbar enttäuscht wurden.

"Zu schnell zu viel"

Zusammen mit seiner Kollegin erzählt er gerne, was zu dieser Enttäuschung geführt hat. "Wir kriegen die Informationen über die Presse und werden dann mit der Umsetzung des Beschlossenen alleingelassen", ärgert sich Scharrer. Beispiel: der eine Woche vor Schulbeginn offiziell verkündete Wechsel von den "Nasenbohrertests" auf die Pooltests an Grundschulen. "Das war zu schnell und zu viel", fällt Nothhaft-Buchner ein klares Urteil.


Wie klappen die Pooltests in Gunzenhausen?


Am ersten Schultag der Kinder hätten sie die Einverständniserklärung der Eltern austeilen müssen, die spätestens zwei Tage später komplett unterschrieben vorliegen sollten. "Bei dem Thema, wo viele erst mal wissen wollen, worum es da eigentlich genau geht", so Nothhaft-Buchner. Also war man die ersten Schultage erst mal beschäftigt, sich mit einem medizinischen Verfahren auseinanderzusetzen und Eltern am Telefon die Details von Pooltests zu erklären, deren Funktionsweise man im Grunde auch nur aus einem mehrseitigen Informationsbrief des Kultusministeriums kannte. "Und das muss man schon noch mal klar sagen: Wir sind Pädagogen, wir werden seit Beginn der Pandemie aber mit immer mehr medizinischen Dingen betraut", erklärt Nothhaft-Buchner.

"Ist dann der Lehrer verantwortlich?"

"Wir beaufsichtigen jetzt Tests, kleben Etiketten auf Röhrchen, bestücken die Pools, melden die Daten zurück . . ." Dabei immer mit der Frage im Hinterkopf: Was passiert eigentlich, wenn was schiefgeht? Wenn ein Test im falschen Pool landet, das Etikett auf dem falschen Röhrchen pappt, ein Schüler im Chaos des Morgens den Test falsch macht? Nothhaft-Buchner: "Ist dann der Lehrer verantwortlich?!" Die beiden BLLV-Vertreter wissen, wovon sie sprechen. Nothhaft-Buchner ist nicht nur Leiterin der Fachgruppe Schulleitung im BLLV-Bezirksverband, sondern auch Direktorin der Weißenburger Grundschule. Scharrer ist nicht nur Kreisvorsitzender des BLLV, sondern auch Chef an der Weißenburger Mittelschule.

Der Frust sitzt tief

Und die beiden betonen, dass sie mit ihren Beschwerden über den Umgang mit Lehrern und Schülern auch in der Region nicht allein stehen. "Und es ist ja nicht so, dass wir sonst nichts zu tun hätten", erinnert Scharrer. "Wir müssen unterrichten, den Kindern etwas beibringen. Und das nach dieser so schwierigen Zeit." Jetzt wäre es besonders wichtig, sich den Kindern intensiv zu widmen und wieder Unterricht zu machen. Stattdessen gebe es neue Wirren um neue Testverfahren und wieder Chaos. "Das neue Schuljahr hat so begonnen, wie das alte aufgehört hat", sagt der Mittelschul-Leiter, und man merkt ihm die Frustration an. Die Lehrer fühlen sich ein gutes Stück weit im Stich gelassen.

Die Beschlüsse aus München würden ohne große Rücksprachen getroffen, dann kommentarlos vor die Tür gestellt und die Schulen mit der Umsetzung alleingelassen. Es geht auch um mangelnden Respekt von oben nach unten. "Ich kenne zwei Kollegen, die sind jetzt in die Knie gegangen. Die sind so weit, da haben die Ärzte gesagt, ihr müsst da raus, wenn ihr eure Rente noch erleben wollt", erzählt der Weißenburger Schulleiter. Denn die Lehrer würden mit vielen Problemen alleingelassen. Scharrer: "Es ist nicht so, dass da jemand in die Schulen kommt, uns ein neues Testverfahren vor Ort zeigt und für Fragen zur Verfügung steht." Nothhaft-Buchner: "Da gibt es schriftliche Ausführungen und ein Erklärvideo. Das war es dann."

Eltern warten vergeblich

Das Ergebnis dieses Vorgehens sei jede Menge Chaos. Zum Beispiel, weil die Rückmeldungen der Tests nicht ankommen. Eltern warteten mitunter auch im Weißenburger Land eine ganze Nacht lang vergeblich auf die Rückmeldung der Pooltests. Dabei war ihnen gesagt worden, sie müssten ihr Mailpostfach dauerhaft im Blick behalten, weil sie bei einem positiven Ergebnis auf keinen Fall ihre Kinder am nächsten Morgen in die Schule schicken dürften. Der Ärger kommt lokal an Die über derlei Chaos genervten Eltern rufen aber selten in München im Ministerium an, wenn sie sich beschweren wollen. Stattdessen laden sie ihren Ärger in der Schule vor Ort ab, wo mitunter Menschen am anderen Ende der Leitung sitzen, die nicht minder genervt sind von dem Prozedere, es aber trotzdem verantworten müssen.

Scharrer sieht schwarz

Und das in einer Zeit, in der ohnehin die Lehrer an allen Ecken und Enden fehlen, betont Scharrer. Die derzeitigen Verhältnisse seien auch kaum die beste Werbung, um junge Menschen für den Lehrerjob zu begeistern. Speziell nicht an der Mittelschule, wo im Vergleich etwa zum Gymnasiallehramt auch deutlich schlechter gezahlt werde. "Was den Nachwuchs betrifft, sehe ich für meine Schulart im Moment wirklich schwarz", stellt Scharrer fest. Auch und weil es an einem wertschätzenden Umgang von oben nach unten mangele.

Die Bilanz der Lehrer im zweiten Corona-Schuljahr fällt also weiter alles andere als gut aus. Immerhin, der Wille zum Guten sei dem Kultusministerium ja nicht abzusprechen. "Die Pooltests zum Beispiel sind einfacher für die Kinder, das ist schon okay", sagt Margit Nothhaft-Buchner. Aber man habe es halt überstürzt. "Wir wollen in Bayern immer ganz schnell sein und glänzen", ärgert sich Scharrer. "Aber warum lässt man sich nicht drei, vier Wochen Zeit und macht es richtig?" Das wäre wohl ihr Appell nach oben. Eine bessere Kommunikation, strukturiertere Vorbereitung und Zeit, vor allem Zeit.

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