Sozialkaufhaus gefährdet

23.11.2010, 07:59 Uhr

Das Schreiben, um das es geht, ist ziemlich genau drei Jahre alt und nennt sich „Kompromiss“. „Die Zahl der in der Einrichtung tätigen AGH-Kräfte wird deutlich verringert“, findet sich unter Punkt fünf. Dahinter der Zusatz: „Diese Bedingungen sind für den Träger DEB verpflichtend.“ Das Bamberger DEB (Deutsches Erwachsenenbildungswerk) steht mit seiner gemeinnützigen sozialen Dienstleistungs GmbH hinter den Weißenburger Diensten. Involviert in den Kompromiss waren auch die Alg-II-Arbeitsgemeinschaft im Landkreis (Arge) und der Weißenburger
Gebrauchtwarenhändler Rainer Lehner.

Doch offenbar hat die Einrichtung in der Augsburger Straße die Vorgabe des Papiers in Bezug auf die Zahl der Beschäftigten nicht eingehalten. „Die Zahl ist schwankend, aber durchgehend hat sie sich sicher nicht verringert“, räumt Rudolf Wegerer, der Geschäftsführer der Arge, auf mehrmalige Nachfrage im Gespräch mit dem Weißenburger Tagblatt schließlich ein. Vorher hatte er noch gesagt: „Ich glaube schon, dass wir uns an die Übereinkunft gehalten haben“, und ein wenig später: „Wir sind an dieses Schreiben nicht gebunden.“

Das ist nun eine unangenehme Si­tuation für den Arge-Chef, mehr noch aber für die Weißenburger Dienste. Offensichtlich haben sie gemeinsam gegen einen Kompromiss verstoßen, der sozusagen Grundlage für ihre Betriebs­erlaubnis war. Denn: Nur, weil sich Arge, Dienste und Lehner auf den Fünf-Punkte-Kompromiss einigten, erteilte die IHK die sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigung. Ohne diese gibt es keine Arbeit mit AGH-Kräften – zumeist Ein-Euro-Jobber. Ohne Bescheinigung also keine Weißenburger Dienste, in der Form, wie es sie im Moment gibt.

Geschickt umgangen

„Es stand damals Spitz auf Knopf, ob wir gleich wieder zusperren müssen“, erinnert sich Rudolf Wegerer. Der Kompromiss war der Weg aus der Not. Mittlerweile ist das Papier offensichtlich nicht mehr viel wert. Gegen einen Punkt hat man verstoßen, zwei weitere wurden umgangen. Die Weißenburger Dienste machen jetzt zwar tatsächlich keine Entrümpelungen und Haushaltsauflösungen mehr,
da­für aber die Firma Secondo – eine ­Ausgründung der Weißenburger Dienste mit Sitz im selben Haus.

Lehners Rechtsanwalt Günter Kreißl hält von diesem Winkelzug nicht allzu viel. „Das umgeht das, was man eigentlich vereinbart hat“, sagte er auf Anfrage unserer Zeitung. Er werde seinem Mandanten raten, sich erneut an die IHK zu wenden. Ob die allzu viel Verständnis für das Vorgehen der Weißenburger Dienste hat, scheint fraglich. Zieht die IHK die Unbedenklichkeitsbescheinigung zurück, haben die Dienste ein Prob­lem.

„Natürlich ist das ein Risiko“, bestätigt Wegerer. Der Arge-Chef hofft nun: „Dass die IHK nicht Einzelin­teressen über das Gesamtinteresse stellt.“ Auch die Kammer habe eine Verant­wortung für den Arbeitsmarkt. Der springende Punkt ist, dass Ein-Euro-Jobber eigentlich nur Tätigkeiten ausüben dürfen, die keine private Firma anbietet oder die als zusätzlich erkannt werden. Eine Vorschrift, die problematisch ist. Welche Tätigkeit gibt es schon, die nicht zumindest von irgendeinem Hausmeister-Service erledigt werden würde? Rudolf Wegerer antwortet: „Wenn man das 1000-prozentig prüft, dann findet man vielleicht wirklich keine Stelle, auf die das zutrifft.“


Eine bittere Erkenntnis, die aber auch schon andernorts durchgesickert ist. Der Bundesrechnungshof (BRH) hatte zuletzt kritisiert, dass bei den Ein-Euro-Jobs die gesetzlichen Vor­gaben zu selten eingehalten würden, etwa, was die Wettbewerbsneutralität betrifft. Dass der BRH nicht mehr Konsequenz bei Argen und Arbeitsagenturen fordert, sondern anregt, die gesetzlichen Regelungen zu überar­beiten, spricht Bände. Vernünftige Arbeit für Ein-Euro-Jobber, die keiner auf dem freien Markt auch für eine normale Bezahlung machen würde, gibt es offensichtlich nicht.

Die Gesetzeslage verlangt also die Quadratur des Kreises von der Arge. Rainer Lehner ist das egal. Er will nicht mehr weiter akzeptieren, dass ihm, finanziert aus seinen eigenen Steuern, Konkurrenz gemacht wird. Die IHK darf sich jetzt an einem
salomonischen Urteil versuchen.