Der "Hauptmann von Köpenick" in Ellingen

10.3.2020, 15:22 Uhr
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© Foto: Peter Schafhauser

"Aufgestanden! . . . Stramm stehen! . . . Setzen!" Es funktioniert. Mit dieser perfekten Inszenierung wird das Publikum zur Ausstellungseröffnung im Kulturzentrum Ostpreußen überrascht. "Wilhelm Voigt aus Tilsit – der Hauptmann von Köpenick" heißt die unterhaltsame Präsentation, die seit Samstag in mehreren Räumen zu sehen ist.

Der fulminante Auftakt zur Sonderausstellung 2020 ist Museumsdirektor Wolfgang Freyberg und seinem Team grandios gelungen. Statt langer Einführungsworte ein amüsantes Schauspiel, das die Besucher mehrfach einbezog. Für den überraschenden Auftritt wurde genau der richtige Schauspieler engagiert: Als Leiter des Stadttheaters Köpenick verkörpert der 77-jährige Jürgen Hilbrecht wie kaum ein anderer die Rolle des Wilhelm Voigt.

Hilbrecht ist ein echtes Berliner Original. Er wohnt nicht nur in Köpenick, sondern sogar direkt gegenüber dem damals "besetzten" Rathaus. Als zackiger preußischer Hauptmann – "Uniform gehorchen – Schnauze halten" – erzählt er den Ellinger Eröffnungsgästen seine Lebensgeschichte. Und klärt sie darüber auf, wie es zuging bei seiner Besetzung des Köpenicker Rathauses. Aufgelockert durch herrliche Couplets und Randnotizen aus alten Berliner Tagen fühlte man sich zurückversetzt in die obrigkeitshörige wilhelminische Zeit.

Auch Landrat Gerhard Wägemann fand seine Rolle kurios: "Nie hätte ich gedacht, dass ich am Ende meines Amtes das Grußwort zu einem historischen Gauner geben muss", feixte er dem amüsierten Publikum zu. Wägemann glaubt, dass ein Fall wie damals in Berlin heute nicht mehr möglich wäre: "Die Leute sind heute selbstbewusste, aufgeklärte Bürger und keine Bittsteller mehr."

Der Ganove Wilhelm Voigt war jedenfalls nach seinem Coup als "Hauptmann von Köpenick" ein Popstar seiner Zeit. Der ostpreußische Schuhmacher wurde in Tilsit geboren, dem heutigen Kaliningrad. Dieser Geburtsort war für das Kulturzentrum der entscheidende Anlass für die Ausstellung. Als "neutraler Grußwortredner" vergaß Wägemann nicht zu erwähnen, dass es in Weißenburg einst eine Molkerei gab: "Die hat freitags ausschließlich Tilsiter Käse produziert."

Die kommunale Posse, um die es in der Ausstellung geht, spielte sich wahrhaftig zu Beginn des 20. Jahrhunderts im berlinnahen Köpenick ab. Dem frisch entlassenen Strafgefangenen Wilhelm Voigt gelang es im Jahr 1906, allein durch eine Hauptmanns-Uniform sowie durch resolutes Auftreten ein komplettes Rathaus zu besetzen und die Stadtkasse einzunehmen (siehe Kasten).

Durch diesen dreisten Geniestreich wurde Voigt weltweit berühmt, sein Leben mehrfach verfilmt und als Bühnenstück verarbeitet. Man könnte mit dem "Räuberhauptmann" geradezu Mitleid haben. Überall hatte er Aufenthaltsverbot. Mit dem erbeuteten Geld hätte er sich vielleicht einen neuen Pass besorgen und damit ein neues Leben beginnen können.

Vom besten Kumpel verraten

Doch wie die Menschen so sind, verrät ihn sein bester Kumpel aus dem Knast für 3000 Mark Belohnungsgeld. Voigt wird gefasst. Was folgt, ist ein Prozess, der die ganze Welt erheitert. Die internationale Presse berichtet von seinem Husarenstück. Wilhelm Voigt wird als Hauptmann von Köpenick berühmt.

So berühmt, dass bald die ersten Theaterstücke erscheinen. Im Gefängnis schreibt er seine Biografie, die sich so gut verkauft, dass er regelrecht wohlhabend wird. Noch im "Zuchthaus" erhält Voigt diverse Heiratsanträge. Auch Anwaltskosten muss er nicht bezahlen. Seine Popularität treibt Blüten. Von vier Jahren Haft muss er nur zwei absitzen. Angeblich steckte hinter der Begnadigung Kaiser Wilhelm persönlich, der – wiederum mutmaßlich – amüsiert gesagt haben soll: "Da sieht man, was Disziplin heißt – kein Volk der Erde macht uns das nach!"

In seiner Begrüßung betonte Freyberg, dass ihm und seinem Team die monatelange Vorbereitung der Ausstellung enorm viel Lust und Freude bereitet hat. Das mag man gerne glauben. Natürlich wunderte man sich, dass die Kuratorin, Magister Mareike Schönle, gar so sparsam mit ihren Einführungsworten war. Sie nahm sich lieber uneigennützig zurück, um dem Schauspiel die Fakten zu überlassen.

Zwei große Räume werden mit liebevoll gestalteten historischen Foto- und Texttafeln bespielt. Eine Vitrine zeigt die typische Hauptmanns-Uniform jener Zeit. Und in einem weiteren Abteil sind Ausschnitte früher Verfilmungen zu sehen.

"Voigt hält uns im Grunde den Spiegel vor", meint die Kuratorin. Seine Eulenspiegelei war wohl tatsächlich das Ergebnis einer besonderen Obrigkeitsehrfurcht im "Pickelhauben-Staat".

Die Ausstellung zum Hauptmann von Köpenick ist bis 30. August im Kulturzentrum Ostpreußen im Ellinger Schloss zu sehen. Die Öffnungszeiten (auch an Feiertagen): Dienstag bis Sonntag 10 bis 12 und 13 bis 16 Uhr (im März) sowie Dienstag bis Sonntag 10 bis 12 und 13 bis 17 Uhr (April bis August).