In China wird jetzt Ellinger Bier gebraut

8.2.2020, 14:55 Uhr
In China wird jetzt Ellinger Bier gebraut

© Foto: Fürst Carl

 Neue Biersorten, frisches Design, moderne Veranstaltungsformate, Ausbau von Sponsoring und Gastronomie. Selten hielt man mit diesen Entwicklungen hinter dem Berg. Man wollte der Welt ja zeigen, dass sich hier eine Brauerei mit Vergangenheit in die Zukunft aufmachte.

Neben den Bemühungen am Standort fand ein zweiter Prozess statt, einer, der vorsichtig hinter den Kulissen moderiert wurde: die Internationalisierung der Geschäfte. Inzwischen gibt es Fürst Carl in hippen italienischen Bars im Großraum um Venedig zu trinken – der Großhändler ist mittlerweile der zweitgrößte Einzelkunde der Brauerei. Und: Fürst Carl hat den Sprung ins Reich der Mitte gewagt. In China wird nun in Lizenz Bier gebraut, wie man es seit Jahrzehnten in den Stammtischen rund um die Deutschordensstadt trinkt. Gebraut nach originalem Rezept, mit originalem Design, unter Aufsicht von Brauereidirektor Werner Sauer und der Ellinger Fürstin. Eine fränkisch-chinesische Form der Globalisierung in der Halbliterflasche.

Kurioserweise ist neben der Qualität des Biers gerade die Ausrichtung der Brauerei auf Regionalität und Tradition der Grund für den Erfolg. "Sowohl in China als auch in Italien geht es unseren Partnern auch ums Storytelling", weiß die Fürstin. Also darum, emotionale Geschichten zu dem Bier erzählen zu können. Diesbezüglich lässt der Fürst-Carl-Background wenig zu wünschen übrig.

In China wird jetzt Ellinger Bier gebraut

© Foto: Fürst Carl

Immerhin ist man eine bayerische Brauerei, zu Hause im historischen Brauhaus neben einem Schloss, das sich kein chinesischer König-Ludwig-Fan schöner hätte ausdenken können. Dazu bringt man eine 330 Jahre alte adelige Familiengeschichte mit ein. Katalin Fürstin von Wrede ist die siebte Generation, unter deren Leitung die Brauerei steht. Das ist vor allem auf dem chinesischen Markt bares Geld wert, wo deutsches Bier als König des Gerstensafts wahrgenommen wird.

Die Ellinger Fürstin, der ein wenig Glamour durchaus vertraut ist, schüttelt in der Erinnerung ungläubig mit dem Kopf, wenn sie an die Reise im Mai 2019 nach China zur Unterzeichnung eines Lizenzvertrags zurückdenkt. Abholung am Flughafen, Unterbringung in einer gigantischen Hotelsuite, Pressekonferenz, mehrfache Fernsehinterviews und ein Festmahl mit Geschäftspartner nach dem anderen. "In einem Restaurant hielt man mir einen Korb zum Unterschreiben hin, da stand vor mir die Frau Merkel mit ihrer Unterschrift drauf", erzählt sie. Beworben wird Fürst Carl in China als eine der letzten "royal breweries still owned by a royal family".

 

Für die Brauerei in der Deutschordensstadt ist es das vorläufige Happy End eines holprig begonnenen Auslandsabenteuers. Denn man verhandelte vor Jahren schon über einen Lizenzvertrag mit China. Aus dem Geschäft aber wurde nichts. Zumindest war das die Meinung, die man in Ellingen hatte. Als sich eines Tages ein deutscher Geschäftsmann meldete und feststellte, dass er die Brau-Lizenz für ihr Bier in China habe, begann man, über diese Meinung nachzudenken. Tatsächlich war in China offenbar bereits mehrere Jahre ein Weißbier unter Namen und Design von Fürst Carl in Umlauf.

Nach einem Gesprächstermin mit dem vermeintlichen Rechteinhaber in Ellingen wird man sich einig und stellt die Zusammenarbeit auf neue, stabile Füße. Die Vertragsunterzeichnung folgte und nun wartet man in der fränkischen Provinz, wie sich die Dinge entwickeln. Im Dezember 2019 ist in Peking eine "Fürst Carl Schankstube" eröffnet worden, und die chinesische Großbrauerei Liaoning Tianhu braut das deutsche Bier mit deutschen Braumeistern auf einer seiner Anlagen. Das Schlossgold und das Dunkle Bier von Fürst Carl sollen in den Tank kommen.

"Das hat natürlich großes Wachstumspotenzial", glaubt Katalin Fürstin von Wrede. Im Herbst will man sich wieder in China vor Ort die Fortschritte anschauen. Die Auslandsaktivitäten der Brauerei seien längst keine Spielerei mehr, stellt die Fürstin fest, sondern betriebswirtschaftlichspannend. Trotzdem will man die Partnerschaften langsam und behutsam entwickeln. "Wir müssen da nichts überstürzen." Fakt ist, dass Tradition und Geschichte der Brauerei im Ausland ein Pfund sind, mit dem sich gut wuchern lässt. Und mit Blick auf einen deutschen Markt, der im klassischen Biersegment seit Jahren schrumpft, sind das interessante Aussichten. Denn in China wächst der Bierdurst Jahr für Jahr.

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