Bestsellerautor in Weißenburg

22.10.2019, 05:43 Uhr
Bestsellerautor in Weißenburg

© Foto: Simon Sulk

Dass Norwegen dies eigentlich nicht nötig hat, stellte Erik Fosnes Hansen schon recht früh bei der Veranstaltung in der Buchhandlung Meyer klar. Seit etwa 25 Jahren ist skandinavische Literatur in Deutschland angekommen und Erik Fosnes Hansen einer ihrer prominentesten Vertreter. Spätestens seit dem in 30 Sprachen übersetzten "Choral am Ende der Reise" über die letzten Stunden der Musikkapelle der Titanic darf er sich in die erste Riege der nordischen Schriftsteller einreihen.

Bei der Matinee in der Reihe "An fränkischen Fjorden" (wir berichteten) präsentierte Erik Fosnes Hansen sein neuestes Buch "Ein Hummerleben", das nun in deutscher Übersetzung erschienen ist. Es spielt in den frühen 1980er-Jahren in einem Berghotel in Norwegen. Erzählt wird es aus der Sicht eines 14-jährigen Jungen, dessen Großeltern das einstmals renommierte Hotel führen.

Doch auch die Norweger haben den "verteufelten Süden" (so der Großvater) für sich entdeckt und so steht das Hotel überwiegend leer und auch die gesellschaftliche Stellung der Betreiber sinkt gleichsam mit den Besucherzahlen. In dieser Welt muss sich Sedd, so der Name des Protagonisten, auf seine Rolle als Nachfolger im Hotelgewerbe vorbereiten – Herzinfarkte wohlbeleibter Bankdirektoren beim Abendessen inbegriffen. Und dann ist da auch noch der Verbleib seiner Mutter, der ungeklärt und mit einem Geheimnis verbunden ist.

Die frischen Hummer im Aquarium, Spezialität des Hauses, tauchen immer wieder in Sedds Träumen auf. Schon lange durch die tiefgekühlte Variante ersetzt, wird ihnen eine Gnadenfrist gewährt – das Schicksal des Hotels, eingefangen in einem Krustentier. So bewegt sich das Buch zwischen Erinnerungen an eine Kindheit in den 80er-Jahren und einer Gesellschaftsstudie, die den Untergang einer vergangenen mondänen Zeit beschreibt und auch in heutige Tage übertragen werden kann, wo Pauschalreisen den Tourismus dominieren und Buchhändler mit Amazon-Angeboten konkurrieren müssen.

Die Lesung von Erik Fosnes Hansen, der aufgrund eines Studienaufenthalts in Stuttgart hervorragend Deutsch spricht, gestaltete sich äußerst kurzweilig. Schon vor Beginn der Veranstaltung lockerten norwegische Süßspeisen des Museumscafés die Stimmung.

Den roten Faden durch die Lesung in Weißenburg nahm BR-Moderator Achim Bogdahn in die Hand, der kluge und fordernde Fragen stellte. Fosnes Hansen, nach eigenen Aussagen "leicht angekratzt" nach einer Woche Buchmesse in Frankfurt, antwortete schlagfertig und geistreich, erzählte von seiner nicht immer tugendhaften Studienzeit in Stuttgart, Deutschunterricht mit Derrick und zeigte sich beeindruckt von der Rolle der Buchhändler in Deutschland, die als Kulturmacher Events wie dieses auf die Beine stellen.

Auf die Frage, warum es im Fünf-Millionen Einwohnerland Norwegen so viel mehr gute Literaten im Vergleich zum etwa gleich großen Franken gebe, lautete die Antwort lapidar: "Weil Norweger alle Genies sind!" Schmunzelnd schob er hinterher, dass er an jeder Frankfurter Hotelbar norwegische Literaturgenies getroffen habe, die mit sich selbst redeten, da sie ja sonst doch niemand verstünde.

Es ist Buchhändler Mathias Meyer sowie der NORLA (Norwegian Litrature abroad) hoch anzurechnen, dass es möglich war, einen Autor der Spitzenklasse nach Weißenburg zu holen. Die gut 60 Besucher der Lesung wurden knapp anderthalb Stunden hervorragend unterhalten und erfuhren so einiges über das diesjährige Buchmesse-Gastland. Insofern hat der nicht immer diplomatisch auftretende Fosnes Hansen seinen Auftrag in genialer und vollendeter Weise ausgeführt.

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