Die Gretchenfrage zum verkaufsoffenen Sonntag

9.3.2020, 05:32 Uhr
Die Gretchenfrage zum verkaufsoffenen Sonntag

© WT-Archiv

Das sieht zunächst tatsächlich nach einer Wendung aus; schließlich hatte sich in Sachen Sonntagsöffnungszeiten zuletzt nicht viel bewegt. Die Sonntagsallianz, ein Bündnis aus örtlichen Kirchen, Verbänden und Gewerkschaften, hatte vor Weihnachten beim Landratsamt eine Aufsichtsbeschwerde gegen die Stadt Weißenburg und OB Jürgen Schröppel eingelegt (wir berichteten).

Die Allianz ist der Auffassung, dass die Ladenöffnungen im Rahmen der Marktsonntage, insbesondere der Supermärkte, Baumärkte und Möbelhäuser außerhalb der Altstadt, rechtswidrig sind. Die Rechtsaufsicht des Landratsamts wies die Beschwerde im Februar zurück. Man sehe derzeit keine Rechtswidrigkeit und wolle zudem eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abwarten, bevor das Thema dann noch einmal neu bewertet wird.

Dass die Sonntagsallianz nun von einer "neuen Wendung" und einer "breiten Koalition für den arbeitsfreien Sonntag" spricht, wirkt angesichts der Beteiligung an der genannten Umfrage allerdings optimistisch. Schließlich haben sich von den 132 Stadtratskandidaten nur 14 überhaupt zurückgemeldet. Von diesen 14 Kandidaten haben sich zwar 86 Prozent für die Eingrenzung der verkaufsoffenen Sonntage auf die Altstadt ausgesprochen; das sind umgerechnet aber nur zehn Personen. Und wer davon am Ende tatsächlich in den Stadtrat gewählt wird, muss sich auch erst noch zeigen.

Wie hältst du‘s mit dem Sonntag?

"Wir wollten die bevorstehende Kommunalwahl zum Anlass nehmen, um die Kandidaten zu befragen", erklärt Dekan Konrad Bayerle die Intention der Umfrage. Denn offensichtlich wolle man in Weißenburg das Thema lieber aussitzen und getreu dem Motto "Augen zu und durch" auf dem Status Quo beharren.

Die Sonntagsallianz wollte hingegen klare Stellungnahmen zur Gretchenfrage "Wie hältst du‘s mit dem Sonntag?" und entwickelte dazu drei Fragen, die mit ja oder nein zu beantworten waren. Anschließend wurde Heinz Gruber, Stadtratsmitglied der Freien Wähler und Mitglied in der Sonntagsallianz, mit der Aufgabe betraut, über die Fraktionen im Stadtrat an die Kandidaten heranzutreten und ihnen die Umfrage zukommen zu lassen.

"Bockbeinige" Kandidaten

"Es ist unglaublich, wie bockbeinig sich viele gestellt haben", erklärt Gruber die geringe Rücklaufquote von gerade einmal elf Prozent. Er habe darum gebeten, die Post- oder E-Mail-Adressen der Kandidaten zu bekommen. Bei der SPD sei dies einfach gewesen, da die Mail-Adressen über die Internetseite abzufragen waren. Auch an seine eigenen Parteimitglieder sei Gruber natürlich problemlos herangekommen. Und von der Linken habe man immerhin teilweise Kontaktdaten erhalten.

Von der FDP und den Grünen gab es keine Antworten. "Schwierig war‘s aber vor allem bei der CSU", berichtet Gruber. Aus Datenschutzgründen wollte der Ortsvorsitzende Klaus Drotziger die Kontakte nicht herausgeben; aber auch eine Weiterleitung der Umfrage an die Kandidaten habe er abgelehnt, da man sich unter Druck gesetzt fühlte. "Wir stehen zu unserer Marktregelung und müssen uns keine Einzelbefragung gefallen lassen!", sagte er zu diesem Thema dann jüngst im Hauptausschuss gegenüber Gruber. Ähnlich habe auch OB Jürgen Schröppel reagiert, der sagte, er wolle sich keinem Verhör unterziehen.

Nach einigem Hin- und Her habe Drotziger dann für die CSU geantwortet, dass sich "die öffentlich vorgetragene Position nicht verändert" habe. Für Gruber sind das allesamt unverständliche Reaktionen: "Wenn man sich versteckt, braucht man doch keine Politik machen." Auch Norbert Feulner vom DGB Mittelfranken empfindet das Verhalten als "starken Tobak". Man habe den Eindruck gewonnen, einige Kandidaten haben sich "geradezu belästigt gefühlt".

Wenige, dafür ausführliche Antworten

Von den wenigen Kandidaten der SPD, Linken und Freien Wähler, die sich zurückgemeldet haben, seien die Antworten dann aber auch recht umfangreich gewesen, freut sich Pastor Manuel Stemmler von der Evangelisch-Methodistischen Kirche. "Die haben sich Gedanken gemacht und uns auch Begründungen geliefert."

Die OB-Kandidatin der Linken, Eva Sieland-Hirschmann, plädiert etwa für die Beschränkung auf die Altstadt: "Gerade wenn Veranstaltungen stattfinden, sollte jeder die Gelegenheit haben, sich daran zu beteiligen und nicht in einem Geschäft stehen zu müssen, um Leuten Dinge zu verkaufen, die sie zu jeder anderen Zeit auch haben können."

Regina Hackenberg (SPD) ist "für die Abschaffung verkaufsoffener Sonntage", um den Angestellten die Zeit mit der Familie zu geben. Manuela Mühlöder (Freie Wähler) sagt: "Der Sonntag muss, vom Grundsatz her, weiterhin Raum bieten können für Familie, für körperliche und seelische Regeneration und zur Pflege sozialer Kontakte."

Die Sonntagsallianz wird nun den Ausgang der Wahl abwarten und dann ihr weiteres Vorgehen besprechen, erklärt Dekan Konrad Beyerle. Spätestens wenn das Urteil des Obersten Bayerischen Gerichtshofs in Bezug auf Hallstadt (bei Bamberg) zugunsten der Sonntagsallianz ausfällt, müsse auch Weißenburg seine Sonntagsverkaufsverordnung überdenken. Bis dahin geben die Mitglieder der Sonntagsallianz eine klare Wahlempfehlung ihrerseits: "Wer den Sonntag nicht ehrt, ist unserer Stimme nicht wert."