„Ein Stück Island über Weißenburg“

7.11.2018, 13:13 Uhr
„Ein Stück Island über Weißenburg“

© Privat

Sie besteht aus 15 Mitgliedern, von denen immerhin fünf Menschen sind: Pia, Bernhard und ihre drei Kinder. Bei den restlichen Vogelgsangs handelt es sich um zehn bildschöne Islandpferde. Seit 2016 bewohnen sie alle zusammen ein altes landwirtschaftliches Anwesen zwischen Kehl und der Wülzburg. Bernhard Vogelgsang ist ein gut gelaunter, behutsamer, bodenständiger Mensch. Im warmen Singsang des Oberbayerischen erzählt er über sich, seine Familie und wie es den slandpferdehof Hesthólar nach Kehl verschlug.

Bei den Vogelgsangs kamen Island und die Pferde vor den Kindern. Genaugenommen sind Island und die Pferde der Grund, warum es die Kinder überhaupt gibt. Pia liebte zunächst das Land, dann die Pferde. Bei Bernhard war es genau umgekehrt. Sie ging nach dem Abitur für einige Monate auf die Insel, knüpfte Kontakte, lernte die Sprache und das Reiten. Er kam durch seine Familie früh mit den Pferden Islands in Kontakt und lernte über die Tiere das Land schätzen. Bei soviel gemeinsamen Interessen kein Wunder, dass Pia und Bernhard zueinander fanden, als sie in einer Einrichtung für Kinder arbeiteten und ein Paar wurden. Ein pferdeverrücktes Paar.

Von Kehlheim bis Kehl

Eines, das sich vor gut zwei Jahren nach einer neuen Bleibe umschauen musste, als man das alte Anwesen bei Kochl verlassen musste. „Wir wollten eigentlich in der Gegend da unten bleiben, aber das war finanziell nicht möglich und dann sind wir irgendwie beim Altmühltal gelandet“, erzählt Bernhard Vogelgsang. In Kehlheim haben sie das Suchen begonnen, in Kehl wurden sie schließlich fündig.

„Ein Stück Island über Weißenburg“

© Jan Stephan

„Wahnsinn, wie schön das hier ist“, zeigt sich der Hausherr heute immer noch begeistert. Stolz zeigt er den Freilauf-Stall, der direkt mit den Weiden verbunden ist, den Seminarraum, die Sattelkammer . . . Der Blick geht von hier oben an der Island-Flagge vorbei, weit hinunter ins Niederho­fener Tal. Und da an diesem Herbsttag das Licht noch besonders skandinavisch daherkommt, würde es einen nicht weiter wundern, wenn jetzt irgendwo ein Geysir in Gischt explodiert.

Dass die Pferde zur Familie gehören, mag für manchen eigenwillig klingen, für die Vogelgsangs ist es ganz selbstverständlich. Und es bedeutet auch nicht, dass die Pferde neben dem Frühstückstisch der Familie stehen, aber man kümmert sich auf Hesthólar nicht deshalb um die Tiere, weil man sie für etwas braucht, sondern weil man sie mag. Dass man mit den Pferden auch etwas tun kann, was von Nutzen ist, ist erfreulich, aber nicht der Grund, weswegen sie hier sind. „Die Tiere sind für uns kein Sportgerät“, stellt Bernhard Vogelgsang fest. Auf dem Hof gibt es zwar Reitstunden, aber dabei dreht es sich mehr um ein gelingendes Miteinander zwischen Mensch und Tier, als um Leistung. „Man kann Pferde mit Zwang zu recht vielen Dingen bringen, aber das wollen wir nicht“, erzählt Pia. Auf Hesthólar sollen eher die Tiere dem Menschen etwas beibringen als umgekehrt.

Pädagogik mit Pferd

Und deswegen bietet der Hof nicht nur Erlebnispädagogik mit Reiten, Wandern und Basteln, reitgestützte Früherziehung oder eine Pferdegruppe für Frauen, sondern auch heiltherapeutisches Reiten. „Das Pferd ist dabei ein Türöffner, ein Katalysator“, erklärt Bernhard Vogelgsang. „Es geht um Nähe und Distanz, darum eine soziale Verbindung herzustellen, sich mit jemandem auseinanderzusetzen.“ Auf den Hof kommen unter anderem auch Kinder mit ADHS, mit Behinderungen und mit anderen Problemen.

„Ein Stück Island über Weißenburg“

© Jan Stephan

Der Kontakt mit den Tieren hilft ihnen, ruhig zu werden, sich zu konzentrieren und die Gegenseitigkeit des Sozialen zu lernen. Denn ein Pferd reagiert emotional ähnlich auf Zuwendung wie ein Mensch, nur dass es nicht so unerhört kompliziert, dafür sehr direkt ist. Ist man nett zu einem Pferd, dann ist es in aller Regel nett zu einem selbst, Dann folgt es den Anweisungen eines Menschen auch, obwohl es stärker und schneller als er ist.

Wie sehr die beiden die pädagogische Arbeit mit Mensch und Tier schätzen, kann man ihnen ansehen, wenn man sie dabei beobachtet. Behutsam spricht Bernhard Vogel-gsang mit einem Kind und bereitet zusammen mit ihm ein Pferd fürs Reiten vor. Es ist offensichtlich, dass das Tier dem Kind gut tut. Es wird ruhiger, es ist stolz, wenn das Tier tut, was es ihm sagt. Das Kind darf für eine Stunde Teil einer erfreulich unkomplizierten und funktionierenden sozialen Beziehung sein und es lächelt sehr viel in dieser Stunde. Pia Vogelgsang gibt derweil eine normale Reitstunde. Auf dem Reitplatz leitet sie eine Jugendliche an, gibt Hinweise, macht Scherze, lacht.

Der Pferdehof Hesthólar ist in Kehl noch in seinen Anfängen, die Familie lebt auch nicht von ihm. Bernhard arbeitet im Kinderheim in Gersdorf als Erzieher und Pia Vogelgsang ist in Elternzeit. Ihre Aktivitäten auf Hesthólar dienen vor allem dazu, den Unterhalt der Pferde zu sichern. Eines Tages aber, so ist zumindest der Traum der beiden, soll das Stück Island bei Weißenburg aber zumindest einem von beiden Lohn und Brot bescheren. Dann sollen Seminare stattfinden, eine Übernachtungsmöglichkeit entstehen, Wanderungen, Reitgruppen … Träume für die Zukunft. Derzeit sind die Vogelgsangs mit ihrer ganz persönlichen Kehler Island-Insel aber auch in der Gegenwart schon recht zufrieden.    

Weitere Informationen zu dem Hof und seinem Angebot auf der
Homepage www.islandpferde-hestholar.de.

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