Funde aus dem Neolithikum

20.2.2012, 08:20 Uhr
Funde aus dem Neolithikum

© Jialiang Gao

Archäologen bemühen sich in der Öffentlichkeit in der Regel um Zurückhaltung. Vom Moment, in dem aufsehenerregende Funde aus dem Bo­den geholt werden, bis zu dem Zeitpunkt ihrer wissenschaftlichen Auf­arbeitung können Jahre, manchmal Jahrzehnte vergehen. Lehnt man sich als Wissenschaftler mit Schlussfolgerungen zu früh aus dem Fenster, ris­kiert man die gerümpften Nasen der Kollegen. Wenn ein renommierter Archäologe dann in aller Öffentlichkeit mal ins Schwärmen gerät, muss schon etwas Außergewöhnliches passiert sein. Und das ist in Dittenheim der Fall.

Martin Nadler sprach beim Histo­rischen Stammtisch in Weißenburg von einem „Volltreffer“. Der Trommetsheimer Hobbyarchäologe Werner Somplatzki hatte das Landesamt informiert, als er in einer Baugrube im neuen Industriegebiet in Dittenheim nahe des Sportplatzes farbige Veränderungen im Boden bemerkte. Es wa­ren die Überreste einer Siedlung aus dem „56. Jahrhundert vor Christus“. – satte 7500 Jahre alt.

Kunst aus der Jungsteinzeit

„Ich hatte 30 Jahre lang nichts aus dieser Zeit unter dem Spaten“, stellte Nadler in Weißenburg fest. Und dann gleich zwei Funde aus dem Beginn der Jungsteinzeit binnen kürzester Zeit. Im vergangenen Jahr fand man in Uffenheim eine solche Siedlung und nun in Dittenheim. Wie wichtig der Fund ist, zeigt die Tatsache, dass das Landesamt für Denkmalpflege sich diesmal selbst und auf eigene Kosten an den Grabungen beteiligte. Eine absolute Ausnahme.

„Was wir gefunden haben, zeigt, dass sich der Aufwand gelohnt hat“, ist Martin Nadler überzeugt. Zwar schnitten die Archäologen nur den Rand eines Dorfes an, aber für eine Aussage darüber, wie es sich im Weißenburger Land vor 7500 Jahren so lebte, reicht das. Große Langhäuser mit Hofplatz und Vorratsgruben, umgeben von Feldern, so sah das Dittenheim des Neolithikums aus.

Zu Kultzwecken bemalt

Noch spektakulärer als die Befunde im Boden waren die Hinterlassenschaften der Jungsteinzeit-Menschen. Europaweit fast einmalig ist der Nachweis für eine künstlerische Bemalung ihrer Hütten. Die Archäologen stießen bei den Grabungen auf eine mit roten Tonkügelchen gefüllte Gru­be. Bald stellte sich heraus, dass es sich um den verziegelten Wandputz ei­nes offensichtlich abgebrannten Hauses der Siedlung handelte. „Untersuchungen haben mittlerweile Bemalungsspuren in drei Farben ergeben“, konn­te Nadler in Weißenburg berichten. Offensichtlich waren die Häuser der Jungsteinzeit mit Ornamenten verziert und bemalt.

Ein weiterer Hinweis auf die „sehr bunte Lebenswelt“ der damaligen Zeit. „Das hat gar nichts mit dem Schulbuch-Rekonstruktionen zu tun“, ist sich der Fachmann sicher: „Das war eine sehr bunte, sehr prachtvolle Welt.“ Es gebe Hinweise darauf, dass die Menschen dieser Zeit ihre Körper mit Farbe bemalten und schmückten und sich tätowierten. Vergleichbar könnten die Eingeborenen Papua-Neuguineas sein, so Nadler.

Der renommierte Museumskünstler Karol Schauer, von dem das Bild zu diesem Artikel stammt, ist ebenfalls vom bunten Neolithikum überzeugt. „Was Sie auf dem Bild sehen, hat sehr viel mit Wissenschaft zu tun“, sagte er im Gespräch mit dem Weißenburger Tagblatt. Die Körperbemalung sei 1:1 von steinzeitlichen Figuren übernommen, bis hin zum Muster. Schauer: „Natürlich waren die Menschen im Alltag nicht bemalt, aber sehr wohl zu wie auch immer gearteten kultischen Dingen.“ Auch die Ausrüstung des Hirten sei durch Ergebnisse von Grabungen belegt.

Dass sich trotz neuer Erkenntnisse wenig in der Darstellung des Neolithikums ändert, sei, so Schauer, einer „Art von Zensur innerhalb der Community“ geschuldet. Viele Wissenschaftler wollten die Menschen der Jungsteinzeit nicht als primitiven Ureinwohner dargestellt sehen. Dass der Künstler Schauer kein Wirrkopf ist, zeigt die Tatsache, dass er mit etlichen renommierten wissenschaftlichen Einrichtungen, unter anderem dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, zusammenarbeitet.

Religion 5500 vor Christus

Vielleicht können nun auch die Funde in Dittenheim dazu beitragen, dass die ersten Siedler Mitteleuropas realistischer dargestellt werden. Denn auch drei dort gefundene Steinbeile geben Aufschluss über die Vorstellungswelt unserer Vorfahren. Eines der drei Beile besaß eine Klinge von 25 Zentimetern Länge. „Mir haben experimentelle Forscher versichert, dass man mit so etwas gar nicht arbeiten kann. Das muss kultische Bedeutung gehabt haben“, schlussfolgert Martin Nadler vom Landesamt für Denkmalpflege.

Gleiches gilt für drei längliche Steinobjekte, die die Wissenschaftler als Teile eines kleinen dreibeinigen Tisches deuten. Solche sind aus einigen wenigen europäischen Grabungen bekannt und werden als Tragaltäre gedeutet.

Die Funde in Dittenheim sind damit einer der ältesten Nachweise für eine Kult- und Opferkultur in Süddeutschland. „Das ist schon etwas sehr Beson­deres“, sagt Nadler. Und man muss wissen, dass Archäologen mit dem öffentlichen Bekunden des sehr Besonderen ausnehmend vorsichtig sind. Vermutlich wird man bald mehr über die neolithische Vergangenheit Dittenheims wissen. Denn der Hauptteil des jungsteinzeitlichen Dorfes liegt noch in der Erde. Und die soll, wenn es nach der Gemeinde Dittenheim geht, bald neue Industriebauten tragen. Dann müssten wieder die Archäologen ran und dürften weiter nach den bunten Vorfahren der heutigen Altmühlfranken graben.


Zum Thema

Das älteste Haus des Landkreises steht in Dittenheim. Es stammt aus der Zeit um 5500 vor Christus. Aller Voraussicht nach wird das ein ultimativer Rekord bleiben. Vorher gab es nach aktuellem Stand der Wissenschaft nämlich gar keine sesshaften Menschen in Mitteleuropa. „Seit Menschen in Mitteleuropa überhaupt siedeln, siedeln sie hier“, stellte Martin Nadler vom Landesamt für Denkmalpflege bei einem Vortrag in Weißenburg fest.

Das Aufkommen von Ackerbau und Viehzucht und der damit verbundene Übergang von nomadisch lebenden Jägern und Sammlern zu sesshaften Bauern wird als Neolithische Revolution bezeichnet. Sie stellt nach Auffassung vieler Forscher einen der wichtigsten Umbrüche in der Geschichte der Menschheit dar.

Stand der Forschung ist, dass der Ackerbau an drei Stellen der Welt unabhängig voneinander als Kulturtechnik entdeckt worden ist – in Mittelamerika, Südchina und im Vorderen Orient. Dort betrieben die Menschen wohl bereits zwischen dem 11. und 10. Jahrtausend vor Christus Ackerbau und Viehzucht. Über den Balkan kamen diese bahnbrechenden Erfindungen einige Tausend Jahre später auch in Mitteleuropa und damit offenbar sofort in Dittenheim an.

Im Jahr 2000 stellte ein Forscherteam fest, dass bis heute 20 Prozent der Y-Chromosomen der europä­ischen Bevölkerung von neolithischen Einwanderern aus dem Nahen Osten stammen. Als die Wiege der „modernen“, sesshaften Menschheit kommt die 11600 Jahre alte gigantische Tempelanlage von Göbekli Tepe in der heutigen Türkei in Frage.

Wissenschaftler vermuten, dass der jahrhundertelange Bau der Anlage ein Grund für die Erfindung von Ackerbau und Viehzucht sein könnte. Damit stünde die Religion am Beginn der Neolithischen Revolution.

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