Viele Betreuer sind überfordert

17.4.2021, 06:29 Uhr
Viele Betreuer sind überfordert

© Foto: Miriam Zöllich

Die Gründe hierfür sind unterschiedlich, aber die gute Nachricht ist: Wer sich hilfesuchend an Awo oder Caritas wendet, wird auch Hilfe bekommen.

Ganz grundsätzlich gab es schon vor Corona zunehmend Probleme im Bereich der gesetzlichen Betreuungen. Wenn eine Person nicht mehr in der Lage ist, für sich selbst Entscheidungen zu treffen, wird vom Betreuungsgericht eine gesetzliche Betreuung bestellt. Das ist etwa der Fall bei Demenzkranken, Komapatienten, Alkohol- und Drogenabhängigen oder Personen mit Behinderung oder psychischen Erkrankungen.

Der Betreuer trifft im Sinne des Betreuten Entscheidungen, je nach Bedarf auch medizinischer oder finanzieller Art. In ganz Deutschland gibt es mehr als eine Million Menschen, die eine gesetzliche Betreuung brauchen – dem gegenüber stehen aber immer weniger Freiwillige, die eine Betreuung übernehmen.

Das Verhältnis hat sich gedreht

Haben früher noch in etwa 70 Prozent der Fälle die Angehörigen die Betreuung übernommen, so hat sich das Verhältnis nun umgekehrt. Zu 70 Prozent übernehmen mittlerweile hauptberufliche Betreuer und Betreuerinnen diese Aufgabe, das schätzen jedenfalls Anja Michel von der Caritas oder Karin Rother von der Awo. Die beiden Frauen kümmern sich seit etwa 20 Jahren beruflich um solche Menschen, die für sich selbst nicht mehr entscheiden können.

Und die Kapazitäten sind ziemlich erschöpft: Bei der Awo betreuen vier Festangestellte etwa 130 Landkreisbewohner, bei der Caritas sind die Verhältnisse ähnlich. "Und es ist zu erwarten, dass der Bedarf weiter steigt", sagt Rother. Umso wichtiger ist es, dass auch ehrenamtliche Betreuer eingesetzt werden. Aber: "Für manche findet sich einfach niemand in der Familie", erklärt Anja Michel.

Die Verantwortung ist sehr hoch, die Anforderungen sind komplexer, der Papierkram ist mehr geworden. Und diejenigen, welche die Betreuung für ein Familienmitglied oder einen nahestehenden Menschen übernehmen, stehen oft vor Problemen. "Viele Ehrenamtliche tun sich schwer und sind überfordert", sagt Karin Rother.

Die Sache mit den Infotreffs

Um den ehrenamtlichen Betreuern Unterstützung und Antworten auf brennende Fragen zukommen zu lassen, haben die beiden Sozialverbände Caritas und Awo gemeinsam regelmäßige, offene Info-Treffs veranstaltet. Sie klärten etwa über das Bundesteilhabegesetz auf, erörterten, was zu tun ist, wenn der oder die Betreute im Krankenhaus ist, thematisierten finanzielle Fragen wie Erbangelegenheiten und Schulden.

"Der persönliche Austausch ist enorm wichtig", wissen Rother und Michel. Und zwar nicht nur in Sachfragen. Auch sind die Betreuer und Betreuerinnen froh, ihren seelischen Ballast mit der teils belastenden Situation loszuwerden. Zuletzt ist auch die Aufklärung eine wichtige Aufgabe der Vereine: Alles rund um die Themen Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung wird ebenfalls vermittelt.

Und hier kommt die Pandemie ins Spiel, denn das Problem mit dem starken Fokus auf Präsenzveranstaltungen zeigt sich seit März vergangenen Jahres nur allzu offensichtlich: Es gibt kaum Kontaktstrukturen, auf die man nun zurückgreifen kann, um das Bedürfnis nach Beratung zu befriedigen. "Wir kommen nicht an die Leute ran", stellt Anja Michel fest.

Hemmschuh Datenschutz

Es gibt zwar einen E-Mail-Verteiler, doch der ist (noch) nicht umfassend. Und vor allem diejenigen, die neu als Betreuer hinzukommen, sind mit ihren Fragen und Problemen derzeit vermutlich ziemlich ratlos. Das Landratsamt als Betreuungsbehörde hat zwar einen ganz genauen Überblick, wer als gesetzlicher Betreuer im Landkreis eingesetzt ist. "Doch die Behörde darf uns aus Datenschutzgründen die Kontaktadressen auch nicht einfach übermitteln", wissen die beiden Frauen von Awo und Caritas.

Immerhin haben die Vereine mittlerweile einen Fragebogen entwickelt, der über die Betreuungsbehörde an Betroffene verschickt wird und so den Kontakt herstellt. Doch die Strukturen sind eben noch frisch – es dauert, bis da ein solides Netzwerk entstanden ist.

Dabei brauchen die ehrenamtlichen, gesetzlichen Betreuer gerade in der Pandemie oft Hilfe und Rat, weil sie sich mit neuen Schwierigkeiten konfrontiert sehen. Corona hat alles nochmal "deutlich verschärft", bedauern Anja Michel und Karin Rother.

Viele Problembereiche

Ob es nun um die Impfungen geht oder darum, den Betreuten klar zu machen, warum sie sich derzeit so einschränken müssen, warum sie in Heimen wenig Besuch empfangen dürfen, warum die Fußpflege nicht kommen darf, oder warum der Betreuer zu einem ärztlichen Untersuchungstermin nicht mehr mitkommen darf. "Es ist Wahnsinn, was die Menschen momentan leisten", sagt Anja Michel. 

Eine Handvoll Info-Veranstaltungen sind der Pandemie bislang zum Opfer gefallen, Fortbildungen finden nun teilweise online statt. Interessierte können sich allerdings jederzeit bei den Betreuungsvereinen
melden und dort Informationen und Hilfe bekommen, ermutigt Karin Rother. "Wir wollen helfen, wo immer es geht."

Kontakt zum Awo-Betreuungsverein Weißenburg-Gunzenhausen: 09141/97 44 10, Kontakt zum Betreuungsverein der Caritas-Kreisstelle Weißenburg: 09141/26 16.

Keine Kommentare