Die Weißenburger OB-Kandidatin der Linken

5.3.2020, 15:43 Uhr
Die Weißenburger OB-Kandidatin der Linken

© Foto: Robert Renner

Die 64-Jährige kandidiert für "Die Linke" um den Posten der Oberbürgermeisterin in ihrer Wahlheimat Weißenburg, wohin sie 2008 kam. Und zwar eher zufällig. Sie hatte mit ihrem zweiten Mann im europäischen Ausland gelebt, "hauptsächlich in Ungarn". Sie wollten zurück nach Deutschland, suchten von Ungarn aus eine Wohnung. Ihr Mann, ein Musiker, rief bei einem Bekannten an, dabei habe sich eher zufällig ergeben, dass dieser in Weißenburg eine Wohnung frei habe, erzählt sie. Und so erfolgte der Umzug.

Zum Interview für dieses Porträts kam Eva Sieland-Hirschmann in die Redaktion des Weißenburger Tagblatts. Sie wollte den Redakteur nicht zu sich einladen, nachdem sie "Misstrauen" gegenüber unserer Zeitung "aufgebaut" hatte, weil wir einen Leserbrief abdruckten, der unter anderem einen Wandel in ihrer Berufsbezeichnung aufgriff. 2014 hatte sie für den Stadtrat mit der Berufsbezeichnung "kaufmännisch technische Arzthelferin" kandidiert. Aktuell gibt sie auf der Bewerberliste "selbstständige Autorin" an. Tätig sei sie im Bereich Historik, sagt sie. Angegeben habe sie 2014 ihren erlernten Beruf, jetzt eben den, in dem sie tatsächlich tätig sei.

Geboren ist Eva Sieland-Hirschmann 1955 in Nürnberg. Dort habe sie eine Ausbildung zur "kaufmännisch technischen Arzthelferin" absolviert. So habe der Beruf mit zweijähriger Lehrzeit damals tatsächlich geheißen. Sie arbeitete in einer Arztpraxis und einer Vertrauensärztlichen Dienststelle, wie der Medizinische Dienst seinerzeit hieß. Außerdem war sie Sekretärin bei der Firma Sandoz.

Ihr (mittlerweile längst erwachsener) Sohn kam zur Welt, sie zog nach Schweinfurt, erwarb nebenbei die Allgemeine Hochschulreife und ging schließlich an die Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen. "Einen akademischen Abschluss habe ich aber nicht", räumt sie ein. Sie arbeite im Bereich Vor- und Frühgeschichte und sei beispielsweise an Ausgrabungen in Landersdorf (Marktgemeinde Thalmässing) beteiligt gewesen.

Ghostwriterin

Immer auch habe sie schon ge- schrieben, erzählt sie. Dass sie als Autorin nicht zu finden ist, erklärt sie damit, dass sie als "Ghostwriterin im politisch-geschichtlichen Be- reich" arbeite. "Da unterschreibe ich eben Verträge, die das Nennen des eigenen Namens verbieten", verdeutlicht sie. So zu arbeiten, mache sie gerne, "weil ich keine Lust habe, mich nebenbei auch noch zu vermarkten".

Längere Zeit war Sieland-Hirschmann alleinerziehend, lernte dann ihren jetzigen Mann kennen, zog zu ihm an den Chiemsee und ging mit ihm ins Ausland. Zurück in Deutschland und damit in Weißenburg war sie zunächst arbeitslos, hernach tätig als Sekretärin, in einem Bewerberbüro und als Pförtnerin. Nebenbei konnte sie da auch schon wieder schreiben. Und jetzt sei sie ausschließlich Autorin.

"Ja, ich habe viele Brüche in meiner Vita, aber ich bereue nichts, denn ich kann alle Erfahrungen spätestens bei ,Weißenburg hilft‘ gut brauchen", sagt die 64-Jährige. Außerdem ist sie beim neu gegründeten Verein "Botschafter der Erde" um den Markt Berolzheimer Metzgermeister Robert Prosiegel aktiv.

Beides hat eben auch mit Solidarität – also sich gegenseitig zu helfen und füreinander einzustehen – zu tun. An diesem Punkt stellt Sieland-Hirschmann ihren Mitbürgern ein gutes Zeugnis aus. "Die Weißenburger allgemein waren super", sagt sie rückblickend auf die Flüchtlingskrise 2015 und ihre Folgen. In der Stadt hätten viele richtig gehandelt und sich schon, bevor die ersten Geflüchteten kamen, "zusammengeschlossen und gesagt, sie helfen mit".

Sieland-Hirschmann war bei "Weißenburg hilft" von Anfang an dabei und ist dort bis heute engagiert. Sie arbeitet in der Alltagsbetreuung für Geflüchtete mit, stellt sich als Vormund zur Verfügung, begleitet bei Anhörungen und tut vieles mehr. Dabei habe sie viele Freunde gefunden. Die Kontakte zu Menschen aus anderen Ländern und Kulturkreisen bereichern generell, befindet sie. Man könne viel voneinander lernen. Klar gebe es unter den Geflüchteten "auch schwarze Schafe, aber die allermeisten sind anständig, hilfsbereit und höflich".

Die große Mehrheit wolle sich hier integrieren, mitarbeiten und ein besseres Leben. Viele hätten in ihrer Heimat ums nackte Überleben gekämpft und wären auch bei einer Abschiebung mit dem Tod bedroht. Es gelte, sich weiterhin für Flüchtende einzusetzen, sagt die 64-Jährige und unterstreicht: "Ich finde es unerträglich, dass man es stillschweigend hinnimmt, dass täglich Menschen im Mittelmeer ertrinken. Das ist der Ausverkauf des Humanismus."

Ihre vielfältigen Erfahrungen will sie auch in die Kommunalpolitik einbringen. Eine wirkliche Chance im Wettstreit mit Amtsinhaber Jürgen Schröppel (SPD) und CSU-OB-Kandidat Tobias Kamm rechnet sich die Linke realistischerweise nicht aus. Aber ihr gefalle eben manches an der aktuellen Stadtpolitik nicht. Da könne sie entweder kritisieren oder aber eben kandidieren und damit anbieten, es anders zu machen. Dass sie mit der denkbar knappen Mehrheit von 4:3 Stimmen von ihrer Partei, der sie seit gut elf Jahren angehört, nominiert wurde, ficht sie nicht an. "Das ist Demokratie", meint sie und fühlt sich von ihren Parteifreunden im Wahlkampf gut unterstützt.

Das kommunale Geschehen sieht sie "wie ein Puzzle". Jede Gemeinde sei "ein Teil, zusammen ergeben sie ein großes Bild". Dabei gelte aber auch immer "das Kettensymbol", also dass eine Kette nur so stark sein könne wie ihr schwächstes Glied. Starke Glieder dürften ihre Nachbarn nicht erdrücken und hätten die Verantwortung, genau da zu unterstützen, wo schwache zu reißen drohten.

"Mehr ein Moderator"

Mehr Engagement wünscht sie sich von der Stadt Weißenburg in Sachen kommunaler Wohnungsbau. "Wir brauchen soziale Wohnungen", fordert sie und ergänzt, dass es dabei nicht nur um den Mietpreis gehe, sondern auch darum, wer die Häuser baue. Es sollten Firmen zum Zuge kommen, die ihre Arbeiter so bezahlen, dass diese von ihrem Job gut leben können.

Außerdem ist in ihren Augen "ein besserer Dialog" mit Bürgern und Interessengruppen nötig, befindet die OB-Kandidatin. Es gelte beispielsweise beim Innenstadtverkehr, aber auch bei vielen anderen Themen "gemeinsam tragbare Lösungen zu finden". "Ich verstehe einen Bürgermeister mehr als Moderator denn als Regierenden", sagt sie.

"Wir brauchen einen viel stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt, ohne dass jemand seine eigene Position wegschmeißt", ist sie überzeugt. Es gelte Schnittmengen zu finden, um dann konstruktiv und auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. "Akzeptanz und Wertschätzung sind mir das Wichtigste, nur so kann sich Solidarität entwickeln", sagt Eva Sieland-Hirschmann.

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