Dabei gibt es noch nicht einmal einen Liefertermin

Kritik an Luftfiltern für Klassenzimmer in Weißenburg-Gunzenhausen

10.9.2021, 16:55 Uhr
Die Anschaffung der mobilen Luftreinigungsgeräte (hier ein Foto aus Treuchtlingen), um das Corona-Infektionsrisiko in Klassenzimmern in Weißenburg-Gunzenhausen zu verringern, bleibt umstritten. Das Kultusministerium hält eine gewisse Lärmbeeinträchtigung für wahrscheinlich, sieht das aber mit dem Unterrichtsbetrieb als "vereinbar" an.

© Stadt Treuchtlingen, NN Die Anschaffung der mobilen Luftreinigungsgeräte (hier ein Foto aus Treuchtlingen), um das Corona-Infektionsrisiko in Klassenzimmern in Weißenburg-Gunzenhausen zu verringern, bleibt umstritten. Das Kultusministerium hält eine gewisse Lärmbeeinträchtigung für wahrscheinlich, sieht das aber mit dem Unterrichtsbetrieb als "vereinbar" an.

Auf Anfrage des Weißenburger Tagblatts erklärte das Landratsamt, man habe vom Händler noch keine konkrete Zusage erhalten, wann er liefern kann. Jürgen Simon, der Leiter des Büros des Landrats, verwies darauf, dass der Händler letztlich auch vom Hersteller und dieser wiederum von der schwierigen Situation auf dem Halbleitermarkt abhängig sei.

Die Verwaltung dränge aber mit Nachdruck auf eine möglichst schnelle Lieferung der Geräte. Optimistisch ist wohl frühestens davon auszugehen, dass die Geräte im Oktober zur Verfügung stehen Es kann aber auch noch später im Jahr werden. Je kälter es wird, desto unangenehmer wird das ständige Lüften der Räume.

Landrat Manuel Westphal hat vor der Sommerpause der Kreispolitik noch ordentlich Druck gemacht, damit der Schulausschuss festlegt, ob Luftfilter angeschafft werden sollen. Kurz vor den Ferien brachte das Gremium dann die Ausschreibung für knapp 250 Geräte auf den Weg. In einer nicht öffentlichen Sondersitzung Ende August erfolgte schließlich die Vergabe, wobei dem Vernehmen nach etliche Anbieter durch den Rasterkatalog der Verwaltung fielen. Die Kosten liegen bei rund 700.000 Euro, wovon die Hälfte der Freistaat als Zuschuss übernimmt.

Die Situation hat sich gewandelt

Einer der Hauptgründe für die Anschaffung nun weggefallen: Denn im Schulausschuss des Kreistages gab es die Befürchtung, dass die Staatsregierung die Öffnung der Schulen bei bestimmten Inzidenzwerten von Luftreinigungsgeräten in den Klassenzimmern abhängig machen könnte. Doch mit der neuen Infektionsschutzverordnung und der Krankenhausampel, die Ministerpräsident Markus Söder diese Woche vorgestellt hat, sind die Karten hier ja wieder neu gemischt.

Doch dafür gibt es einen neuen Aspekt, der für die Geräte spricht: Sind Luftfilter im Einsatz muss im Falle einer Infektion nicht mehr die ganze Klasse in Quarantäne. Es genügen die direkten Nachbarn des Betroffenen.

Die Physik macht vor dem Virus nicht Halt

Die Luftfilter sollen in die meisten Klassenzimmer der Landkreisschulen gestellt werden und dort idealerweise auch die Covid-19-Viren aus der Luft ziehen. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass das grundsätzlich funktioniert. Allerdings ist die Reinigungsleistung abhängig vom genauen Standort des Gerätes. Sprich: In den Raumecken wird wohl weniger passieren, als im unmittelbaren Umfeld des Luftfilters.

Auf diesen Umstand hat in den Schulausschusssitzungen vor allem Reinhard Ebert (ÖDP) immer wieder hingewiesen und sich deshalb skeptisch gezeigt, ob die Investition wirklich sinnvoll ist. Er brachte eine vom Max-Planck-Institut entwickelte Technik ins Gespräch, die günstiger und effizienter gewesen wäre, fand damit aber kein Gehör.

Auch Dr. Werner Winter (Freie Wähler) zeigte sich der Anschaffung gegenüber kritisch und hat diese Kritik nun auch schriftlich gegenüber dem FW-Landtagsabgeordneten Wolfgang Hauber fixiert. Winter fragt sich, ob die Luftreinigungsgeräte, die der Landkreis anschafft, technisch überhaupt geeignet sind.

Nach dem Studium verschiedener Veröffentlichungen des Umweltbundesamtes (UBA) und des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) kommt der pensionierte Diplom-Ingenieur zu dem Schluss, dass die bestellten Geräte „nicht dem Stand der Technik entsprechen“. Hauber fordert er nun auf, über die FW-Landtagsfraktion auf die bayerische Staatsregierung einzuwirken, dass die technischen Anforderungen an die Anschaffung von Luftreinigungsgeräten umgehend an die Angaben von UBA und VDI angepasst werden.

Winter kritisiert, dass die Förderrichtlinien nicht festlegen, für welche Fach- und Unterrichtsräume die Luftfilter angeschafft werden müssen, um das Infektionsrisiko zu verringern. Außerdem habe das UBA im Juli festgestellt, dass der Einsatz mobiler Luftfilter nicht notwendig sei, wenn ein Luftaustausch durch regelmäßiges Stoß- und Querlüften gewährleistet werde.

Der Lärm ist ein Problem

Besonders stört sich Winter am Geräuschpegel: Im Normalbetrieb müsse dieser mit dem Unterrichtsbetrieb vereinbar sein und dürfe den Wert von 40 dB(A) nicht überschreiten. Winter zufolge sind aber bereits ab diesem Wert Lern- und Konzentrationsstörungen möglich. Laut VDI-Empfehlung solle der Geräuschpegel maximal 35 dB(A) betragen. Und auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales empfehle in seinen technische Regeln für Arbeitsstätten einen Dauerschallpegel durch Hintergrundgeräusche von 35 dB(A) in Klassenräumen nicht zu überschreiten.

Kreisrat Winter schreibt Hauber dazu: „Bekanntlich stellen die VDI-Richtlinien den Stand der Technik bei der Anschaffung von Luftreinigungsgeräten dar. Ich bin schon verwundert, dass nun in Bayern ,Land auf – Land ab‘ Luftreinigungsgeräte angeschafft und gefördert werden, welche nicht den VDI-Richtlinien entsprechen, insbesondere mit Blick auf die Geräuschentwicklung.“

Hauber hat die Anmerkungen umgehend ans Kultusministerium weitergeleitet. Er erhielt die Antwort: „Die technischen Anforderungen an die förderfähigen Geräte und Anlagen beruhen auf der fachlichen Expertise insbesondere des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege, des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit sowie auf den Einschätzungen des Umweltbundesamtes.“

Kultusministerium: "Mit Unterricht vereinbar"

Weiter erläutert das Ministerium: „Mobile Luftreinigungsgeräte müssen in der Lage sein, ein ausreichendes Luftvolumen an gefilterter bzw. aufbereiteter Luft bereitzustellen, um eine Förderleistung (Luftdurchsatz durch das Gerät) des fünf- bis sechsfachen Raumvolumens pro Stunde zu gewährleisten.“ Damit könne infektiöser Partikel um bis zu 90 Prozent reduziert werden.

Das Kultusministerium räumt ein, dass Geräte auf dem Markt sind, die bei der vorgegeben Luftumwälzung des fünf- bis sechsfachen Raumvolumens lauter als 40 db(A) sind. Nur auf geringerer Leistungsstufe seien sie leise genug, doch damit wäre dann der Luftdurchsatz nicht gewährleistet und die Sinnhaftigkeit der Geräte würde infrage gestellt. „Der maximale Schalldruckpegel von 40 db(A) wird mit einem geordneten Unterrichtsbetrieb vereinbar erachtet“, findet man im Kultusministerium.

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