Weg aus der Euro-Krise: Höhere Löhne

29.4.2013, 08:18 Uhr
Weg aus der Euro-Krise: Höhere Löhne

© Hedwig

EHP-Leiter Prof. Dr. Joachim Grzega traf mit der Wahl des hochkarätigen Gastredners offenbar den Nerv der Menschen, war doch der Saal mit Zuhörern aus dem ganzen Landkreis  und darüber hinaus gut gefüllt. Flassbeck kritisierte an dem derzeitigen Krisenmanagement im Euro-Raum, dass die eigentlichen Ursachen der Krise nicht erkannt worden seien und daher auch die „Therapie der Krankheit“ nicht funktionieren könne. Er stellte dar, dass es bei der sogenannten „Euro-Krise“ nicht um eine „Schuldenkrise“ gehe, sondern um das Missverhältnis unterschiedlicher Wettbewerbsfähigkeiten der Mitgliedsländer.

Zu Beginn der Währungsunion hätten sich die beteiligten Staaten darauf geeinigt, eine jährliche Inflationsrate von etwa zwei Prozent einzuhalten. Fakt sei jedoch, dass sich die Südländer (Italien, Spanien, Portugal, Griechenland) nicht daran gehalten und seit Einführung des Euro überzogene Lohnabschlüsse zugelassen hätten, und zwar im völligen Missverhältnis zur eigenen Produktivität. Fazit: Deren Produkte seien zu teuer und im internationalen Vergleich kaum mehr wettbewerbsfähig.

Vor der Euro-Einführung hatte jedes Land noch die Währungshoheit, mit der Möglichkeit die eigene Währung abzuwerten und damit die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Diese Option sei nun weggefallen.

Fakt sei laut Flassbeck aber auch, dass sich mit Deutschland ein weiteres Land nicht an die Abmachungen gehalten habe. Durch massive Lohnzurückhaltung sei man deutlich unter der Inflations-Direktive geblieben und habe sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Quasi das Geheimnis des deutschen „Exportwunders“. Wer sich jedoch als Land auf den Export versteife, brauche die Nachbarländer als Abnehmer. Und genau diese fielen nun im Euro-Raum zunehmend der Pleite anheim.

Es gehe darum, die in wirtschaftliche Nöte geratenen Staaten im Euro-Raum dazu zu befähigen, aus eigener Kraft wieder wirtschaftlich trag- und wettbewerbsfähig zu werden. Die derzeitige und in Flassbecks Augen völlig unsinnige Politik der Rettungsschirme, die gleichzeitig mit dem insbesondere von Deutschland auferlegten Diktat einer gnadenlosen Sparpolitik verknüpft sei, beraube diese Länder ihrer Regenerationskräfte. Im Gegenteil: Sie verlören weiter an Wirtschaftskraft und -substanz, verarmten zusehends und gäben sich damit obendrein politisch-gesellschaftlicher Unwägbarkeiten preis.

Sorge um Demokratie

Flassbeck: „Welche Demokratie hält einen derartigen Druck wie zum Beispiel Griechenland oder Spanien auf Dauer aus? Wer sparen muss, gibt kein Geld mehr aus. Die Folge ist: Arbeitslosigkeit greift um sich, die Menschen und insbesondere die Jugend sind ohne jegliche Perspektive.“

Um das Missverhältnis der unterschiedlichen Wettbewerbsfähigkeiten auszugleichen, gebe es zwei Möglichkeiten: Entweder die Südländer reduzierten ihr Lohnniveau – womöglich um weitere 20 bis 30 Prozent – um ihr Lohnniveau der Produktivität anzugleichen – allerdings um den Preis des wirtschaftlichen Niedergangs. Oder aber Deutschland verzichte schrittweise „über die nächsten zehn oder 20 Jahre auf seinen auf Lohndumping basierenden Wettbewerbsvorteil“ durch eine dem Land und seiner hohen Produktivität allmählich nach oben angepasste Lohnpolitik.

Diese Vorgehensweise würde zwar von den deutschen Exportunternehmen als Hauptprofiteuren des Euro einigen Tribut fordern, da die Produkte durch höhere Löhne freilich teurer würden; gleichzeitig aber würde diese Strategie durch eine steigende Nachfrage im Inland die ohnehin seit vielen Jahren dahin dümpelnde Binnenwirtschaft beleben.

Ein allerletzter Ausweg könne auch die „Trennung eines Ehepaares sein, das nicht wirklich zusammenpasst“. Trotzdem versteht sich der Redner nach eigenem Bekunden (noch) als Befürworter des Euro.

Flassbeck: „Wer allerdings – wie Deutschland – als ein stark export­orientiertes Land in einer Währungsunion versucht, seine Nachbarländer niederzukonkurrieren, wird dort für seine Waren bald keine Abnehmer mehr haben.“ Die Fortführung dieser derzeit praktizierten Politik würde in seinen Augen alsbald das Ende der Währungsunion heraufbeschwören – nach seiner Einschätzung in spätes­tens zwei oder drei Jahren. Und mit dramatischen Folgen für Deutschland selbst . . .

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