Komplett neu aufgestellt

Eine Revolution im Weißenburger Jugendamt

22.10.2021, 11:51 Uhr
Eine Revolution im Weißenburger Jugendamt

© Jan Stephan, NN

„Das wird eine Riesenbehörde in der großen Behörde Landratsamt“, prognostizierte Jugendamtsleiter Stefan Lahner. „Und eine Mega-Herausforderung“, ergänzte seine Mitarbeiterin Britta Liegl.

Tatsächlich entstehen nicht nur eine ganze Reihe neuer Zuständigkeiten, die an den Kreisjugendämtern angesiedelt sind, es wandern auch bestehende Aufgaben vom Bezirk Mittelfranken ans Weißenburger Landratsamt. Und all das in erheblichem Umfang.

Mancher Kreisrat dürfte ein wenig Magengrimmen bekommen haben, als er den Details der neuen Aufgaben lauschte. Denn es geht um etliche neue Stellen, die geschaffen, finanziert und nicht zuletzt besetzt werden müssen. Dazu kommt, dass man sich im Landratsamt schonmal langsam Gedanken darüber machen dürfte, wo man denn die neuen Kollegen in den bereits bestens gefüllten Gebäuden unterbringen will. Die hartnäckigen Gerüchte, dass es Ideen für einen zusätzlichen Neubau des Landratsamts gebe, bekommen dadurch neue Nahrung.

Ein wenig Zeit bleibt

Auch Landrat Manuel Westphal (CSU) sprach in der Sitzung von einer gewaltigen Herausforderung. Er verwies aber auch darauf, dass man noch etwas Zeit hat. 2028 zündet die letzte Stufe des Reformprozesses. Bis dahin gilt es aber nicht nur die notwendigen Strukturen zu schaffen, sondern parallel bereits erste Neuerungen Stück für Stück umzusetzen.

„Mir war es wichtig, dass Sie das jetzt mal hören und Bescheid wissen“, sagte Westphal. „Mir müssen jetzt erstmal selber auf weitere Details warten, dann werden wir im Ausschuss wieder informieren.“ Das Thema dürfte in den Kreisgremien in den kommenden Jahren wohl zum Dauergast werden.

Hintergrund der umfangreichen Reform ist ein seit Jahren andauernder Diskussionsprozess. Aus der Fachwelt gibt es seit langem bereits die Forderung, das SGB VIII grundlegend neu aufzustellen. „Das geht allerdings schon so lange, dass ich da zwischenzeitlich selber nicht mehr so richtig dran geglaubt habe“, stelle Stefan Lahner im Ausschuss fest. Dass es nun zum einen so schnell ging und zum anderen ein sehr ambitionierter Entwurf ist, hat viele überrascht.

Im Weißenburger Jugendamt ist man mit den großen Linien der Gesetzesreform sehr zufrieden, wie Lahner, Liegel und Kollegin Susanne Ott unisono versicherten. Viele der Neuregelungen seien sinnvoll, richtig und wichtig. Das ändere allerdings nichts daran, dass es eine Menge Arbeit bedeute, die Behörde Stück für Stück neu aufzustellen.

Die wohl wesentlichste Umstellung: ab 2028 soll bei der Zuständigkeit für die Jugendhilfe nicht mehr zwischen Kindern mit und ohne Behinderung unterschieden werden. „Wenn ein Kind ein Probleme hat und bei einem IQ-Test mit 71 abschneidet, dann waren bislang wir zuständig, wenn es mit 70 abschneidet, dann galt es als geistig behindert und der Bezirk war zuständig“, erklärte Britta Liegel. Das sei Eltern und anderen Betroffenen kaum zu erklären, weil sich in der Praxis dadurch oft völlig unterschiedliche Herangehensweisen ergeben hätten.

Deutlich mehr Fälle

Konkret bedeutet das für das Weißenburger Jugendamt allerdings, dass sich die Zahl der Fälle, für die es zuständig ist, fast verdoppeln könnten. Beim Bezirk Mittelfanken würde derzeit die Jugendhilfe für rund 9000 Kinder und Jugendliche mit Behinderung in Mittelfranken abgewickelt. Etwa 500 davon seien aus Weißenburg-Gunzenhausen, hieß es im Ausschuss. In den vergangenen Jahren betreute das hiesige Jugendamt etwa 600 Fälle pro Jahr.

In welchen Dimensionen man hier unterwegs ist, zeigt auch, dass bei der Bezirksverwaltung rund 40 Vollzeitstellen mit dem Thema beschäftigt seien und rund 90 Millionen Euro an Mitteln im System stecken. Geld und Jobs, die im Zuge der bundesweiten Reform nun in die Fläche zu den einzelnen Jugendämtern wandern sollen.

Das aber sind nicht die einzigen zusätzlichen Aufgaben. Die Reform hat auch eine Stärkung der Rechte der Kinder und Jugendlichen in der Jugendhilfe zum Ziel. So müssen für jedes Kind in Pflegefamilien ab sofort individuelle Schutzkonzepte erstellt werden. Außerdem muss eine Struktur eingerichtet werden, die es den Kindern ermöglicht Missstände in ihren Pflegefamilien zu melden und sich zu beschweren.

Darüber hinaus wurden die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Jugendhilfe für junge Erwachsene gelockert. Auch Volljährige könnten nun länger Unterstützung vom Jugendamt bekommen beziehungsweise auch nach einer Phase der Autonomie wieder in Programme zurückkehren.

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