Uwe Sinn: Ruhiger Abschied aus turbulenter Amtszeit

3.5.2020, 05:57 Uhr
Uwe Sinn: Ruhiger Abschied aus turbulenter Amtszeit

© Archivfoto: Robert Renner

Wird man als Bürgermeister aus dem Rathaus gewählt, ist das ein bitteres Ende der Amtszeit. Dass Uwe Sinn (SPD) in Pappenheim nach zwölf Jahren seinen Schreibtisch räumen muss, war aber keine Überraschung. Das Rennen zwischen ihm und Herausforderer Florian Gallus (CSU) galt als offen.

Einen guten Monat nach der Kommunalwahl sitzt Uwe Sinn in seinem Büro. Viele Arbeitstage hat er hier nicht mehr. Der Blick geht aus dem Fenster, auf den Marktplatz und das benachbarte Schloss. Der scheidende Bürgermeister schenkt Kaffee ein und denkt darüber nach, wie er die erste Frage des Gesprächs beantworten soll. Wie fühlt man sich in den Minuten und Stunden nach so einer Niederlage?

Der Kaffee tröpfelt in die Tasse und es bleibt still. Uwe Sinn hört in sich hinein. Man hat den Eindruck, dass er sich diese Frage so noch gar nicht gestellt hat. Ja, wie fühlt man sich da eigentlich? "Gefasster als ich gedacht habe", sagt er. "Das ist ein komisches Gefühl und du schläfst schlecht, aber dann fängst du an, dich damit abzufinden. Ich bin recht bodenständig, ich habe das nicht gebraucht, ich bin nicht machtbesessen."

Die Demokratie ist fair, aber gerade deswegen auch hart. In welchem Beruf gibt es das schon, dass alle Mitglieder eines Unternehmens abstimmen, ob sie diesen oder jenen für den besseren Mann halten? In welchem Beruf entscheidet ein Tag, was man die nächsten gut 2000 Tage macht? Das ist der Reiz der Kommunalwahlen. Sie sind spannend wie ein Krimi. Auch wegen der Option zum Drama.

In Pappenheim kennt man sich mit Drama gut aus. Es gab keine Kommune, in der mehr gestritten wurde. Mit der Grafenfamilie, einer Bürgerinitiative, der evangelischen Kirchengemeinde, einzelnen Bürgern und vor allem mit dem Dreier-Bündnis im Stadtrat, das Opposition gegen Sinn und seine SPD machte. Am Ende waren es zu viele Gegner, die sich Sinn im Lauf von zwölf Jahren gemacht hatte.

Was man ihm vorwerfen kann und was nicht, ist Teil all dieser Streitereien. Was dem 55-Jährigen allerdings keiner ankreiden kann, ist mangelnde Leidensfähigkeit. Kein Bürgermeister wurde härter angegangen als er. Die Frage ist nur, ob Leidensfähigkeit eine gute Eigenschaft in diesem Beruf ist.

Die Fähigkeit zu leiden

In Pappenheim hat sie dafür gesorgt, dass sich die Querelen über zwei Amtszeiten hinweg streckten und zuletzt atmosphärisch nichts mehr zu retten war. Andere Politiker hätten früher die Konfrontation gesucht. Wie das ausgegangen wäre? Unklar. Aber es hätte schneller eine Entscheidung zwischen den Lagern gegeben.

Fragt man Sinn, ob er nicht auch ein bisschen Erleichterung spürt, dass all die harten Streitereien nun vorbei sind, schüttelt er den Kopf. "Nein, ich hätte das gerne noch mal gemacht." Man nimmt ihm das auf der einen Seite ab. Auf der anderen Seite wundert man sich, dass ihm all das nicht mehr an die Nieren ging. Aber vielleicht will er zum Abschied auch nur nicht zu viel jammern.

Man warf ihm öffentlich Lug und Betrug vor und er hat Gegner von solcher Erbittertheit, dass sie die Grenzten des guten Geschmacks überschreiten. Als Sinn nach der verlorenen Wahl aus dem Rathaus kam, ätzte ihm ein Bürger mit jubelnder Geste hinterher, dass man ihn nun endlich los sei. Das war zumindest nahe an der Grenze von Sinns Leidensfähigkeit.

Begibt man sich mit dem scheidenden Rathauschef auf Ursachenforschung, kommt er nur langsam in Fahrt. "Ich habe keine Analyse gemacht", sagt er zu der Wahlniederlage. Ein paar Erklärungsansätze hat er aber dann doch. "Vielleicht waren es zu viele Maßnahmen", denkt er laut nach. "Die drei Jahre Baustelle in der Deisingerstraße, das ganze Gestreite wegen der Straßenausbaubeitragssatzung . . . Da ist viel Porzellan kaputt gegangen."

Es ist eine der Wunderlichkeiten dieser zwölf Jahre Uwe Sinn in Pappenheim, dass es eine unerhört zerstrittene Zeit war, aber auch eine, in der beeindruckend viel passiert ist. Die Umgehung in Zimmern, die Bahnunterführung in Niederpappenheim, der Stadtentwicklungsprozess, der Beginn der Innenstadtsanierung, die Kneipp-Anlage, das Europäische Haus, der Ausbau des Freibads, der Abriss des Schinnerer- und des Lämmermann-Hauses samt Neunutzung, das Dorfgemeinschaftshaus in Osterdorf, die Modernisierung des Kanalnetzes ohne Ergänzungsbeiträge, das Seniorenwohnen im alten Bieswanger Schulhaus . . . All das gelang, während sich die finanzielle Lage der Gemeinde verbesserte. Auch, weil die Wirtschaftslage glänzend war.

Gepatzt hat Sinn aber immer wieder in der Kommunikation, wie er selbst einräumt. "Wenn die Ingenieure gesagt haben, das und das dauert sechs Monate, dann war ich so blöd und habe das gesagt. Wenn es dann ein Jahr gedauert hat, war ich schuld." Tragischerweise hat man als Beobachter den Eindruck, dass Sinn in seiner ersten Amtszeit zu leichtfertig optimistische Ansagen gemacht hat, die ihm später als Lüge und Verrat um die Ohren flogen. Und dass er in seiner zweiten Amtszeit zu sehr vor verbindlichen Zusagen und schriftlichen Übereinkünften zurückschreckte.

Ein neues Leben

Auch in der Verwaltung sei es ihm nicht gelungen, alle Handelnden hinter sich zu bringen, sieht er im Rückblick als einen der springenden Punkte. "Aber gut, da bin ich schuld, das ist meine Aufgabe als Bürgermeister", setzt er dann eilig nach. Er will einen Abschied ohne Streitereien. Aus dem Stadtrat hat er sich zurückgezogen, aber als Vorsitzender des Tourismusvereins würde er gerne weitermachen. "Grundsätzlich möchte ich mich weiter für Pappenheim einbringen."

Jetzt fängt für Uwe Sinn erst mal ein neuer Lebensabschnitt an. "Ich suche Arbeit", sagt der gelernte Bilanzbuchhalter. "Zehn, zwölf Jahre muss ich schon noch arbeiten und ich brauche das auch. Mir hat es immer Spaß gemacht, für meinen Arbeitgeber was zu erreichen." Nur dass das bald nicht mehr die Stadt und damit alle Bürger einer Gemeinde sind, sondern ein Unternehmen.

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