Dollnstein: Die Schäfer sind auf der Hut

10.7.2020, 16:51 Uhr
Dollnstein: Die Schäfer sind auf der Hut

© privat

Es ist das dritte Mal, dass das Tier im selben Waldgebiet in eine Fotofalle tapst. Ein junger Wolf, der anhand der Aufnahmen in Adelschlag am 22. Mai und am Folgetag auf einer Fotoaufnahme in Breitenfurt noch nicht hundertprozentig vom Goldschakal unterschieden werden konnte. Erst auf dem dritten Foto in einem Waldstück zwischen Dollnstein, Wellheim und Wasserzell reicht die Bildqualität aus, um mit Gewissheit zu sagen: Es gibt einen Wolf im Landkreis Eichstätt.

Aber auch Solnhofen im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen ist von dem Sichtungsort keine 15 Kilometer entfernt. "Für einen Wolf ist das keine Distanz", erklärt Jürgen Schweininger, Vorsitzender der Jägervereinigung Weißenburg. Sie können in einer Nacht problemlos 50 Kilometer und mehr zurücklegen. Alle Jäger in dem Gebiet wurden nach der Auswertung der Fotografie vom 15. Juni vom Landesamt für Umwelt über den endgültigen Nachweis in Kenntnis gesetzt. Sie sollen nun nach Hinweisen auf den Wolf – etwa gerissene Wildtiere oder Sichtungen – Ausschau halten. Nun werde zunächst das Verhalten des Wolfes beobachtet.

Wer hat ihn gesehen?

Noch wurde kein gerissenes Tier gefunden, und der Wolf gilt erst dann als standorttreu, wenn er ein halbes Jahr lang am gleichen Ort mehrfach nachgewiesen worden ist. Auch die Bevölkerung ist nun dazu angehalten, Hinweise auf den Verbleib des Wolfes an das Landesamt für Umwelt oder den zuständigen Jäger zu melden (siehe Infokasten).

Dass in den letzten zwei Jahren immer wieder angebliche Sichtungen eines Wolfes an den Bund Naturschutz gemeldet worden sind, sorgt indes beim Kreisgruppen-Vorsitzenden für Skepsis. Es gäbe derzeit keine gesicherte Information, "wo der Wolf denn herumstreunert", und insofern auch noch keinen Handlungsbedarf, erklärt Alexander Kohler. "Solange es noch keinen DNA-Beweis gibt, sind wir da sehr verhalten." Man beobachte deshalb die weitere Entwicklung mit Zurückhaltung und Interesse.

Speichelproben an einem gerissenen Reh könnten schon bald dieser Beweis sein. Ein solcher Fund würde dann weitere Mechanismen in Gang setzen: Denn gerissene Nutztiere werden mit den Mitteln eines Ausgleichsfonds ersetzt. Seit dem 31. April werden zudem Herdenschutzmaßnahmen vom Freistaat Bayern gefördert. In Gegenden, in denen nachweislich ein standorttreuer oder mehrfach reißender Wolf sein Unwesen treibt, sogar mit bis zu hundert Prozent. Schutzzäune für Weidetiere würden dann komplett gezahlt, Herdenschutzhunde mit bis zu 3000 Euro pro Hund bezuschusst.

Ein durchaus geeignetes Habitat

Insgesamt 225 Betriebe mit Schaf- und Ziegenhaltung gibt es laut Veterinäramt im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen. Sieben davon sind Berufsschäfer mit durchschnittlich rund 750 Mutterschafen. Insgesamt werden in der Region 12 766 Schafe und 857 Ziegen gehalten.

Die Beschaffenheit der Gegend sei eigentlich sehr komfortabel für einen Wolf, glaubt Jürgen Schweininger: "Das sind ja riesige Waldgebiete unterhalb von Dollnstein. Es gibt Wildschweine, es gibt Rehe und viel Weidetierhaltung."

Vermutet wird, dass es sich bei dem Eichstätter Exemplar um einen Jungwolf handelt, der eine Partnerin zu finden hofft. Er könne nun entweder in der nächsten Zeit weiterziehen. "Oder er findet jemanden, kriegt Nachwuchs – und dann hat man ein Rudel da", erklärt der Jäger.

Auf letzteres Szenario scheint auch schon der ein oder andere Schaf- und Ziegenhalter gekommen zu sein. Denn beim Landesverband Bayerischer Schafhalter musste man schon einige Anrufer aus den beiden Landkreisen vertröstet. Aktuell könne man noch keine Fördermittel beantragen, erklärt Geschäftsführer Martin Bartl auf Anfrage. Dies sei erst möglich, wenn das Wolfsgebiet bei Dollnstein in die Förderkulissen des Freistaats für die Errichtung von Zäunen oder die Anschaffung von Hunden aufgenommen worden ist.

Aktuell gibt es in Bayern fünf Gebiete mit standorttreuen Wölfen: den Veldensteiner Forst in Oberfranken, die Rhön, den Nationalpark Bayerischer Wald und den Truppenübungsplatz Grafenwöhr, die alle vom Landesamt für Umwelt zur Förderung ausgewiesen sind. Seit diesem Jahr gibt es außerdem im Manteler Forst im Landkreis Neustadt an der Waldnaab ein Wolfspaar. Darüber hinaus werden einzelne Zonen temporär gefördert, wenn ein Wolf dort mehrfach aktiv geworden ist. Das war beziehungsweise ist zuletzt im Raum Reit im Winkl südlich des Chiemsees der Fall.

"Aktuell müsste man als Schäfer noch alles aus eigener Tasche bezahlen und den ersten Riss ironischerweise abwarten", erklärt Bartl. Mittel zum Schutz sind etwa Elektrozäune, mobile Ställe oder Herdenschutzhunde. Wenn es dann aber ganz ungünstig läuft, errichtet ein Schäfer vielleicht an einem Tag teuer einen Zaun – und hätte diesen ein paar Tage später, wenn der Wolf aktiv geworden ist, gefördert bekommen.

 

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