Kein reines Wohngebiet an der Bahnlinie in Weißenburg

28.4.2021, 06:36 Uhr
Kein reines Wohngebiet an der Bahnlinie in Weißenburg

© Foto: Adam Renner

Die Probleme sind vielschichtig, der Hauptgrund aber ist der Lärm – verursacht durch die unmittelbar angrenzende, stark frequentierte Bahnlinie Nürnberg-Treuchtlingen. Doch das Gelände hätte das Potenzial zu einem in Weißenburg dringend benötigten Gebiet für Gewerbe- und Handwerksbetriebe, wie jüngst im Bauausschuss des Stadtrats deutlich wurde.

Nach verschiedenen Stellungnahmen, Untersuchungen und Gutachten kommt die Stadtverwaltung zu dem Schluss, dass aufgrund "der immissionsschutzfachlichen und -rechtlichen Gegebenheiten die Planungsziele – Ausweisung eines Allgemeinen Wohngebiets (WA) gemäß § 4 der Baunutzungverordnung (Bau-NVO) – nicht weiterverfolgt werden". Begründet sei dies darin, dass die im Baugesetzbuch aufgeführten Belange "nicht abwägungsfehlerfrei berücksichtigt werden können". Es geht unter anderem um Themen wie "Sicherung einer menschenwürdigen Umwelt", "Gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse" oder "Belange des Umweltschutzes".

Die Zukunft der ehemaligen Ziegelei Lang beschäftigt Eigentümer, Planer, Gutachter und die Stadtverwaltung schon seit Jahren. Auch in den Kommunalwahlkampf 2020 war das Thema mit einer Plakataktion – eher unrühmlich – hineingezogen worden.

2014 wurde das Areal Oberbürgermeister Jürgen Schröppel zufolge mit einem Vorbescheid als Mischgebiet freigegeben, ohne Bebauungsplan. Im Flächennutzungsplan der Stadt Weißenburg ist es nach wie vor als Gewerbegebiet eingezeichnet.


Alte Ziegelei wird zum Wohnviertel


Nach einem Eigentümer- und Architektenwechsel wurde als Ziel ausgegeben, ein Allgemeines Wohngebiet zu schaffen. Die neuen Eigentümer erhielten nach Angaben des OB den Auftrag, das Thema Schallschutz und Lärmbelastung zu klären.

Das Ergebnis fasste Schröppel so zusammen: Um auf dem Gelände die Anforderungen für ein Allgemeines Wohngebiet zu schaffen, müsste auf der Ostseite unmittelbar zur Bahn hin eine fünfgeschossige, 245 Meter lange Riegelbebauung entstehen. "Das erinnert mich doch stark an diesen Nazibau auf Rügen", sagte Schröppel.


Erste Pläne für das Alte Ziegelei-Gelände


Rechtsdirektor Heiko Stefke ergänzte, dass man nur durch dieses lang gestreckten Bauwerk und eine weitere Riegelbebauung am Lehenwiesenweg "überhaupt erst annähernd in die Nähe der Werte kommt, die vorgegeben sind".

Doch damit nicht genug. Um auch in dieser Riegelbebauung eine ordentliche Wohnqualität zu erreichen, müsste davor eine viereinhalb Meter hohe Lärmschutzwand errichtet werden.

Zusätzlich wäre ein sogenannter Laubengang, sprich eine vor die Außenwand vorgebaute Glaswand, nötig. Die Mauern der Mehrfamilienhäuser müssten deutlich dicker als üblich werden und Lärmschutzfenster wären natürlich eine Grundvoraussetzung.

Es bleibt zu laut

All das würde natürlich die Baukosten enorm in die Höhe treiben, "Trotzdem wären die Lärmgrenzwerte draußen nicht einzuhalten", machte der OB deutlich. Will heißen, sie würden nur bei geschlossenen Türen und Fenstern erreicht werden. Und wenn sich ein Bewohner auf einem Balkon oder einer eventuellen Grünfläche vor dem Gebäude aufhalte, sei dies nicht mehr gegeben.

Und auch im dahinterliegenden Wohngebiet würden an manchen Stellen nach den Berechnungen von Fachingenieuren an manchen Stellen die Grenzwerte überschritten. Stefke zufolge ist dies vor allem auch nachts gegeben, wenn die Bahnstrecke besonders stark mit Güterzügen befahren ist. Man sei "an der Obergrenze dessen, was im Städtebau überhaupt als vertretbar erachtet" werde.

Beschluss wäre nicht haltbar

All dies könnte man in einem Bebauungsplanverfahren "wegwägen", wie es im Fachjargon heißt, "wenn es das einzige verbliebene Baugebiet in der Stadt wäre", erläuterte der OB. Das sei dann nach dem Motto: "Bevor die Menschen unter einer Brücke schlafen müssen, kann man ihnen den Lärm zumuten."

Derartige Bauplatznot gebe es in Ballungsgebieten, in Weißenburg aber stünden "genügend andere Möglichkeiten" ein Baugebiet auszuweisen zur Verfügung. Daher wäre ein Beschluss zugunsten eines Allgemeinen Wohngebiets an dieser Stelle "abwägungstechnisch nicht haltbar", ist Schröppel überzeugt. Ein entsprechender Bebauungsplan wäre "rechtlich fehlerhaft".

Und vor allem habe der Stadtrat auch eine Fürsorgepflicht für künftige Bewohner. Er müsse darauf achten, dass "gesunde Wohnverhältnisse" entstünden. Selbst bei einem Mischgebiet müsste genau geprüft werden, ob auf dem Gelände Betriebsleiterwohnungen möglich wären.

"Nicht geeignet"

Daher komme die Stadtverwaltung zu dem klaren Ergebnis, dass das ehemalige Ziegeleigelände "nicht als Allgemeines Wohngebiet geeignet ist". Es entstand eine ausführliche Diskussion im Bauausschuss. Letztlich sprachen sich sieben der zehn Mitglieder und Oberbürgermeister Schröppel dafür aus, den im November 2017 gefassten Grundsatzbeschluss aufzuheben.

Damals wurde ein Einverständnis mit dem von den Eigentümern vorgestellten Bebauungskonzept erklärt. Es sollte ein konkretes Konzept erarbeitet und erneut dem Stadtrat vorgelegt werden, hieß es damals unter Hinweis auf die Lärmproblematik.

Das Ziel, ein Allgemeines Wohngebiet zu entwickeln, soll nun nicht mehr verfolgt werden. Neue Planungsabsichten müssen die Eigentümer künftig mit einem Schallgutachter beziehungsweise der Fachbehörde abstimmen.

Gegen diesen Beschluss stimmten Tobias Kamm (CSU) sowie Heinz Gruber und Alexander Kohler (beide Freie Wähler). Die endgültige Entscheidung fällt in der Stadtratssitzung am Donnerstag, 29. April, ab 17 Uhr im Wildbadsaal.

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