Der Haussegen hängt schief

7.7.2012, 07:59 Uhr
Der Haussegen hängt schief

© Stephan

In Treuchtlingen wurde Theisingers Lob in Teilen des Kollegiums als der blanke Hohn empfunden. Die Unzufriedenheit an der „Sene“ ist groß. Die Lehrer fühlen sich vom großen Bruder aus Weißenburg bevormundet und schikaniert. Das erklärt die kleine Gemeinheit, die sich Mathematik-Fachbetreuer Dirk Badelt erlaubte. Bei der Verabschiedung der 40 Abiturienten der Altmühlstadt merkte er maliziös an, dass man den großen Bruder in Weißenburg gar nicht um Erlaubnis gefragt habe, ob man hier überhaupt etwas sagen dürfe.

Hinter vorgehaltener Hand wurden bei der Verabschiedung in Treuchtlingen die Vorwürfe deutlich lauter. „Es ist einfach unmöglich, wie sich hier die Weißenburger Schulleitung gegenüber der Senefelder-Schule benommen hat“, zitierte der Treuchtlinger Kurier eine Lehrkraft.

Dass die lange schwelende Unzufriedenheit nun öffentlich Flämmchen schlug, lag an der Treuchtlinger Abi­turverabschiedung selbst. Die hätte es in dieser Form nicht geben dürfen, wie Weißenburgs Direktor Dieter Theisinger gegenüber unserer Zeitung feststellte. In der Vereinbarung über die Kooperation der beiden Schulen sei festgehalten worden, dass die offizielle Verabschiedung aller Abiturienten zentral in Weißenburg stattfindet. Allenfalls eine interne Veranstaltung sei für die Senefelder-Schule möglich.

Als er von der Verabschiedung in Treuchtlingen erfuhr, griff Theisinger zum Telefonhörer. Das brachte ihm von Treuchtlinger Seite den Vorwurf ein, die Abifeier in der Altmühlstadt „torpediert“ zu haben. „Ich habe nichts torpediert, ich habe nur mein Unverständnis geäußert, dass man das so macht“, erklärte Theisinger gegenüber unserer Zeitung.

Wie weit „torpedieren“ und „Unverständnis äußern“ auseinanderliegen, scheint eine Frage der Definition zu sein. Theisingers Intervention war jedenfalls Wasser auf die Mühlen der Unzufriedenen. Die Folge: eine etwas gereizte Stimmung auf der Treucht­linger Abifete, die mit Reden, Buffet, Tanz und Presse vollständig im of­fiziellen Gewand daherkam.

Die Abiturzeugnisse hatten sich die Treuchtlinger Schüler vorher allerdings in Weißenburg abholen müssen.  Dort zeigte sich bei der Feierstunde in der Andreaskirche, wie kompliziert die Gemengelage in dem Kooperationsmodell ist. In Weißenburg zerbrach man sich über Fragen des Protokolls den Kopf. Wohin mit den Treuchtlinger Schülern? Am Ende setzte man sie in die Mitte – auch aus symbolischen Gründen – und ließ zudem den Treuchtlinger Schulleiter Dr. Johannes Novotny ans Rednerpult.

Kontrolle aus Weißenburg

Ein Beweis für das stete Bemühen Weißenburgs um die Treuchtlinger, findet Theisinger. „Wir haben fast alles akzeptiert, was aus Treuchtlingen an Forderungen kam“, sagt der Schulleiter und schiebt nach: „Das hat mich nicht immer begeistert.“ Bei allem Entgegenkommen sei es aber Fakt, dass die 11. und 12. Klasse der Senefelder-Schule offiziell Teil des Weißenburger Gymnasiums sind.

Theisinger fühlt sich verpflichtet, die „Kontrolle auszuüben“. Auch weil er als Schulleiter für das verantwortlich ist, was gymnasial in der Treuchtlinger Oberstufe passiert. Diese Kontrolle ist es allerdings, die den Lehrern in Treuchtlingen bitter aufstößt. Der Weißen­burger Direktor hat veranlasst, dass Schulaufgaben aus Treuchtlingen in Weißenburg kontrolliert werden, und ordnet Lehrer des Werner-von-Siemens-Gymnasiums zu sämtlichen Abiturprüfungen der „Sene“ ab. Das kommt dort als Misstrauensvotum an und führt im Weißenburger Kollegium zu erhöhter Arbeitsbelastung.

„Wir gängeln die Treuchtlinger nicht“, hält Theisinger den Kritikern entgegen. „Ganz im Gegenteil: Wir halten sie an der langen Leine.“ Tatsächlich stehen Theisinger in dem Kooperationsmodell weitgehende Kompetenzen zu. „Ich könnte sogar Unterrichtsbesuche beim Treuchtlinger Schulleiter machen, der an der Se­nefelder-Schule Mathe unterrichtet. Aber das mache ich nicht. Wir könnten die Kollegen aus Treuchtlingen zu unseren Sitzungen in Weißenburg verpflichten, aber das machen wir nicht“, zählt der Weißenburger Direktor auf.

Ein wenig Verständnis hat er für die Unzufriedenheit in Treuchtlingen trotzdem. Er vermutet ihren Kern in dem Wunsch nach einem komplett eigenständigen Gymnasium. „Wenn ich da drüben wäre, würde ich mir das auch wünschen“, sagt Dieter Theisinger. Nur sei das illusorisch, weil die Schülerzahlen dafür nicht ausreichten. Derzeit kommt der gesamte Gymnasialzweig der Treuchtlinger Schule auf rund 400 Schüler. Mindestens 200 bis 300 zu wenig, um beim Kultusministerium mit diesem Wunsch Anerkennung zu finden. „Deshalb ist das Kooperationsmodell für Treuchtlingen die beste Lösung“, glaubt Theisinger und spricht sich aus Sicht des Wei­ßenburger Gymnasiums klar für eine Fortführung aus.

Vielleicht war der Knatsch um die Abifeier auch ein reinigendes Gewitter. Am Tag nach dem Bericht im Treuchtlinger Kurier bemühte sich die Schulleitung der Senefelder-Schule um Schadensbegrenzung. Schulleiter Novotny und der Oberstufenbetreuer versicherten schriftlich, dass das Verhältnis gut sei und fanden warme Worte für die gegenseitige Zusammenarbeit. Die Schreiben landeten schnell am Schwarzen Brett des Weißenburger Gymnasiums – wohl auch zur Befriedung des Kollegiums in Weißenburg. Denn auch dort stießen die Spitzen aus Treuchtlingen nicht nur auf Begeisterung.


Zum Thema

Die Kooperation zwischen der Senefelder-Schule und dem Werner-von-Siemens-Gymnasium besteht in ihrer aktuellen Form im dritten Jahr. Früher kamen die Treuchtlinger Gymnasiasten nach der 10. Klasse an das Werner-von-Siemens-Gymnasium und absolvierten dort die Klasse 11 bis 13. Durch die Kooperation gelang es, den Treuchtlinger Schülern diesen Wechsel zu ersparen. Sie bleiben jetzt bis zum G8-Abitur in der 12. Klasse an der Senefelder-Schule.

Das funktioniert aber nur mithil­fe eines komplizierten Konstrukts. Die Elft- und Zwölftklässler aus Treuchtlingen sind offiziell Schüler des Weißenburger Gymnasiums. Ih­re Lehrer werden für ihre Stundenzahl in der Oberstufe nach Weißenburg teilabgeordnet. Das bedeutet: Wer in der 11. Klasse unterrichtet, hat Weißenburgs Dieter Theisinger zum Chef, wer in der 10. Klasse unterrichtet, muss sich an Treuchtlingens Schulleiter Dr. Johannes Novotny wenden.

 

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